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»Ich schlief den Druidenschlaf«, erläuterte Cogline an einem Punkt, »sonst wäre ich schon früher gekommen. Ich hatte nicht erwartet, daß es schon Zeit war, doch die Magie, die in dir steckt und die mit deinem Eintritt ins Mannesalter erwacht ist, sagte mir, daß es soweit ist. Allanon hatte es so geplant, als er Brin das Vermächtnis übergab; es würde eine Zeit kommen, wo die Magie wieder gebraucht würde, und einer unter den Ohmsfords würde sie zu befehligen haben. Ich meine, du bist vielleicht dazu bestimmt, derjenige zu sein, Walker. Wenn das so ist, wirst du meine Hilfe brauchen, um zu verstehen, wie die Magie funktioniert.«

Walker war voll böser Vorahnungen, doch er erkannte, daß der alte Mann in der Lage sein mochte, ihm zu zeigen, wie er seine Zauberkraft unter Kontrolle bringen konnte. Diese Kontrolle brauchte er dringend. Er war bereit, es darauf ankommen zu lassen, ob Cogline sie ihn lehren konnte.

Cogline blieb fast drei Jahre bei ihm. Er offenbarte Walker als Lehrer dem Schüler die Überlieferungen der Druiden, die Schlüssel, die die Türen des Verstehens öffnen würden. Er lehrte ihn die Weisen von Bremen und Allanon, wie man sich nach innen wendet, um sich die rohe Kraft der Magie nutzbar zu machen, wie man sein Bewußtsein strukturierte, so daß die Kraft kanalisiert werden konnte und nicht aufs Geratewohl losging. Walker verfügte schon über ein paar Kenntnisse; er hatte viele Jahre mit der Magie gelebt und etwas von der Selbstverleugnung und den Schranken gelernt, die nötig waren, um ihre Forderungen zu überleben. Cogline baute auf diesem Wissen auf, drang in Bereiche vor, die Walker nicht hatte antasten wollen, lehrte ihn Methoden, die er nicht für möglich gehalten hatte. Langsam und schrittweise stellte Walker fest, daß die Magie sein Leben nicht mehr regierte; Unvorhersehbarkeit wurde durch Selbstkontrolle ersetzt. Walker begann sich selbst zu meistern.

Cogline unterrichtete ihn auch in den Wissenschaften der Alten Welt, lehrte ihn auch die Chemikalien und Mixturen, die er im Laufe der Jahre entwickelt und benutzt hatte, die Pulver, die sich durch Metall brannten und wie Feuer explodierten, und die Lösungen, die die Form sowohl von Flüssigkeiten als auch von festen Körpern veränderten. Neue Türen öffneten sich für Walker; er entdeckte eine ganz andere Form von Kraft. Seine Neugierde war so groß, daß er anfing, eine Verbindung von beiden – der Alten und der Neuen Welt – zu erforschen, eine Verschmelzung von Wissenschaft und Magie, die bislang noch niemand erfolgreich versucht hatte. Er ging langsam und vorsichtig vor, entschlossen, nicht zu einem der Opfer zu werden, die die Macht im Laufe der Zeit gefordert hatte, von den Menschen der Alten Welt, die die Großen Kriege ausgelöst hatten, bis hin zu dem Druiden Brone, seinen Schädelträgern und den Mordgeistern, die die Kriege der Rassen entzündet hatten.

Und dann begann er aus irgendeinem Grunde anders darüber zu denken. Vielleicht lag es an der Begeisterung, die ihn überkam, wenn er die Magie befehligte. Vielleicht war es das unersättliche Bedürfnis, mehr zu erfahren. Was auch immer der Grund war, er gelangte zu der Überzeugung, daß eine vollständige Beherrschung der Magie nicht möglich war, daß die Kraft, gleich, wie sorgfältig er sich gegen ihre schädlichen Wirkungen schützen mochte, ihn eines Tages überwältigen würde. Über Nacht wendete sich seine Haltung ins Gegenteil. Er versuchte, vor ihr zurückzuweichen, sie abzuschütteln. Er steckte in einem gewaltigen Dilemma; er versuchte, sich von der Magie zu distanzieren, doch das war ausgeschlossen, denn sie stellte einen wesentlichen Teil von ihm dar. Cogline sah, was vor sich ging, und versuchte, ihn zur Vernunft zu bringen. Walker weigerte sich, ihm zuzuhören, und fragte sich plötzlich, warum Cogline überhaupt zu ihm gekommen war. Ein Versuch war im Gange, ihn zu manipulieren, eine Druidenverschwörung, die bis zu den Zeiten von Shea Ohmsford zurückverfolgt werden konnte. Er wollte damit nichts zu tun haben. Er stritt mit Cogline, dann kämpfte er. Schließlich ging Cogline fort.

Er kam im Laufe der Jahre natürlich zurück. Aber Walker wollte keine weiteren Instruktionen über den Einsatz der Magie mehr hören, weil er fürchtete, daß zusätzliche Kenntnisse zu einer Unterwanderung seiner mühsam errungenen Kontrolle führen könnten, daß eine Steigerung zur Besitznahme führen könnte. Lieber verließ er sich auf das Verständnis, über das er verfügte, begrenzt, aber zu handhaben, und hielt sich von den Rassen fern, wie er es von Anfang an vorgehabt hatte. Cogline konnte kommen und gehen, sie konnten ihre unbequeme Allianz aufrechterhalten, aber er würde sich den Druiden oder einstigen Druiden oder irgendwem sonst nicht überlassen. Er wollte bis zum Ende sein eigener Herr bleiben.

Und jetzt war das Ende gekommen, und er war sich des Wegs, den er gewählt hatte, nicht mehr so sicher. Der Tod war nahe und wollte ihn, und hätte er sich nicht so von der Magie distanziert, hätte er ihn vielleicht ein wenig hinauszögern können. Sich diese Möglichkeit einzugestehen, verlangte, daß er eine bittere Dosis Stolz herunterschluckte. Es war hart, sich selbst neu einschätzen zu müssen, aber es war unvermeidlich. Walker Boh hatte in seinem ganzen Leben nie die Wahrheit gescheut, und er weigerte sich, jetzt damit anzufangen.

In der zweiten Woche nach seiner Rückkehr aus Storlock, als er in den frühen Abendstunden am Feuer saß und die Schmerzen seiner Krankheit ihn ständig an die Dinge mahnten, die unerledigt geblieben waren, sagte er zu Cogline, der irgendwo im Hintergrund in seinen Büchern herumwühlte, die er zu seinem eigenen Gebrauch in der Kate aufbewahrte: »Komm, setz dich zu mir, alter Mann.«

Er sagte es freundlich und traurig, und Cogline kam ohne zu widersprechen und setzte sich neben ihn. Gemeinsam starrten sie m den hellen Feuerschein.

»Ich sterbe«, sagte Walker nach einer Weile. »Ich habe alles versucht, um das Gift auszutreiben, und nichts hat gewirkt. Sogar meine Magie hat versagt. Und deine Wissenschaft. Wir müssen akzeptieren, was das bedeutet. Ich habe die Absicht, weiterhin alles zu versuchen, um es zu verhindern, aber es sieht so aus, als würde ich nicht überleben.« Er preßte seinen störrischen Arm gegen den Körper, ein steinernes Gewicht, das ihn unnachgiebig nach unten zog. »Es gibt Dinge, die ich dir sagen muß, bevor ich sterbe.«

Cogline wandte sich zu ihm um und wollte etwas sagen, doch Walker schüttelte den Kopf. »Ich habe mich selbst ohne einen triftigen Grund gegen dich verhärtet. Ich war unfreundlich zu dir, während du mehr als freundlich zu mir warst. Es tut mir sehr leid.«

Er schaute den alten Mann an. »Ich hatte Angst vor dem, was die Magie mir antun könnte, wenn ich mich ihr weiterhin hingeben würde; ich habe noch immer davor Angst. Ich denke nicht völlig anders. Ich glaube noch immer, daß die Druiden die Ohmsfords für ihre eigenen Absichten ausnutzen, daß sie uns sagen, was sie uns wissen lassen wollen, und uns steuern, wie es ihnen behagt. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, ihr Handlanger zu sein. Doch ich habe mich geirrt, als ich dich als einen von ihnen angesehen habe. Deine Absichten waren nicht die ihren. Du hast deine eigenen.«

»Soweit irgendwelche Absichten die meinen sind und nicht vom Schicksal und den Umständen abhängen«, sagte Cogline mit trauriger Miene. »Wir verwenden so viele Worte, um zu beschreiben, was mit uns geschieht, und alles läuft auf dasselbe hinaus. Wir leben unser Leben, wie uns bestimmt ist, es zu leben – mit einer gewissen Entscheidungsfreiheit und ein paar Zufällen, doch vor allem als Ergebnis dessen, was wir sind.« Er schüttelte den Kopf. »Wer kann denn behaupten, daß ich freier von den Druiden und ihren Manipulationen bin als du, Walker? Allanon kam genauso zu mir, wie er zu dir, dem jungen Par und zu Wren gekommen ist, und hat mich zu dem seinen gemacht. Ich kann nicht behaupten, daß es anders wäre.«