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Jetzt bist du dran, Walker, war Coglines letzter Gedanke.

Dann verschwand er in den Flammen.

Die letzte Explosion schleuderte Walker von dem verhangenen Fenster fort, kurz bevor es von den Flammen erfaßt wurde. Trotzdem waren sein Gesicht und seine Hand angeschwärzt, und seine Kleider qualmten. Als Haufen lag er da, während das Feuer über die Decke seines Zimmers leckte. Er achtete nicht darauf, ihm war inzwischen egal, was geschah. Er war nicht in der Lage gewesen, Cogline und Ondit zu Hilfe zu eilen, zu schwach, den Zauber anzurufen, zu schwach sogar, um auch nur aufzustehen und sich mit ihnen gegen die Schattenwesen zu stellen, zu schwach, irgend etwas anderes zu tun als sich an das Fenstersims zu klammern und zuzuschauen.

Zwecklos! Er schrie das Wort tonlos im Geiste. Wut und Kummer schüttelten ihn.

Verzweifelt rappelte er sich auf die Knie und spähte durch die Flammen hinaus. Cogline und Ondit waren verschwunden. Felsen-Dall und die übriggebliebenen Schattenwesen zogen sich in den Wald zurück. Er starrte einen Moment hinter ihnen her, dann verließ ihn seine Kraft, und er brach wieder zusammen.

Zwecklos!

Die Feuerhitze wurde immer unerträglicher. Balken krachten herunter, und glühende Splitter versengten seine Haut. Sein Körper zuckte unter den Schmerzen, sein steinerner Arm zerrte ihn wie ein Anker auf den hölzernen Boden. Sein Schicksal war besiegelt, erkannte er. Niemand würde zu ihm kommen. Niemand wußte überhaupt, daß er hier war. Der alte Mann und die große Moorkatze hatten seine Gegenwart sogar vor den Schattenwesen verborgen; sie hatten ihr Leben dafür gegeben …

Er schauderte, als ihm das Bild von Felsen-Dalls Gesicht in den Sinn kam. Die leblosen Augen schauten ihn abschätzend an. Er entschied, daß er nicht sterben wollte. Fast ohne sich dessen bewußt zu sein, begann er zu kriechen.

10

Quickening fand ihn zwei Tage später. Pe Ell und Morgan waren dabei, angezogen von dem Geheimnis, wer und was sie war, ihrem Versprechen, daß sie gebraucht würden, um den Talisman zu finden, den zu suchen sie geschickt worden war, angezogen durch Neugier, durch Leidenschaft und ein Dutzend anderer Gründe, die sie nicht zu nennen vermochten. Sie hatten die Reise von Culhaven nach Norden in drei Tagen zurückgelegt. Zu Fuß waren sie dem Rabb gefolgt, wo er an den Anar grenzte, weit genug westlich des Wolfsktaags mit den finsteren Geschöpfen, die dort hausten. Geheimnistuerei schien das letzte zu sein, das Quickening am Herzen lag. Sie hatte beschlossen, bei Tag zu reisen, und hatte jenen, die ihr gerne gefolgt wären, gesagt, daß sie zurückbleiben und ihr Werk vollenden müßten, die Gesundheit des Landes wiederherzustellen, und sie waren den ganzen Weg bis zum Waldrand durch die offenen Ebenen gezogen. Morgan Leah war zwar erleichtert, daß er sich nicht mehr in den Wolfsktaag wagen mußte, aber er war sicher, Föderationspatrouillen am Rabb würden versuchen, sie aufzuhalten. Seltsamerweise geschah das nicht. Sie kamen zwar mehr als einmal in Sicht und näherten sich, doch bevor die Patrouillen ganz herangekommen waren, drehten sie plötzlich ab. Es war fast, als hätten sie beschlossen, sie hätten sich geirrt – als hätten sie beschlossen, sie hätten am Ende gar nichts gesehen.

Es fing schon an zu dämmern, als die drei schließlich in Hearthstone anlangten, die Männer mit wunden Füßen, verschwitzt und ein bißchen mürrisch über das Tempo, das das Mädchen angegeben hatte und das sie offenbar ohne jede Mühe einhalten konnte. Sie waren an Storlock vorbei über den Jadepaß den Chard Rush hinunter nach Darklin Reach gekommen. Die Sonne näherte sich schnell den Berggipfeln hinter ihnen, und der Himmel vor ihnen war klar und hell. Eine dicke, schwarze Rauchsäule stieg darin auf wie eine Schlange. Sie sahen den Rauch lange bevor sie seine Ursache ausmachen konnten. Sie sahen ihn in den dunkler werdenden östlichen Himmel steigen und sich langsam auflösen, und Morgan Leah fing an, sich Sorgen zu machen. Quickening sagte nichts, doch dem Hochländer kam es so vor, als sei ihr Gesicht angespannt. Als sie schließlich den Rand des Tales erreichten und keinerlei Zweifel mehr blieben, wirkte das Gesicht des Mädchens erschöpft.

Sie folgten dem Rauch zu den Ruinen der Hütte. Verkohlter Schutt war alles, was noch übrig war. Das Feuer, das dort gewütet hatte, war so heiß gewesen, daß es an manchen Stellen noch immer brannte. Holz und Asche glühten leuchtend rot und sandten den schwarzen Rauch in den Himmel. Die Lichtung rundum war versengt und leblos, und riesige Klumpen Erde waren weggeplatzt. Es sah aus, als hätten sich zwei gewaltige Armeen auf einem Feld von hundert Metern eine Schlacht geliefert. Nichts Erkennbares war übrig. Fetzen und Teile von etwas, das vielleicht einst Menschen gewesen waren, lagen überall verstreut, aber es war unmöglich mit Bestimmtheit festzustellen. Sogar Pe Ell, der sonst so sorgsam darauf achtete, seine Gedanken nicht zu verraten, stand da und starrte.

»Die Schattenwesen waren hier«, sagte Quickening, und das veranlaßte beide Männer, sofort losgehen zu wollen, um den Wald hinter ihnen abzusuchen, doch sie fügte hinzu: »Aber sie sind fort und werden nicht wiederkommen.«

Unter der Anleitung des Mädchens suchten sie die Lichtung nach Walker Boh ab. Morgans Herz sank. Er hatte gehofft, daß Walker nicht hier sei, daß der Angriff der Schattenwesen einen anderen Grund gehabt hätte. Niemand konnte das überlebt haben, dachte er. Er beobachtete, wie Pe Ell lustlos gegen Schutthaufen trat, eindeutig nur halbherzig bei der Sache. Morgan mochte den Mann nicht. Er traute ihm nicht, und er verstand ihn nicht. Trotz der Tatsache, daß Pe Ell ihn aus dem Föderationsgefängnis befreit hatte, konnte Morgan sich nicht dazu bringen, irgendwelche Freundschaftsgefühle für ihn zu hegen. Pe Ell hatte ihn auf Quickenings Bitte gerettet; er hätte keinen Finger krumm gemacht, wenn das Mädchen ihn nicht darum gebeten hätte. Soviel hatte er Morgan schon wissen lassen, es hatte ihm viel daran gelegen, es ihm zu sagen. Wer er war, blieb ein Geheimnis, und der Hochländer war sicher, daß nichts Gutes aus seiner Anwesenheit hier entspringen konnte. Selbst jetzt, als er über die verkohlte Lichtung streifte, sah er aus wie eine Katze auf der Suche nach etwas zum Spielen.

Quickening fand Walker Boh wenige Augenblicke später und rief die beiden anderen eilig hinzu. Wie sie herausfand, wo er sich versteckt hatte, konnte man nur vermuten. Er war bewußtlos und lag tief in die Erde eingegraben. Pe Ell und Morgan gruben ihn aus und stellten dabei fest, daß er offenbar in einem unterirdischen Tunnel, der von der Hütte zum Waldrand führte, steckengeblieben war. Obwohl der Tunnel vermutlich bei dem Schattenwesenangriff eingestürzt war, hatte er genug Luft bekommen, um zu überleben. Sie brachten ihn an das schwächer werdende Tageslicht, und Morgan sah die Überreste seines Arms, der Unterarm war ganz weg, und ein steinerner Stumpf ragte aus der Schulter. Walker atmete nur schwach, seine Haut war bleich und ausgemergelt. Zuerst glaubte der Hochländer, er lebe gar nicht mehr.

Behutsam legten sie ihn auf den Boden und wischten ihm den Schmutz vom Gesicht. Quickening kniete sich neben ihn und nahm seine Hand in ihre Hände. Sie hielt sie einen Moment lang fest, und er schlug die Augen auf. Morgan wich zurück. So hatte er Walkers Blick noch nie gesehen; es war erschreckend, ihn anzuschauen, finsterer Wahnsinn stand darin.

»Laßt mich nicht sterben«, flüsterte der Dunkle Onkel rauh.

Das Mädchen berührte sein Gesicht, und er schlief auf der Stelle ein. Morgan holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. Walker Boh bat nicht aus Angst um Hilfe; es war Wut.

In jener Nacht schlugen sie ihr Lager neben den Ruinen der Hütte im Schutze der Bäume auf, als das Tageslicht der Dunkelheit wich. Quickening ließ sie neben der Stelle, wo Walker Boh schlafend lag, ein Feuer entzünden, und sie setzte sich neben ihn und rührte sich nicht. Manchmal nahm sie seine Hand, manchmal streichelte sie ihn. Morgan und Pe Ell waren vergessen. Sie schien sie nicht zu brauchen und auch nicht zu wollen, daß sie sich einmischten, also entfachte der Hochländer ein zweites Feuer ein Stückchen weiter weg und bereitete ein Nachtmahl aus den Vorräten, die sie mitgebracht hatten – Brot, getrocknetes Fleisch, Käse und Obst. Er bot dem Mädchen etwas an, doch sie schüttelte den Kopf und er zog sich zurück. Er aß allein. Pe Ell nahm sein Essen und verschwand in die Dunkelheit.