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Ein Anflug von Lächeln huschte über ihr Gesicht, eine Spur von Bewegung ihrer Mundwinkel. »Du wirst mir nichts zuleide tun, Walker Boh. Fürchtest du, daß du es wirst tun müssen?«

»Die Vision«, wiederholte er.

»Eine Vision, weiter nichts«, unterbrach sie ihn. »Visionen sind ebensosehr Illusion wie Wahrheit. Visionen zeigen uns Möglichkeiten und nicht Realität. Wir sind nicht an sie gefesselt, sie steuern nicht, was geschehen wird. Insbesondere solche von einer Kreatur wie dem Finsterweiher. Er neckt mit Falschheit, er täuscht. Fürchtest du ihn, Walker Boh? Nein, nicht du. Und ich auch nicht. Mein Vater sagt mir, was geschehen wird, und das reicht. Du wirst mir kein Leid antun.«

Walkers Gesicht fühlte sich verkniffen und angespannt an. »Er kann sich irren in dem, was er sagt; er mag nicht alles sehen, was sein wird.«

Quickening schüttelte den Kopf, streckte ihre schmale Hand aus und legte sie auf seine. »Du wirst auf dieser Reise mein Beschützer sein, Walker Boh – ihr alle drei, solange es nötig ist. Mach dir keine Sorgen. Ich werde bei euch sicher sein.«

Walker schüttelte den Kopf. »Ich könnte hierbleiben …«

Ihre Hand legte sich hastig auf seine Lippen und berührte sie, als müsse sie neues Gift fortwischen. »Nein.« Das Wort war wie aus Eisen gegossen. »Ich werde in Sicherheit sein, wenn du bei mir bist, ich laufe nur Gefahr, wenn du es nicht bist. Du mußt mitkommen.«

Er sah sie zweifelnd an. »Kannst du mir irgend etwas darüber sagen, was ich zu tun haben werde?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Oder über die Mittel, wie ich Uhl Belk den schwarzen Elfenstein abnehmen soll?«

Wieder verneinte sie mit Bestimmtheit.

»Oder wenigstens, wie ich dich beschützen soll, wo ich doch nur einen Arm habe und …?«

»Nein.«

Er sackte zusammen, fühlte sich plötzlich schrecklich erschöpft. Finsternis hüllte ihn als Decke aus Zweifeln und Unentschlossenheit mit erstickenden Falten ein. »Ich bin ein halber Mann«, flüsterte er. »Ich habe das Vertrauen in mich verloren, in die Versprechen, die ich mir selbst gegeben, die Aufgaben, die ich mir gestellt habe. Ich bin von Druidenträumen und – aufträgen, an die ich nicht glaube, herumgezerrt worden. Ich habe meine beiden engsten Freunde verloren, mein Haus und meine Wertvorstellungen. Ich war der Stärkste von jenen, die Allanon aufsuchten, der, auf den die anderen sich verließen. Jetzt bin ich der Schwächste, kaum in der Lage, mich auf den Beinen zu halten. Ich kann die Visionen des Finsterweihers nicht so schnell abtun wie du. Ich bin zu oft zu Unrecht vertrauensvoll gewesen. Jetzt muß ich einfach alles in Frage stellen.«

»Walker Boh«, sagte sie.

Er schaute sie fragend an, während sie ihm auf die Füße half. »Du wirst wieder stark sein – allerdings nur, wenn du daran glaubst.«

Sie war so nah, daß er ihre Wärme durch die kühle Nachtluft zu ihm strahlen fühlte. »Du bist wie ich«, sagte sie ruhig. »Du hast es schon gespürt, doch du kannst noch nicht begreifen, warum das so ist. Es ist so, denn wir sind in erster Linie Geschöpfe der Magie, die wir befehligen. Die Magie definiert uns, formt uns und macht uns zu dem, was wir sind. Für uns beide ist es ein angeborenes Recht, dem wir nicht entkommen können. Du willst mich beschützen, indem du mir von der Vision berichtest, und indem du die Gefahr, die deine Gegenwart bedeuten könnte, bannst, falls deine Vision sich bewahrheiten sollte. Aber, Walker Boh, wir sind in einer Weise verbunden, daß wir allen Visionen zum Trotz nicht getrennt überleben können. Fühlst du das nicht? Wir müssen diesen Faden des Wegs aufnehmen, der uns nach Eldwist, zu Uhl Belk und dem schwarzen Elfenstein führt, und wir müssen ihm bis zum Ende folgen. Visionen von dem, was sein könnte, dürfen uns nicht von diesem Weg abbringen. Wir dürfen keine Angst um unsere Zukunft haben.«

Sie machte eine Pause. »Magie, Walker Boh. Magie bestimmt den Sinn meines Lebens, die Magie, die mein Vater mir gab. Kannst du behaupten, daß es für dich anders ist?«

Es war nicht eine Frage, die sie ihm stellte, sondern die Feststellung einer Tatsache, eine unanfechtbare Wahrheit. Er holte tief Luft. »Nein«, gab er zu, »das kann ich nicht.«

»Wir können es weder verleugnen noch davor weglaufen, nicht wahr?«

»Ja.«

»Dies haben wir miteinander gemein – dies und unterschiedliche Aufträge, den schwarzen Elfenstein zu finden und die Vier Länder zu retten, deinen von Allanons Schatten, meinen von meinem Vater. Darüber hinaus ist alles unwichtig. Alle Wege führen zu dem Druidentalisman.« Sie hob ihr Gesicht in das schwache Licht, das vom sternenübersäten Himmel durch die Bäume fiel. »Wir müssen uns zusammen auf die Suche danach machen, Walker Boh.«

Sie war so überzeugt, war sich dessen, was sie sagte, so sicher. Walker fing ihren Blick auf, war noch immer voll Zweifel und Ängste, doch gleichzeitig fühlte er sich von ihrer Zielstrebigkeit und ihrer Willenskraft getröstet. Beides hatte er einst in gleichem Maße besessen. Es machte ihn beschämt und zornig, daß es nicht mehr so war. Er erinnerte sich an Par Ohmsfords Entschlossenheit zu tun, was richtig war, eine Anwendung für seine Gabe der Magie zu suchen. Er dachte an sein unausgesprochenes Versprechen, das er Cogline und Ondit gegeben hatte. Er war noch immer auf der Hut vor der Vision des Finsterweihers, aber Quickening hatte recht. Es durfte ihn nicht von seiner Aufgabe abhalten.

Er schaute sie an und nickte. Ein gewisses Maß an Entschlossenheit kehrte zurück. »Wir werden nicht mehr von der Vision des Finsterweihers sprechen«, versprach er.

»Nicht, ehe es nötig ist«, erwiderte sie.

Sie nahm seinen Arm und führte ihn durch den dunklen Wald zurück zu seinem Schlafplatz.

11

Par Ohmsford kam langsam wieder zu Kräften. Zwei Wochen verstrichen, während er in dem unterirdischen Bau des Maulwurfs darniederlag, ein hageres, regloses Skelett, in alte Leintücher gehüllt, von einer Mischung aus Schatten und Kerzenlicht gesprenkelt und umgeben von den fremden, unbeweglichen Gesichtern der Adoptivkinder des Maulwurfs. Zeit hatte zunächst keine Bedeutung, denn er war für alles, das auch nur entfernt mit der Realität zu tun hatte, verloren. Dann schwand der Wahn, und er kam langsam wieder zu sich. Tage und Nächte nahmen Gestalt an. Damson Rhee und der Maulwurf wurden erkennbar. Die Schemen von Dunkelheit und Licht verdichteten sich und ließen ihn die Formen und Strukturen der unterirdischen Räume erkennen, in denen er ruhte. Die ausgestopften Hüllen erschienen ihm wieder vertraut, Knopfnasen und Augen, genähte Münder, abgetragene Stoffglieder und Leiber. Er konnte ihnen Namen geben. Wörter bekamen wieder Sinn. Es gab Nahrung, und es gab Schlaf.

Vor allem aber gab es Erinnerungen. Sie verfolgten ihn im Schlaf und im Wachen gleichermaßen, Gespenster, die auf der Klippe seiner Gedanken lauerten und darauf gierten, ihn zu stechen und zu beißen. Erinnerungen an die Grube, die Schattenwesen, Felsen-Dall und das Schwert von Shannara, doch vor allem an Coll.

Er konnte es sich nicht verzeihen. Coll war seinetwegen tot – nicht, weil er ihm den fatalen Stoß versetzt hätte, den tödlichen Schlag seiner Wunschliedmagie, nicht, weil er seinen Bruder nicht vor den Horden von Schattenwesen, die in der Grube lungerten, angemessen zu beschützen versucht hätte, während er sich mit Felsen-Dall abgab, nicht wegen alldem, sondern weil er von Anfang an, seit sie vor den Suchern aus Varfleet geflüchtet waren, ausschließlich an sich selbst gedacht hatte. Sein Drang, die Wahrheit über das Wunschlied, das Schwert von Shannara, den Auftrag von Allanon, den Sinn der Magie herauszufinden – das war alles, was ihn interessiert hatte. Er hatte alles geopfert, um diese Wahrheit zu entdecken, und am Ende hatte das Opfer seinen eigenen Bruder mit eingeschlossen.

Damson Rhee, die instinktiv seine Qualen und ihre Ursache erkannte, gab sich mächtig Mühe, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

»Er wollte dort mit dir zusammen sein, Par«, pflegte sie ihm wieder und wieder sagen. Sie beugte sich über ihn, und ihr rotes Haar fiel ihr über die schmalen Schultern, während sie mit sanfter, freundlicher Stimme auf ihn einsprach. »Es war sein eigener Wille. Er liebte dich so, daß es anders nicht sein konnte. Du hast dein Bestes getan, um ihn daran zu hindern mitzukommen, ihn nicht in Gefahr zu bringen. Aber Coll war jemand, der keine Kompromisse einging. Er hatte einen Sinn für das Richtige und Unausweichliche. Er war entschlossen, dich vor den Gefahren zu schützen, von denen ihr beide wußtet, daß sie euch erwarteten. Es gab sein Leben für deine Sicherheit, siehst du das nicht? Versuch nicht, dieses Opfer zu entwerten, indem du darauf bestehst, es sei deine Schuld. Er hatte die Wahl, und er hat sie getroffen. Er war starrköpfig, und du hättest ihn nicht umstimmen können, selbst wenn du es noch heftiger versucht hättest, als du ohnehin getan hast. Er wußte Bescheid, Par. Er verstand den Sinn und die Notwendigkeit deines Tuns. Vorher hast du geglaubt, daß es so ist, und du mußt es jetzt auch glauben. Coll glaubte es. Laß seinen Tod nicht umsonst gewesen sein.«