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Die Tage der Woche rollten vorbei, bis Quickening schließlich entschied, daß Walker soweit wiederhergestellt war, daß er reisen konnte. Da verließen die vier Hearthstone. Sie reisten zu Fuß, denn das Land erlaubte nichts Besseres; sie zogen nordwärts durch Darklin Reach und den Wald von Anar, am westlichen Rand des Toffer Ridge zum Rabb, überquerten ihn, wo er schmaler wurde, und reisten in Richtung der Charnalberge. Sie kamen nur langsam voran, denn das Land war dicht bewaldet, erstickt unter Gestrüpp, von Schluchten und Klippen zerklüftet, und sie waren immer wieder gezwungen, ihre Marschrichtung zu verändern, um passierbares Gelände zu finden. Das Wetter war jedoch gut, warme Sonnentage mit sanfter Brise, ein später Sommer, wo die Stunden träge verstrichen und jeder neue Tag willkommen und endlos erschien. Selbst so weit im Norden war das Land krank, die Erde und ihr Leben welk und vergiftet, wenn auch noch nicht so weit fortgeschritten wie im mittleren Teil der Vier Länder, und die Gerüche, die Anblicke und die Geräusche waren meist frisch und neu und noch nicht angefault. Die Flüsse waren klar, die Wälder grün, und das Leben darin schien von der zunehmenden Finsternis, mit der die Schattenwesen alles zu überziehen drohten, noch nicht erfaßt.

Nachts kampierten sie in Waldlichtungen bei einem Teich oder Fluß, die frisches Wasser lieferten und oft auch Fisch für eine Mahlzeit, und hin und wieder gab es Gespräche unter den Männern, sogar mit Pe Ell. Quickening war es, die sich zurückhielt, die abseits blieb, wenn die Tagesreise vorüber war, die sich in die Schatten zurückzog, fern von dem Lagerfeuer und der Gegenwart der drei Männer. Nicht, daß sie sie geringschätzte oder sich vor ihnen verbarg; es war eher, weil sie allein sein mußte. Ziemlich zu Beginn ihrer Reise begann eine Mauer zu wachsen, die sie in der ersten Nacht unterwegs errichtete und später nicht einriß. Ihre drei Begleiter stellten keine Fragen, doch sie beobachteten sie und einander ununterbrochen und warteten, was sich ereignen würde. Als nichts geschah, begann jeder, durch die erzwungene Trennung von ihr, sich in Gegenwart der beiden anderen zu entspannen und zu reden. Morgan hätte so oder so zu reden angefangen. Er war ein junger Mann, der Geschichten und die Gesellschaft anderer genoß. Anders Pe Ell und Walker, die beide von Natur aus und aus Erfahrung vorsichtig und zurückhaltend waren. Gespräche wurden oft zu Schlachtfeldern zwischen den beiden, wo beide versuchten, die Geheimnisse, die der andere zu verbergen suchte, zu entschleiern, und keiner von ihnen war bereit, irgend etwas von sich preiszugeben. Sie benutzten ihre Gespräche als Schirm und achteten sorgfältig darauf, daß die Konversation fern von allem blieb, was wichtig war.

Alle drei spekulierten hin und wieder, wohin sie gehen und was sie tun würden, wenn sie einmal dort wären. Diese Gespräche endeten jedesmal sehr bald. Keiner von ihnen wollte darüber reden, welche Magie er beherrschte, obgleich Morgan und Walker schon eine gewisse Vorstellung von der Kraft des anderen besaßen, und niemand wollte irgendeinen Schlachtplan vorstellen, wie der Talisman zu erringen sei. Sie umstrichen einander wie Säbelfechter, testeten Stärken und Schwachstellen, täuschten einander mit Fragen und Vorschlägen und versuchten herauszufinden, welche Sorte von Eisen die anderen beschützte. Walker und Pe Ell machten nur geringe Fortschritte miteinander, und während eindeutig klar war, daß Morgan wegen der Magie im Schwert von Leah dabei war, war es unmöglich, etwas Wesentliches darüber zu erfahren, da die Waffe zerbrochen war. Vor allem Pe Ell stellte wieder und wieder Fragen darüber, was das Schwert von Leah zu tun imstande sei, welche Art von Materialien es durchdringen könne, und wieviel Kraft es eigentlich enthalte. Morgan setzte alle seine beachtlichen Talente ein, um gleichzeitig charmant und verwirrend zu bleiben und den Eindruck zu vermitteln, daß das Schwert alles und nichts zu tun imstande sei. Irgendwann ließ Pe Ell ihn in Ruhe.

Das Ende der ersten Reisewoche brachte sie nördlich des Anar zu dem Vorgebirge des Charnals, durch das sie tagelang im Schatten der Berge zogen, während sie sich den Weg nach Nordosten in Richtung des Gezeitenstroms bahnten. Inzwischen hatten sie das Land, das ihnen vertraut war, hinter sich gelassen. Weder Morgan noch Pe Ell waren je nördlich des Oberen Anar gewesen, und Walker hatte bisher nur die tieferen Regionen des Anar besucht. Wie auch immer, es war Quickening, die sie führte, offenbar unbeeindruckt von der Tatsache, daß sie das Land noch weniger kannte als sie. Sie gehorchte einer inneren Stimme, die keiner von ihnen hören konnte, Instinkten, die keiner von ihnen fühlte. Sie gab zu, daß sie nicht genau wußte, wohin sie gingen, daß sie für den Augenblick genau genug fühlte, wohin sie sie zu führen hatte, doch daß sie irgendwann das Gebirge zu überwinden hätten, und daß sie dann nicht mehr weiter wüßte, da die Berge sich für sie als unergründlich zeigen würden. Eldwist lag jenseits des Charnalgebirges, und sie würden Hilfe brauchen, um es zu finden.

»Verfügst du über die Magie dafür, Walker?« neckte Pe Ell, als sie geendet hatte, doch Walker lächelte nur und stellte sich die gleiche Frage.

Als die zweite Woche zu Ende ging, holte der Regen sie ein und folgte ihnen unerbittlich in die dritte Woche, durchnäßte gleichermaßen ihren Pfad, ihr Gepäck, ihre Kleidung und ihre Gemüter. Wolken türmten sich über ihren Köpfen entlang der Gipfellinie und weigerten sich dunkel und hartnäckig zu weichen. Donner grollte, und Blitze zuckten über die Gebirgswände, als spielten Riesen Schattentheater mit ihren Händen. So weit im Norden gab es nicht viele Reisende; die wenigen, denen sie begegneten, waren überwiegend Trolle. Wenige sprachen überhaupt, und die, die es taten, hatten kaum etwas Nützliches zu sagen. Es gab mehrere Pässe, die über das Gebirge führten, ein oder zwei Tagreisen entfernt, und alle nahmen ihren Anfang in einer Stadt hoch in den Vorbergen mit dem Namen Rampling Steep. Ja, einige der Pässe führten weit nach Osten zum Gezeitenstrom. Nein, von Eldwist hatten sie noch nie reden gehört.

»Da fragt man sich, ob es wirklich existiert«, murmelte Pe Ell in seiner ständigen Rolle des Aufstachlers; ein Lächeln verzerrte sein schmales Gesicht, das kalt, leer und ohne jeden Humor war. »Gibt einem zu denken.«

In jener Nacht, zwei Tage, bevor ihre dritte Reisewoche zu Ende ging, brachte er das Thema in einer Weise zur Sprache, die keinen Zweifel über seine Gefühle aufkommen ließ. Der Regen fiel noch immer als grauer Vorhang, der die Gemüter frösteln machte und die Geduld auf die Folter spannte.

»Diese Stadt, Rampling Steep«, begann er, und in seiner Stimme klang eine Schärfe mit, die sie im Zwielicht alle aufhorchen ließ. »Von dort aus haben wir keinerlei Anhaltspunkte mehr, wo wir hingehen, nicht wahr?« Er stellte Quickening die Frage, die nicht darauf einging. »Danach sind wir verloren, und das gefällt mir nicht. Vielleicht wäre es an der Zeit, etwas Genaueres über die Angelegenheit zu erfahren.«