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Sie kämpften sich in die Felsen hinauf, stolperten durch riesige Geröllfelder, stiegen durch enge Schluchten, suchten Halt auf dem lockeren Gestein, das nachzugeben und sie in bodenlose, ausgezackte Spalten mißzureißen drohte. Die Wolken türmten sich über den Berggipfeln und füllten den Himmel jetzt von einem Horizont zum anderen. Dicke Regentropfen klatschten auf den Boden und auf ihre erhitzte Haut. Finsternis legte sich über alles, ein bedrohliches Schwarz, in dem der Donner widerhallte, der über die kahlen, leblosen Felsen rollte. Der Abend rückte näher, und Morgan war sicher, daß der Einbruch der Nacht sie im Gebirge überfallen würde, doch er zwang sich weiterzugehen. Er schaute nach vorne zu Carisman, der in noch schlechterer Verfassung war als er selbst. Er stolperte und stürzte immer wieder, und sein Atem ging schwer. Morgan überwand seine eigene Erschöpfung, holte den anderen ein, legte einen Arm um ihn und half ihm beim Gehen.

Sie hatten gerade die Paßhöhe erreicht, zu der Dees sie geführt hatte, als die Urdas in Sicht kamen. Die struppigen, zerlumpten Geschöpfe tauchten zwischen den Felsen hinter ihnen auf. Sie waren zwar noch immer etwa eine Meile entfernt, doch sie stürmten wie die Wilden schreiend und rufend vorwärts, schwangen ihre Waffen mit dem unmißverständlichen Versprechen, sie zu benutzen, wenn sie sie einholten. Die Gruppe zögerte nur einen ganz kurzen Augenblick und flüchtete dann in den Paß.

Der Paß war ein Einschnitt, der sich aufwärts in die Klippen schlitzte, ein schmaler Durchgang voller Windungen und Biegungen. Die Gruppe stieg hinein und schlängelte sich vorwärts. Es regnete jetzt ernsthaft, statt der vereinzelten Tropfen goß es in Strömen. Der Boden wurde glitschig, und kleine Bäche bildeten sich und schwemmten die Erde unter ihren Füßen weg. Sie tauchten aus dem Schutz der Klippen und gelangten auf einen kahlen Abhang, der nach links in einen steilwandigen Hohlweg mündete, der so schwarz war wie die Nacht. Windböen peitschten in heftigen Stößen über die Bergflanke und schleuderten ihnen aufgewirbelten Sand ins Gesicht. Morgan ließ Carisman los und zog sich schützend seinen Umhang über den Kopf.

Es kostete sie ungeheure Anstrengung, den Hohlweg zu erreichen. Der Wind peitschte so heftig auf sie ein, daß sie nur mühsam vorankamen. Als sie die dunkle Mündung erreichten, tauchten die Urdas wieder auf, sehr nah diesmal. Sie hatten diese letzte Meile allzuschnell zurückgelegt. Pfeile, Lanzen und Wurfgeschosse zischten durch die Luft und trafen ungemütlich nahe auf. Hastig stürmte die Gruppe in den Hohlweg und den Schutz seiner Steilwände.

Hier prasselte der Regen in Sturzbächen nieder, und das Licht war fast völlig verdunkelt. Zackige Felsvorsprünge ragten aus dem Boden und den Wänden des engen Korridors und schrammten sie, als sie hindurchstürmten. Die Zeit schien im heulenden Wind und dem grollenden Donner stillzustehen, und es sah aus, als kämen sie nie hindurch. Morgan eilte vor, um in Quickenings Nähe zu sein, entschlossen, sie zu beschützen.

Als sie endlich den Hohlweg hinter sich hatten, fanden sie sich auf einem Sims wieder, der auf halber Höhe an einer hohen Steilwand entlanglief und in eine Schlucht abfiel, in der die Wasser des Rabb schäumten und gischteten. Dees führte sie ohne zu zögern auf dem Sims entlang und rief ihnen etwas zu, das sie ermutigen sollte, im brausenden Sturm jedoch verlorenging. Im Gänsemarsch folgten sie dem abbröckelnden Steig, Dees vorneweg, gefolgt von Carisman, Quickening, Morgan und Walker Boh. Pe Ell bildete den Schluß. Es regnete in Strömen, der Wind zauste sie, und das Tosen des Flusses bildete eine undurchdringliche Mauer aus Lärm.

Als die ersten Urdas den Ausgang des Hohlwegs erreichten, bemerkte es niemand. Erst als die ersten Wurfgeschosse um die fliehende Gruppe herum gegen die Felsen prasselten, wurden sie ihrer gewahr. Ein Pfeil streifte Pe Ells Schulter, und er wirbelte herum, doch er strebte weiter und verlor den Halt nicht. Die anderen beschleunigten noch ihre Schritte und versuchten verzweifelt, die Entfernung zu ihren Verfolgern zu vergrößern, hasteten den schmalen Steig entlang, und ihre Stiefel glitschten und schlidderten atemberaubend. Morgan warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Walker Boh sich umdrehte, den Arm gestikulierend hob und etwas in den Sturm schleuderte. Pfeile und Lanzen, die in ihre Richtung geschleudert worden waren, fielen harmlos herunter. Die Urdas wichen verängstigt vor der Magie des Dunklen Onkels in den Hohlweg zurück.

Vor ihnen verbreiterte sich der Sims etwas und führte steiler abwärts. Die gegenüberliegende Seite des Gebirges kam in Sicht, ein bewaldetes Hügelland, das sich bis zum Horizont erstreckte und in einer Wand von Wolken und Regen verschwand. Unten toste der Rabb, schlängelte sich durch die Schlucht und brauste ostwärts zwischen den Felsen hindurch. Der Steig folgte seinem Lauf mehr als fünfzehn Meter über seinem Ufer, und der kahle Fels wich Erdreich und Gestrüpp.

Morgan schaute sich ein letztes Mal um und stellte fest, daß die Urdas ihnen nicht mehr folgten. Entweder hatte Walker sie weggescheucht oder Horner Dees hatte recht behalten, daß sie ihr Gebirge nicht verlassen würden.

Er drehte sich wieder nach vorn.

Im nächsten Moment wurde die ganze Klippe erschüttert, und ein Teil davon gab dem stetigen Aufprall von Sturm und Regen nach. Der Steig vor ihm, ein ganzes Stück aus Erde und Fels, sackte in die Tiefe und riß Quickening mit sich. Sie fiel gegen den Abhang zurück und versuchte, sich irgendwo festzuklammern. Doch sie fand keinen Halt und begann in einer Lawine von Geröll und Gestein auf den Fluß zuzurutschen. Carisman, der direkt vor ihr ging, wäre beinahe ebenfalls abgestürzt, doch es gelang ihm, sich weit genug nach vorn zu werfen, und er bekam die Wurzeln eines Gebirgsstrauchs zu fassen und konnte sich retten.

Morgan war gleich dahinter. Er sah, daß Quickening sich nicht selber helfen konnte und daß er sie nicht zu fassen bekommen konnte. Er zögerte keine Sekunde. Er sprang von dem abbröckelnden Steig in die Lücke, stolperte den Berghang hinter ihr her, und die Stimmen seiner Gefährten waren schon nicht mehr zu hören. Mit heftigem Aufplatschen stürzte er in den Rabb, tauchte unter, kam wieder an die Oberfläche und schnappte nach Luft von dem Kälteschock. Er sah blitzartig Quickenings Silberhaar wenige Meter entfernt in weißem Schaum auftauchen, schwamm zu ihr und packte sie.

Dann wurden sie beide von der Strömung ergriffen und fortgeschwemmt.

16

Alles, was Morgan tun konnte, war, sich und Quickening in dem reißenden Fluß über Wasser zu halten, und während er versucht haben könnte, ans Ufer zu schwimmen, wenn er allein gewesen wäre, so dachte er jetzt gar nicht daran. Quickening war wach und in der Lage, seine Bemühungen ein wenig zu unterstützen, doch es war vor allem Morgans Kraft, die sie von Felsen und tiefen Strudeln fernhielt, von denen sie in die Tiefe gerissen worden wären. Doch der Fluß trug sie ziemlich dorthin, wo er wollte. Er war vom Regen angeschwollen und über die Ufer getreten, und weißer Schaum spritzte auf. Das Gewitter wütete noch immer, Donner rollte durch die Bergschlucht, Blitze zuckten über den schwarzen Himmel, und der Regen prasselte hernieder. Der Steilhang, von dem sie gestürzt waren, schwand fast sofort außer Sicht, und mit ihm ihre Gefährten. Der Rabb wand und schlängelte sich zwischen den Felsen entlang, und sie hatten sehr bald die Orientierung verloren.

Nach einer Weile schwamm ein Baum, der in den Fluß gestürzt war, vorbei, und sie bekamen ihn zu fassen und konnten sich von ihm tragen lassen. Es erlaubte ihnen, sich ein bißchen zu verschnaufen, während sie sich nebeneinander an den glitschigen Stamm klammerten und taten, was sie konnten, um sich vor den Felsblöcken zu schützen. Dabei suchten sie den Fluß und die Ufer nach Möglichkeiten ab, sich an Land zu retten. Sie versuchten gar nicht erst zu sprechen, sie waren zu erschöpft, und das Getöse hätte vermutlich ihre Worte ohnehin übertönt. Sie tauschten nur Blicke und konzentrierten sich darauf, zusammenzubleiben.