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»Und Pe Ell?« drängte er, entschlossen, alles zu erfahren.

»Pe Ell?«

»Walker sagt, er sei ein Meuchelmörder – und daß auch er eine magische Waffe besitze – eine Waffe, die tötet.«

Sie musterte ihn lange, ehe sie antwortete. »Das ist richtig.«

»Und auch er wird gebraucht?«

»Morgan.« Sie sprach seinen Namen wie eine Ermahnung aus.

»Sag es mir. Bitte.«

Sie senkte ihr edles Gesicht in den Schatten und hob es dann wieder. Ihre perfekten Züge waren voller Traurigkeit. »Pe Ell wird gebraucht. Seine Aufgabe, genau wie die deine, muß sich erweisen.«

Morgan zögerte, weil er zu entscheiden versuchte, was er als nächstes fragen sollte. Er wollte dringend die Wahrheit erfahren und fürchtete gleichzeitig, ihre Gunst zu verlieren, wenn er sich auf ein Gebiet wagte, wo er nicht willkommen war.

Sein Gesicht war angespannt. »Mir gefällt der Gedanke nicht, daß ich aus den gleichen Gründen ausgewählt wurde wie Pe Ell«, murmelte er schließlich. »Ich bin nicht wie er.«

»Das weiß ich«, sagte sie. Sie zögerte, als kämpfe sie mit einem inneren Dämonen. »Ich glaube, daß jeder von euch – einschließlich Walker Boh – aus einem anderen Grund hier ist, daß jedem eine andere Aufgabe gestellt ist. Das fühle ich.«

Er nickte, nur zu gern bereit, ihr zu glauben, und außerstande, ihr nicht zu glauben. »Ich wünschte nur, ich wüßte mehr.«

Sie berührte seine Wange mit den Fingern, ließ sie hinunter bis an sein Kinn und über den Hals streichen und zog sie dann zurück. »Es wird alles gut werden«, sagte sie.

Dann lehnte sie sich wieder gegen den Baumstamm und kuschelte sich an ihn, und er fühlte, wie seine Enttäuschungen und Zweifel zu schwinden begannen. Er ließ sie fahren, ohne dagegen anzukämpfen, zufrieden, das Mädchen im Arm zu halten. Es war inzwischen dunkel geworden, das Tageslicht war im Westen untergegangen, und die Nacht breitete sich über das Land. Das Gewitter war nach Osten abgezogen, und vom Regen war nur ein Nebel zurückgeblieben. Die Wolkendecke war noch immer ungebrochen, doch es donnerte nicht mehr, und Stille hatte sich wie eine Decke über das Land gebreitet wie über ein Kind, das schlafen gelegt wird. Unsichtbar sprudelte und gluckerte noch immer der Rabb, sein dumpfes Rauschen war jetzt langsamer und gemäßigter und lullte sie ein. Morgan spähte in die Nacht, ohne etwas zu sehen; die Dunkelheit hatte sich wie ein undurchsichtiger Vorhang über alles gelegt, ihn eingehüllt und sich wie eine Decke um ihn gewickelt. Er sog die klare Luft ein und ließ seinen Gedanken freien Lauf.

»Ich könnte etwas Eßbares vertragen«, überlegte er nach einiger Zeit. »Falls wir hier etwas finden.«

Ohne etwas zu sagen, erhob sich Quickening, nahm seine Hände in die ihren und zog ihn hinter sich her. Zusammen wanderten sie in der Finsternis durch das nasse Gras. Sie konnte weit mehr sehen als er und führte ihn mit einer Sicherheit, der er sich widerspruchslos fügte. Bald fand sie Wurzeln und Beeren, die sie verzehren konnten, und eine Pflanze, die, in der richtigen Weise aufgeschnitten, frisches Wasser lieferte. Sie aßen und tranken, was sie fanden, wortlos und still nebeneinandergekauert. Als sie geendet hatten, nahm sie ihn mit ans Ufer, wo sie schweigend auf die dunklen, vor dem finsteren Festland mysteriös schimmernden Wasser des Rabb schauten.

Eine sanfte Brise strich Morgan über das Gesicht und trug den Duft von Blüten und Gräsern mit. Seine Kleider waren noch immer naß, aber er fror nicht mehr. Die Luft war lau, und er fühlte sich seltsam leicht.

»So ist es manchmal im Hochland«, erzählte er ihr. »Warm und voll von dem Geruch von Erde nach einem Sommergewitter, die Nächte so lang, daß man meint und hofft, sie würden nie enden.« Er lachte. »In solchen Nächten saß ich oft mit Par und Coll Ohmsford zusammen. Ich erzählte ihnen, daß man, wenn man es sich nur innig genug wünschte … mit der Dunkelheit verschmelzen könnte wie eine Schneeflocke auf der Haut, einfach darin verschwinden und so lange bleiben, wie man will.«

Er lugte zu ihr hinüber, um ihre Reaktion zu sehen. Sie saß noch immer neben ihm, in Gedanken verloren. Er zog die Knie an die Brust und schlang seine Arme darum. Ein Teil von ihm wäre gern mit dieser Nacht verschmolzen, so daß sie für immer dauerte, hätte sie mitnehmen mögen, fort aus der Welt um sie herum. Es war ein dummer Wunsch.

»Morgan«, sagte sie schließlich. »Ich beneide dich um deine Vergangenheit. Ich habe keine.«

Er lächelte. »Natürlich hast …«

»Nein«, unterbrach sie ihn. »Ich bin ein Elementargeist. Weißt du, was das bedeutet? Ich bin kein Mensch. Ich wurde durch Zauber erschaffen. Ich wurde aus der Erde der Gärten gemacht. Die Hand meines Vaters formte mich. Ich wurde voll ausgewachsen geboren, als eine Frau, die niemals ein Kind war. Meine Aufgabe wurde von meinem Vater bestimmt, und ich habe keinen Einfluß darauf, worin diese Aufgabe besteht. Das betrübt mich nicht, denn ich weiß es nicht besser. Doch mein Instinkt, meine menschlichen Gefühle verraten mir, daß es mehr gibt, und ich wünschte, daß es mein wäre, so wie es dein ist. Ich fühle den Genuß, den deine Erinnerungen dir bereiten. Ich fühle die Freude.«

Morgan war sprachlos. Er hatte gewußt, daß sie magisch war, daß sie über magische Fähigkeiten verfügte, aber es war ihm nie in den Sinn gekommen, daß sie kein … Er fing sich. Daß sie was nicht wäre? So wirklich, wie sie war? So menschlich? Aber sie war es doch, oder? Ungeachtet dessen, für was sie sich hielt. Sie fühlte und schaute und sprach und handelte wie ein Mensch. Was gab es denn sonst? Ihr Vater hatte sie nach dem Bild des Menschen gestaltet. Reichte das nicht? Sein Blick strich über sie. Ihm war es genug, stellte er fest. Mehr als genug.

Er streichelte ihre Hand. »Ich gebe zu, daß ich nichts darüber weiß, wie du gemacht wurdest, Quickening. Ich weiß auch nichts über Elementargeister. Aber du bist ein Mensch. Davon bin ich überzeugt. Ich wüßte es, wenn du das nicht wärest. Und was die Vergangenheit angeht, die Vergangenheit ist nichts als Erinnerungen, die du sammelst, und das ist etwas, das du im Augenblick gerade tust, du sammelst Erinnerungen – auch wenn es nicht die angenehmsten sind.«

»Leah«, sagte sie.

Er hielt ihrem Blick stand. Dann beugte er sich zu ihr und küßte sie. Nur eine leichte Berührung ihrer Lippen. Dann richtete er sich wieder auf. Sie schaute ihn aus ihren dunklen, durchdringenden Augen an. Angst spiegelte sich darin, und es entging ihm nicht.

»Was fürchtest du?« fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Die Gefühle, die du in mir weckst.«

Er merkte, daß er sich auf gefährlichen Boden wagte, aber er ließ sich trotzdem nicht zurückhalten. »Du hast mich vorhin gefragt, warum ich hinter dir hergekommen bin, als du gestürzt bist. Die Wahrheit ist, daß ich nicht anders konnte. Ich liebe dich.«

Ihr Gesicht verlor jeglichen Ausdruck. »Du darfst mich nicht lieben«, flüsterte sie.

Er lächelte traurig. »Ich fürchte, ich bin da machtlos. Dagegen kann ich nichts tun.«

Sie schaute ihn lange an, dann erschauderte sie. »Und ich kann ebensowenig gegen das tun, was ich für dich empfinde. Aber du bist dir deiner Gefühle wenigstens gewiß, meine verwirren mich nur. Ich muß den Auftrag meines Vaters ausführen, und meine Gefühle für dich, und deine für mich, dürfen dem nicht in die Quere kommen.«

»Das brauchen sie auch nicht«, sagte er, nahm wieder ihre Hände in die seinen, diesmal mit mehr Bestimmtheit. »Sie können einfach dasein.«

Ihr Silberhaar glänzte, als sie den Kopf schüttelte. »Ich glaube nicht. Nicht Gefühle von dieser Art.«

Er küßte sie wieder, und diesmal erwiderte sie den Kuß. Er atmete sie ein, als wäre sie eine Blüte. Er war sich seiner Gefühle in seinem ganzen Leben noch nie so sicher gewesen wie mit ihr.

Sie unterbrach den Kuß und wandte sich ab. »Morgan«, sagte sie, und es klang wie ein Flehen.