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Und zum anderen war da natürlich die unbestreitbare Tatsache, daß Wren, seit sie angefangen hatte, nach den Elfen zu fragen, zum allerersten Mal eine positive Antwort bekommen hatte. Es schien unvernünftig, der Sache nicht auf den Grund zu gehen.

So waren sie in den Wilderun gelangt, nur sie beide, allen Widerwärtigkeiten zum Trotz, entschlossen herauszufinden, welche Erkenntnisse ein Besuch in Grimpen Ward ihnen bringen würde. Jetzt, nach einer Woche des Reisens, würden sie es erfahren.

Sie steuerten auf das Stadtzentrum zu, ihre Augen huschten schnell, aber aufmerksam umher. Sie kamen an vielen Bierhäusern vorbei, doch sie fanden keine Eiserne Feder. Männer torkelten an ihnen vorbei und auch ein paar Frauen; alle wirkten zäh und hart und stanken nach Bier und Schweiß. Geschrei und Gelächter wurden lauter, und sogar Garth schien zu spüren, wie ungestüm und wild sie waren. Sein grobes Gesicht war grimmig und finster. Mehrere der Männer näherten sich Wren, betrunken und stumpf, geil auf Geld oder Lust, blind für die Gefahr, die sich in Garths Augen spiegelte. Der große Fahrende scheuchte sie davon.

An einer Straßenkreuzung entdeckte Wren eine Gruppe von Fahrenden, die am Ende der unbeleuchteten Straße auf dem Rückweg zu ihren Wagen waren. Sie rief sie an und fragte, ob sie die Eiserne Feder kannten. Einer schnitt eine Grimasse und wies in eine Richtung. Die Bande eilte ohne Kommentar davon. Wren und Garth gingen weiter.

Sie fanden die Kneipe im Zentrum von Grimpen Ward, ein ausladendes, baufälliges Gebäude aus zersplitterten Brettern und rostigen Nägeln. Der Verandavorbau war grell rot und blau angestrichen. Breite Doppeltüren standen offen und waren mit Stricken angebunden. Im Inneren drängten sich Männer an der langen Theke und auf Bretterbänken vor langen Tischen, sangen und tranken. Wren und Garth traten ein und spähten durch den heißen, rauchigen Dunst. Ein paar Köpfe drehten sich nach ihnen um; Augen starrten sie einen Moment an und wandten sich wieder ab. Keiner wollte Garths Blick begegnen. Wren drängte sich bis an die Theke und bestellte zwei Bier. Der Wirt, ein schmalgesichtiger Mann mit sicheren Händen, stellte die Krüge vor sie hin und wartete auf das Geld.

»Kennst du eine Frau namens Aggershag?« fragte Wren ihn.

Ausdruckslos schüttelte der Mann den Kopf, nahm sein Geld in Empfang und ging weg. Wren beobachtete, wie er stehenblieb und einem anderen Mann etwas zuflüsterte. Der Mann verschwand. Wren nippte an ihrem Bier, fand es unangenehm warm, ging an der Theke entlang und wiederholte ihre Frage. Niemand kannte Aggershag. Einer grinste geil und machte ein unzweideutiges Angebot. Dann sah er Garth und verkrümelte sich. Wren ging weiter. Ein zweiter Mann faßte nach ihr, und sie stieß seinen Arm beiseite. Als er wieder nach ihr fassen wollte, schlug sie ihm so heftig ins Gesicht, daß er das Bewußtsein verlor. Sie machte einen Bogen um ihn und hatte es eilig, diese Geschichte hinter sich zu bringen. Es wurde gefährlich, selbst mit Garth als Beschützer.

Am Ende der Theke blieb sie stehen. Ganz hinten am Ende des dunklen Saals saß eine Gruppe von Männern an einem Tisch. Einer von ihnen winkte ihr zu, wartete ab, ob sie ihn gesehen hatte, und winkte noch einmal. Sie zögerte und drängte sich dann mit Garth im Gefolge durch die Menge. Sie erreichte den Tisch und blieb außerhalb der direkten Reichweite vor den Männern, die dort saßen, stehen. Sie waren ein rauher Haufen – dreckig, unrasiert, mit teigigen Gesichtern und gefährlichen Frettchenaugen. Schwitzende Bierkrüge standen vor ihnen.

Der Mann, der sie herangewinkt hatte, fragte: »Wen suchst du, Mädchen?«

»Eine Seherin namens Aggershag«, erwiderte sie und wartete. Sie war sicher, daß er längst wußte, wen sie suchte und wo die Frau zu finden war.

»Was willst du von ihr?«

»Ich will sie nach den Elfen fragen.«

»Elfen gibt es nicht«, höhnte der Mann.

Wren wartete.

Der Mann beugte sich vor. Er hatte grobe Züge, und seine Augen waren bar jeglichen Gefühls. »Nimm mal an, ich würde mich entschließen, dir zu helfen. Würdest du dann auch was für mich tun?« Der Mann musterte sie eine Weile und grinste dann anmaßend. »Nicht das. Ich will nur, daß du für mich mit ihr redest, sie was fragst. An deinen Kleidern seh’ ich, was du bist. Du bist eine Fahrende. Und weißt du was? Die Aggershag ist auch eine Fahrende.« Er machte eine Pause. »Wußtest du nicht, was? Nun, sie hat keine Lust, mit uns zu reden, aber bei dir mag das anders sein, einer von ihresgleichen.« Sein Blick War hart und finster auf sie gerichtet. Er hatte die Maske abgelegt, das Spiel war im Gange. »Wenn ich dich zu ihr bringe, mußt du ihr ein oder zwei Fragen für mich stellen. Ist das ein Angebot?«

Wren wußte längst, daß der Mann sie umbringen wollte. Es war nur eine Frage, wie und wann er und seine Freunde es versuchen würden. Aber sie wußte auch, daß er vielleicht wirklich in der Lage war, sie zu Aggershag zu bringen. Sie wog die Risiken und den möglichen Gewinn gegeneinander ab. »Einverstanden«, sagte sie schließlich. »Aber mein Freund kommt mit.«

»Wie du willst«, grinste der Mann. »Natürlich kommen meine Freunde auch mit. Zur Sicherheit. Wir gehen alle.«

Wren schaute den Mann abschätzend an. Stämmig gebaut, muskulös, ein erfahrener Halsabschneider. Schnell signalisierte sie Garth etwas zu, wobei sie ihre Gesten vor den Männern am Tisch abschirmte. Garth nickte. Sie wandte sich wieder zum Tisch. »Ich bin bereit.«

Der Sprecher erhob sich, die anderen, ein gieriger, geil aussehender Haufen, ebenfalls. Es gab keinen Zweifel über ihr Vorhaben. Der Sprecher schlenderte an der Rückwand des Saals zum Ausgang. Wren folgte ihm wachsam und vorsichtig. Garth war einen Schritt hinter ihr, die anderen Männer von dem Tisch folgten. Sie gingen durch die Tür in einen leeren Flur und gelangten an einen Hinterausgang. Die Geräusche des Bierhauses verstummten abrupt, als sich die Tür hinter ihnen schloß.

»Ich will wissen«, sagte der Mann über seine Schulter hinweg, »wie sie die Spielkarten liest, wie sie das macht. Wie sie die Würfel lesen kann. Ich will wissen, wie sie sehen kann, was die Spieler denken.« Er grinste. »Was für dich, Mädchen, und was für mich. Ich muß schließlich auch leben.«

Er blieb unvermittelt vor einer Nebentür stehen, und Wren straffte sich. Aber der Mann achtete nicht auf sie, sondern langte in seine Tasche und holte einen Schlüssel hervor. Er schob ihn ins Schloß und drehte ihn um. Das Schloß öffnete sich mit einem Klick, und die Tür schwang auf. Der Mann tastete im Inneren herum und brachte eine Öllampe zum Vorschein, die er anzündete und Wren überreichte.

»Sie ist im Keller«, erklärte er und deutete durch die Tür. »Da halten wir sie im Moment. Sprich mit ihr. Nimm deinen Freund mit, wenn du willst. Wir warten hier.« Sein Lächeln war hart und unfreundlich. »Aber komm ja nicht wieder rauf, ohne mir was mitzubringen, dafür, daß ich dir geholfen habe. Verstanden?«

Die anderen Männer hatten sich hinter ihnen zusammengedrängt, und ihr Gestank füllte den engen Flur. Wren konnte ihren röchelnden Atem hören.

Sie trat vor den Sprecher und näherte ihr Gesicht auf wenige Zentimeter dem seinen. »Ich denke, daß Garth hier bei euch bleiben wird.« Sie hielt seinem Blick stand. »Für alle Fälle.«

Er zuckte unbehaglich mit den Schultern. Wren nickte Garth zu, wies auf die Tür mit der Treppe und auf die Männergruppe. Dann hielt sie die Lampe vor sich und stieg die Treppe hinunter.

Es war kein schöner Abstieg. Die Treppe verlief an einer mit Brettern verkleideten Lehmwand entlang, der Geruch von Erde lag schwer in der Luft. Es war kühler hier, wenn auch nur ein kleines bißchen. Insekten huschten um ihre Füße. Spinnweben streiften ihr Gesicht. Die Treppe knickte an einer weiteren Wand entlang und endete. Vor ihr lag im Lampenlicht der Keller.

Eine alte Frau kauerte an der gegenüberliegenden Wand, kaum sichtbar in der Finsternis. Ihr Leib war eine vertrocknete Hülle, ihr Gesicht war zu einem Netz aus Linien und Runzeln verschrumpelt. Zerzaustes, weißes Haar fiel ihr über die gebrechlichen Schultern, und ihre knorrigen Hände lagen gefaltet auf ihrem Schoß. Sie trug ein Stoffhemd und alte Stiefel. Wren näherte sich und kniete sich neben sie. Die Alte hob den Kopf, und Wren sah ihre milchigen, starren Augen. Die alte Frau war blind.