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»Ich habe auch Angst, Hochländer«, sagte Walker Boh leise. »Meine Ängste gehen weit über das hinaus, was hier von uns erwartet wird. Ich bin von Allanons Schatten beauftragt worden, den schwarzen Elfenstein zu benutzen, um Paranor und die Druiden zurückzubringen. Wenn die Anwendung des Elfensteins auf den Malmschlund Uhl Belk zu Stein verwandelt, was wird dann seine Anwendung auf das verschwundene Paranor an mir ausrichten?«

Eine lange, leere Stille entstand, in der die Frage drohend in der Finsternis des Zimmers hing. Dann flüsterte Walker: »Es spielt keine Rolle, verstehst du? Ich muß es herausfinden.«

Morgan ließ Walkers Umhang aus seinen Fingern gleiten und trat langsam einen Schritt zurück. »Warum machen wir das?« flüsterte er zur Antwort. »Warum?«

Walker Boh lächelte beinahe. »Du weißt, warum, Morgan Leah. Weil kein anderer da ist.«

Morgan lachte gegen seinen Willen. »Tapfere Soldaten? Oder unverbesserliche Idioten?«

»Wahrscheinlich beides. Und vielleicht sind wir einfach halsstarrig.«

»Das scheint mir auch.« Morgan seufzte traurig, verdrängte die erdrückende Düsternis und kämpfte gegen das Gefühl von Ausweglosigkeit an. »Ich meine aber, es müßten mehr Antworten da sein, als wir haben.«

Walker nickte. »Durchaus. Aber statt dessen gibt es nur Gründe, und mit denen werden wir uns begnügen müssen.«

Morgan jagten die Erinnerungen durchs Bewußtsein, an seine vermißten und toten Freunde, an seinen Kampf, am Leben zu bleiben, und an die Myriaden von Ereignissen, die ihn aus seiner Heimat im Hochland bis an dieses äußerste Ende der Welt gebracht hatten. So viel war geschehen, und das meiste außerhalb seiner Kontrolle. Er fühlte sich klein und hilflos angesichts dieser Ereignisse, ein winziges Fetzchen Müll, das im Meer schwamm, getragen von den Gezeiten und ihren Launen. Er war krank und erschöpft; er brauchte eine Lösung. Vielleicht war nur der Tod eine angemessene Lösung.

»Laß mich mit ihm reden«, hörte er Quickening sagen.

Allein knieten sie einander gegenüber in der Mitte des Zimmers, umgeben von Schatten, ihre Gesichter so nah, daß Morgan sein Spiegelbild in ihren Augen sehen konnte. Walker war verschwunden. Quickening streckte die Hände nach ihm aus und ließ ihre Finger auf seinem Gesicht ruhen, strich über die Linien seiner Züge.

»Ich liebe dich, Morgan Leah«, wisperte sie. »Ich will, daß du das weißt. Es klingt seltsam, mich so etwas sagen zu hören. Ich hätte nie geglaubt, daß ich dazu in der Lage wäre. Ich habe meine eigenen Ängste, anders als deine oder Walker Bohs. Ich habe Angst, zu lebendig zu sein.«

Sie beugte sich vor und küßte ihn. »Verstehst du, was ich meine, wenn ich das sage? Ein Elementarwesen erhält sein Leben nicht aus der Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, sondern aus den Notwendigkeiten der Magie. Ich wurde erschaffen, um einem Ziel zu dienen, dem Ziel meines Vaters, und ich wurde ermahnt, mich vor Dingen in acht zu nehmen, die mich ablenken könnten. Doch was könnte mich mehr ablenken, Morgan Leah, als meine Liebe zu dir? Ich kann diese Liebe nicht erklären. Ich verstehe sie nicht. Sie kommt aus jenem Teil von mir, der Mensch ist, und bricht allen meinen Bemühungen, sie abzuleugnen, zum Trotz hervor. Was soll ich tun? Ich sage mir, daß ich sie außer acht lassen muß. Sie ist … gefährlich. Aber ich kann sie nicht aufgeben; denn sie zu fühlen, gibt mir Leben. Sie macht mich zu mehr als einem Ding aus Erde und Wasser, mehr als einem bißchen zu Leben erwecktem Lehm. Sie macht mich wirklich.«

Er küßte sie auch, innig und entschlossen, erschreckt über das, was sie ihm sagte, über den Klang ihrer Worte und die Implikationen, die darin steckten. Er wollte mehr nicht hören.

Sie befreite sich. »Du mußt mich anhören, Morgan. Ich hatte vor, mich an meines Vaters Weg zu halten und nicht abzuweichen. Sein Rat schien vernünftig. Aber ich stelle jetzt fest, daß ich mich nicht daran halten kann. Ich muß dich lieben. Es spielt keine Rolle, was von jedem von uns erwartet wird; wir sind nicht lebendig, wenn wir nicht auf unsere Gefühle reagieren. Darum werde ich dich so lieben, wie ich es vermag; ich fürchte mich nicht mehr vor dem, was daraus folgen kann.«

»Quickening …«

»Aber«, fügte sie hastig hinzu. »Der Weg liegt dennoch klar vor uns, und wir müssen ihm folgen, du und ich. Wir haben gesehen, wohin er führt, und wir müssen ihn bis zum Ende gehen. Der Steinkönig muß überwunden werden. Der schwarze Elfenstein muß zurückgeholt werden. Du und ich und Walker Boh, wir müssen dafür sorgen, daß dies geschieht. Wir müssen, Morgan. Wir müssen.«

Er nickte, während sie sprach, hilflos angesichts ihrer Beharrlichkeit. Seine Liebe zu ihr war so stark, daß er alles getan hätte, was sie erbat, auch gegen die schwerwiegendsten Vorbehalte. Tränen traten ihm in die Augen, aber er unterdrückte sie, vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter und umarmte sie innig. Mit den Fingern fuhr er durch ihr Silberhaar und strich ihr über den Nacken. Er fühlte, wie ihre schlanken Arme ihn umfingen und wie sie am ganzen Leib zitterte.

»Ich weiß«, sagte er leise.

Dann mußte er an Steff denken, der von der Hand des Mädchens starb, das er geliebt hatte, weil er sie für etwas gehalten hatte, das sie nicht war. Würde es ihm wohl auch so ergehen? Und er dachte auch an das Versprechen, das er seinem Freund einst gegeben hatte, ein Versprechen, das sie alle gegeben hatten, Par und Coll und er, daß, falls einer von ihnen eine Magie fände, die helfen würde, die Zwerge zu befreien, dann würden sie alles tun, um sie zu gewinnen und dafür zu sorgen, daß sie benutzt würde. Der schwarze Elfenstein besaß sicherlich eine solche Magie.

Er fühlte, wie Ruhe ihn erfaßte und den Zorn und die Befürchtungen, die Zweifel und die Ungewißheiten vertrieb. Der Weg lag tatsächlich klar vor ihm, und er hatte nie eine andere Wahl gehabt, als ihm zu folgen.

»Wir werden es schaffen«, flüsterte er und fühlte, wie ihre Tränen seine Wange netzten.

Walker stand in der Dunkelheit des Nebenzimmers, schaute zu, wie die Liebenden sich umarmten und fühlte, wie ihr Zusammensein nach ihm faßte wie nach der winzigen Hand eines verirrten Kindes. Er wandte sich ab. Eine solche Liebe gab es für ihn nicht. Er empfand Kummer für einen Augenblick und wischte ihn hastig beiseite. Seine Zukunft war ein winziger Lichtblick von Gewißheit in der Finsternis der Gegenwart. Manchmal enthüllte sein Vorauswissen eine schneidend scharfe Ecke.

Geräuschlos bewegte er sich durch das Gebäude, bis er ein offenes Fenster hoch über der Straße erreichte, und schaute hinaus in das Getümmel von Nebel und Dunkelheit. Eldwist war eine Welt aus steinernen Labyrinthen, Mauern und Schluchten, die ihn durch einen erbarmungslosen, nassen Vorhang anstarrten. Es war hart und gewiß und sinnlos, und es erinnerte ihn an die Richtung, die sein Leben genommen hatte.

Doch jetzt schien sein Leben endlich mehr als nur das zu werden. Ein Rätsel jedoch blieb. Der Hochländer hatte es angerührt, war daran vorbeigestrichen, als er zu begreifen versuchte, wie es möglich war, daß sie gegenüber einem Wesen von der Macht des Uhl Belk bestehen könnten. Das Rätsel hatte sie vom Beginn dieser Reise an begleitet, ständig präsent und nicht gewillt, sich lüften zu lassen. Dieses Rätsel war Quickening selbst. Die Tochter des Königs vom Silberfluß, erschaffen aus den Elementen des Gartens, magisch zum Leben erweckt – sie war ein Rätsel aus Worten einer anderen Sprache. Sie war ausgesandt, sie nach Eldwist zu führen. Aber hätte eine Aufforderung den Zweck nicht ebenso erfüllt? Statt dessen hatte der König vom Silberfluß ein lebendes, atmendes Wunder, ein Wesen von unglaublicher Schönheit geschickt. Warum? Sie war aus einem Grund hier, und es war ein Grund, der jenseits dessen lag, was sie enthüllte.

Walker Boh fühlte eine dunkle Stelle in seinem Inneren bei den Möglichkeiten erschaudern.

Was war es, das Quickening wirklich zu tun ausgesandt worden war?

28

Bei Tagesanbruch verließen die drei ihr Versteck und gingen auf die Straßen hinunter. Der Regen hatte aufgehört, die Wolken waren über die Dächer der Häuser gestiegen, und das Licht war grau und stählern. Stille umhüllte das Gebein von Eldwist wie ein Leichentuch; es war völlig windstill, leer und frei von Nebel. Aus der Ferne war dumpf das Murmeln des Ozeans zu hören. Ihre Schritte hallten dumpf, und ihr Echo stieg wie ein Wispern in den Himmel. Erfolglos suchten sie nach Leben in der Stadt. Weder ein Zeichen von Horner Dees noch von Pe Ell. Der Kratzer hatte sich in seinem Bau verkrochen. Der Malmschlund schlief unter der Erde. Und in seiner kuppeltragenden Festung erwartete sie Uhl Belk für die unvermeidliche, finstere Konfrontation.