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„Alles normal. Und bei euch?“

„Erli hat soeben vom Hauptpult aus gesprochen.“ Nikolai dehnte die Worte bedächtig. Seine Stimme war tief und heiser.

„Esra und Jumm brauchen wir nicht mehr zu suchen, es gibt sie nicht mehr.“

„Wieso?“

„Er hat weiter nichts gesagt.“

„Überhaupt nichts?“

„Nichts, Henry.“

„Du hast so eine eigenartige Stimme, Nik. So heiser, daß man Gänsehaut bekommen kann.“

Unter ihnen war wieder die eintönige, schmutziggrüne Selva.

Sven wandte sich zu Wirt: „Wenn alles in Ordnung geht, werden wir in einer Stunde die Basis Nummer zwei sehen können. Wieviel Menschen waren dort?“

„Dort sind vier!“ entgegnete Henry, und Thomson begriff, daß sein „waren“ nicht richtig gewesen war. „Osa, Wytschek, Jürgens und Stap, das sind vier Mann.“

„Es gelingt mir nicht, ruhig zu werden, Henry.“

„Danke, es ist besser so… Es wäre aufschlußreich, zu wissen, ob die Verbindung gleichzeitig mit allen Basen abriß oder nicht.“

„Vielleicht nicht ganz gleichzeitig. Eva ist doch nicht sofort zum Verbindungspult gerannt. In diesen wenigen Minuten hat viel geschehen können.“

„Und wenn es die Selva gewesen ist?“

„Zur gleichen Zeit in allen Basen? Allein die Vorstellung fällt einem schwer.“

Es waren weitere zwanzig Minuten vergangen. Wirt rief abermals die Zentrale.

„Nik, verstehst du mich gut?“

Als Antwort erklang ein tiefes, heiseres Brummen. In Traikows Kehle würgte und krächzte etwas.

„Nikolai! Was ist passiert? Was ist los?“

Das Brummen wurde allmählich leiser und verstummte völlig.

„Sven, verstehst du irgendwas?“

„Wir kehren um!“

„Ich habe dich gefragt, ob du etwas verstehst!“

„Bei ihnen ist etwas vorgefallen, Henry. Wir müssen umkehren.“

„Hier ist mit allen etwas geschehen. Umkehren werden wir jedenfalls nicht. Na, was ist? Du verstehst mich doch, nicht wahr, Sven? Du hast alles verstanden, stimmt’s?“

„Ich kehre um.“

„In kaum einer Stunde werden wir wissen, was auf der zweiten Basis passiert ist.“

„Und wenn nun die drei in der Zentrale unsere Hilfe brauchen?“

„Tu, was du denkst.“ Wirt lehnte sich gleichgültig im Sessel zurück.

Der Hubschrauber machte eine jähe Wendung.

„Nimm dich zusammen, zum Teufel noch mal!“ schrie Sven.

„Versuche die Verbindung in Ordnung zu bringen!“

„Ich versuch’s“, flüsterte Wirt.

Die Zentrale gab auf die Rufe keine Antwort. Das Brummen und dumpfe Krächzen wurde zuweilen von absolutem Schweigen abgelöst.

„Sven und Wirt lauschten wortlos den unverständlichen Geräuschen und Lauten.

9

Erli hatte den Saal wieder betreten und gab sich Mühe, nicht zu den beiden Sesseln zu sehen. Er stellte die Taschenlampen so auf, daß sie den Raum gleichmäßig erhellten. Dann machte er sich einen Plan, wie er ungefähr vorgehen wollte. Zuerst wollte er feststellen, was im System der Automaten los war, danach die Informationsspeicher ansehen, die Magnetbänder der Rechenmaschinen und die Autographen prüfen. Mit der Untersuchung der sterblichen Überreste der beiden Wissenschaftler wollte er seine Nachforschungen hier abschließen.

Bereits bei flüchtigem Hinsehen stellte er fest, daß die Ventilationsschächte vollkommen zerstört und die Kompressoren in einen Haufen Blech verwandelt worden waren. Eine unter Putz liegende elektrische Leitung konnte er nicht entdecken, aber alle Schalter und Steckdosen waren kaputt. Der Plast war rissig, die Kontakte waren mit einer dicken Rostschicht überzogen, es war sinnlos zu versuchen, etwas einzuschalten: Bei einer einzigen Berührung hingen sofort die Kabel und Gummischnüre der Apparate herunter und waren nicht mehr zu gebrauchen. Irgendeine Seuche, eine heimtückische Krankheit schien das Material, aus dem die Apparaturen und Mechanismen gefertigt waren, befallen zu haben. Lediglich Wände und Fußboden, die aus hitzebeständigem Plast waren, wirkten wie neu.

Die Hebel der Apparaturen rasteten nicht ein, die Tastaturen ließen sich nicht niederdrücken oder verloren bereits bei einer leichten Berührung ihre Spannung und kehrten nicht mehr in ihre Ausgangsstellung zurück.

Von den Bändern der autographischen Anlagen war überhaupt nichts übriggeblieben. Die Magnettrommelspeicher der Rechenmaschinen waren verzogen die Tonbänder hatten sich in Staub verwandelt. Informationsträger waren auch in den Blöcken der Informationsspeicher nicht erhalten geblieben.

Erli ging vorsichtig von einem Gerät zum anderen und gab sich Mühe, mit nichts in Berührung zu kommen; doch hin und wieder fiel etwas krachend zu Boden, schwebte als graue Staubwolke davon oder zerfiel in formlose Plast-Teile und verrostetes Metall.

Trotz alledem war in diesem Chaos defekter, wertlos gewordener Apparaturen und Gegenstände so etwas wie eine Gesetzmäßigkeit zu beobachten. Der Äquator des Planeten verlief direkt durch die Mitte des Saales. Alles, was sich in unmittelbarer Nähe dieser Linie befunden hatte, war mehr zerstört worden als die Dinge, die an den gegenüberliegenden Wänden gewesen waren.

Der Tod hat am Äquator begonnen, sagte Erli zu sich selbst.

Dann betrat er das große Hufeisenpult und blieb an dem Sessel stehen, in dem wahrscheinlich Philipp Esra gesessen hatte.

Zweifellos hatte er in dem Moment, als ihn der Tod ereilte, gesessen. Das bezeugte die Haltung des Skeletts. Aber die Zeit hatte auch ihn nicht verschont, und der Schädel starrte mit leeren Höhlen aus der Sessellehne hervor. Erli harrte etwa eine Minute an diesem Platz aus.

Eine traurige Geschichte…

Er versuchte sich vorzustellen, was Philipp Esra wohl in dem Augenblick gemacht hatte, als er starb. Welche Programmtasten mochte er gedrückt haben? Woran hatte er gedacht? Was wollte er gerade tun? Und Edwin Jumm? Worüber hatten sie vor dem Tod gesprochen? Was hatte das Wort „Schaukel“ zu bedeuten?

Im Ergebnis seiner Besichtigung kam Erli zu keiner einzigen Schlußfolgerung. Esra und Jumm waren nicht mehr unter den Lebenden. Alles, was sich im Hauptpult befunden hatte, war untauglich geworden, zerfallen oder zerstört. Doch es blieb unverständlich, weshalb dies eingetreten war. Eine Epidemie?

Warum dann nur hier in der Kuppel der Zentrale? Und in welcher Beziehung stand das zur Linie des Äquators?

Wie kam er übrigens dazu, daß sich dies alles nur im Hauptpult zugetragen haben sollte? Weil der Korridorring nicht von der Zerstörung betroffen war? Das hatte wohl nichts zu bedeuten; denn auch hier, im Raum des Hauptpultes, sah der Fußboden wie neu aus.

Erli trat hinaus auf den Korridor und betrachtete ihn eingehend.

Wenn er es nicht erwartet hätte, würde er es wahrscheinlich jetzt auch nicht bemerkt haben, genau wie beim ersten Mal. An den Wänden im Korridor fand er etliche Risse. Die Plastverkleidung der Wände war gesprungen. Erli riß die Fenster im Korridor auf. Er wollte sehen, was dort auf dem Boden über der imaginären Linie des Äquators los war. Doch die Dächer der Zentralstation zogen sich einige hundert Meter nach allen Seiten hin. Er konnte im Erdboden infolge der großen Entfernung nichts feststellen. Über die Dächer schien allerdings so etwas wie ein dunkler Streifen entlangzulaufen.

Es gab schon irgendeine Gesetzmäßigkeit bei dem Ganzen, aber vorläufig war nicht dahinterzukommen.

„Erli“, ließ sich Traikow vernehmen, „gleich ist die Verbindung mit Wirt fällig. Was hast du inzwischen herausbringen können?“

„Hier ist alles zerstört. Wie lange wart ihr unterwegs?“

„Zwölf Tage“, entgegnete Traikow verwundert.

„Und was meinst du, wenn ich dir jetzt sage, daß ihr ungefähr fünfhundert Jahre nicht auf dem Eremiten gewesen seid? Nun, was ist? Warum bist du so still?“