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Absolut sicher war folgendes: Esra und Jumm lebten nicht mehr, sie waren tot. Alles entlang der Äquatorlinie warum etliche Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gealtert. Es war jedoch möglich, daß dies ganz einfach nur der Arbeit irgendwelcher Mikroorganismen zuzuschreiben war. Einige hundert Kilometer nördlich von der Zentrale gab es ein unbekanntes Kraftfeld, einen Energieschirm, der jede materielle Substanz von sich abstößt und Radiowellen nicht weiterleitet. In dem Zeitraum, in dem „Veilchen“ nicht auf dem Eremiten war, hat es einen ungeheuerlichen Orkan gegeben. Die Menschen auf den Basen haben auf Rufe der Zentrale keine Antwort gefunkt…

Wie sollte man das einordnen und zusammenfassen? „Erli!“

hörte er Traikows Stimme. „Verstehst du mich?“

„Ja, ich höre dich, Nik. Was gibt’s bei dir?“

„Es handelt sich um folgendes.“ Traikows Stimme war vollkommen ruhig. „Was soll ich mit Menschen anfangen, die sich in der Nähe der Energiespeicher aufhalten?“

„Was für Menschen denn, Nik? Was erzählst du da?“ Erli sprang auf und war mit einem Ruck oben auf dem Mehrzweckmobil.

„Ich dachte, wir hätten stillschweigend vereinbart, daß keiner den anderen für verrückt erklärt, was auch immer geschehen möge. Erli, hier sind ein paar Mann. Vorläufig sehen sie mich noch nicht, oder sie tun so, als sähen sie nichts. Ich kenne sie nicht. In der Zentrale bei uns sind sie nie gewesen.“

„Ich werde sofort bei dir sein, Nik.“

„Ausgezeichnet. Ich befinde mich auf dem vierten nördlichen Speicher. Das Mehrzweckmobil steht unten. Ich bin ganz oben.“

Erli warf sich auf den Pilotensitz. Der Motor heulte auf, die Maschine flog auf die in der Ferne blinkende Kuppel der Zentralstation zu. Erli wollte nicht, daß ihn die Unbekannten erblickten, bevor er es ihnen gestattete. Was waren das für Menschen? Auf dem Eremiten gab es zweihundertvierzehn Menschen. Vier davon waren noch am Leben. Zwei waren tot. Von allen anderen war vorläufig überhaupt nichts bekannt.

Wenn diese Menschen aus der Expedition von der Erde gewesen wären, hätte Nik sie unbedingt erkannt. Hier kannten alle einander von Ansehen.

Möglicherweise waren es also Vertreter jener Zivilisation, die alle Basen und die Zentrale geschaffen hatte? Falls es sich so verhielt, dann waren sie im Vergleich zu den übriggebliebenen fünf Erdenbürgern allmächtig. Sie konnten demnach alles mit ihnen machen, was sie wollten. Sie waren in ihre Besitzungen zurückgekehrt. Was würden sie jetzt unternehmen? Was sollte man ihnen sagen? Wie konnte man ihnen die Handlungen der Erdmenschen erklären?

Als es bis zur Zentralstation etwa noch zwei Kilometer waren, wurde er noch einmal gerufen: „Erli! Lebst du noch? Du bist es doch selbst, Erli?“

„Ich bin’s, Erli. Hast du ausgeschlafen, Eva? Wo bist du jetzt?“

„Erli! Nimm mich mit! Führ mich weg von hier! Mach mit mir, was du willst, aber bring mich fort von hier! Ich verliere den Verstand! Ich begreife überhaupt nichts mehr!“

„Wo bist du, Eva?“

„Ich sitze am Verbindungspult, Erli, so hat es Nik in seiner Mitteilung an mich hinterlassen. Seit einer halben Stunde sitze ich hier. Niemand ruft mich. Als wären alle gestorben oder wieder mal verschwunden.“

„Wir dachten, du schläfst.“

„Hast du sie gesehen, Erli?“

„Wen?“

„Esra und Jumm.“

„Ja — hab’ ich gesehen.“

„Eben sind sie vom Verbindungspult weggegangen. Bring mich von hier fort! Schließlich haben wir ja eine Rakete. In drei Monaten kommt die ›Warszawa‹.“

„Eva, was ist mit dir los? Beruhige dich. Ich werde schnell bei dir sein! Erst muß ich jedoch zu Nik, Esra und Jumm gibt es nicht mehr. Sie können nicht umherlaufen. Sie sind nicht mehr da.“

„Das heißt also, ich habe den Verstand verloren. Dann bleibt mir nur noch dieser Blaster hier.“

„Untersteh dich, Eva! Hörst du? Untersteh dich!“

12

Der Hubschrauber Svens raste mit großer Geschwindigkeit durch die Nebelhülle. Unten war, wohin auch das Auge blickte, die endlose Weite der Selva.

Sven beunruhigte ein bestimmter Umstand. Er kannte das Gelände gut und hatte auch die Karte zur Hand. Doch von Zeit zu Zeit bemerkte er unter sich irgendwelche unbekannten Gebilde: Seen, abgebrannte Stätten, die auf der Karte nicht eingezeichnet waren.

Henry war verstummt und meldete sich nicht. Er hatte nichts zu tun, die Verbindung funktionierte sowieso nicht. So dazusitzen und die Hände in den Schoß zu legen wurde allmählich unerträglich. Sven hüllte sich gleichfalls in Schweigen. Ihm kam nicht ein einziger, für ein Gespräch tauglicher Gedanke in den Kopf…

Wenige Minuten nachdem sie die erste Energiebarriere überwunden hatten, kamen sie an eine zweite, deren Überwindung beinahe mit einer Katastrophe geendet hätte: Sven war einen Moment lang bewußtlos geworden, und der Hubschrauber begann zu sinken. Glücklicherweise hielt die Bewußtlosigkeit nicht lange an, so daß die Sache harmlos verlief.

Etliche Kilometer vor der zweiten Basis trafen sie auf eine dritte Energiebarriere.

Henry war bereit, sich ohne Fallschirm in die Tiefe fallen zu lassen, als die Kuppeln der zweiten Basis auftauchten. Doch es wurde sofort deutlich, daß sich im Terrain der zweiten Basis die Selva ausgebreitet hatte. Die Schutzaggregate funktionierten nicht.

Der Hubschrauber ging bei der Kuppel des Wohngebäudes in die Tiefe. Sicherlich war das Heulen seines Motors in der gesamten Basis zu hören, doch kein Mensch erschien unter den durchsichtigen Kuppeln. Sie flogen langsam um die ganze Kuppel des Wohngebäudes. Es war verständlich, daß sie hier von niemandem begrüßt werden konnten. Ringsherum gab es Spuren der Zerstörung. Die Kuppel selbst war an vielen Stellen beschädigt und wies meterlange Risse auf. Es waren zerbrochene Balken und zerstörte Zwischenwände aus Eisen und Beton zu erkennen, ebenso beschädigte Möbel und zerbrochene Apparaturen.

„Was soll das bedeuten?“ brachte Henry hervor, mit Mühe die Worte formend.

„Selva ist und bleibt eben Selva“, flüsterte Sven.

„Laß mich ‘raus!“

„Henry, ich lasse dich sofort ‘raus. Aber vorher stellen wir noch einen Plan auf. Kannst du mit einem Flammenwerfer umgehen? Dann nimm einen mit. Am besten wird es sein, wenn du durch die Risse der Kuppeln einsteigst. Drinnen sind wahrscheinlich nicht allzu viele von diesen Gleitern.“

Sven machte ihm den Gürtel fest, gab ihm einen Flammenwerfer in die Hand und hing ihm einen Blaster um.

„Entferne dich nicht allzu weit von den Spalten. Schlimmstenfalls schaffst du dir eine neue Öffnung. Jetzt ist ja sowieso schon alles egal“, gab er Wirt mit auf den Weg und ließ ihn aus der geöffneten Kabine mit der Strickleiter hinab.

Wirt stand auf dem Rondell der zweiten Gebäudestufe, wo sich die Türen zu den Zimmern der Mitarbeiter befanden. Es waren insgesamt zwölf Türen. Doch nur vier von diesen Zimmern waren noch kürzlich von Menschen bewohnt gewesen.

Er öffnete die Tür zu Osas Zimmer, und im Nu stürzte sich irgend etwas auf ihn. Über seinem Kopf polterte es, und dieses

„Etwas“ ließ sich zu seinen Füßen hinplumpsen, krümmte sich ein bißchen, zuckte zusammen und gab einen üblen Geruch von sich. Sven feuerte rechtzeitig einen Schuß ab.

Es wäre richtig gewesen, jetzt mit dem Flammenwerfer im Zimmer hin und her zu feuern und erst dann hineinzugehen.

Dann wäre aber alles verbrannt, was Osa einst umgeben hatte.

Henry ging durch den Schleim und betrat das Zimmer. Alle Möbelstücke waren beschädigt und umgestürzt. Er konnte keinen einzigen Gegenstand finden, der nicht lädiert gewesen wäre. Die niedrige, ehemals so weiche Couch war zerfetzt, der in die Wand eingelassene Kleiderschrank herausgerissen und lag umgeworfen auf dem Boden. Henry drehte ihn um und öffnete ihn vorsichtig. Er war vollkommen leer. Das Nachtschränkchen war umgestülpt, seine Füße zeigten nach oben, es lag auf dem Tonbandgerät. Ein Tonband war nicht darin. Ein nutz- und wertloser Gegenstand. Henry blieb noch einige Minuten stehen und blickte sich in dem Raum um, als hinter ihm ein Schuß zu hören war.