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Sven saß auf dem Boden des Hubschraubers und ließ ein Bein heraushängen, mit dem Rücken hatte er sich an den Türrahmen gelehnt, und von Zeit zu Zeit drückte er auf den Abzugshahn des Flammenwerfers.

Von oben aus konnte er sehr gut sehen, was sich unter der beschädigten Kuppel zugetragen hatte. Es war sinnlos, die Kuppel jetzt noch irgendwie zu schonen. Er feuerte einfach durch den durchsichtigen Plast hindurch. Die „Säckchen“, wie man sie hier genannt hatte, spürten irgendwie die Anwesenheit eines Menschen, sie glitten und purzelten jetzt in alle Spalten des Wohngebäudes. Im allgemeinen erreichten sie ihr Opfer durch einen Sprung, obwohl sie keine Füße hatten. Wenn der vordere, kopflose Teil des Säckchens sein Opfer erreicht und berührt hatte, wendete es sich um, indem es sein Opfer fest umschloß, und fing dann an, es mit seiner gesamten Innenhaut in sich aufzunehmen und zu verdauen. Um das nächste Opfer anzugehen, hatte es nicht nötig, sich wieder umzuwenden.

Seine Innenhaut war jetzt das, was eben noch die äußere gewesen war.

„Henry! Geh nicht zu weit weg!“ rief Sven. „Ich kann sie nur noch ungefähr fünf Minuten in Schach halten. Länger schaffe ich es nicht. Hörst du mich?“

Wirt ging schweigend durch die leeren Zimmer.

„Hörst du mich nicht?“ rief Sven abermals in einer Pause zwischen den Schüssen.

Henry winkte mit der Hand, was soviel bedeutete wie ›Ich höre‹. Sein Herz schlug aufgeregt. Eines der Zimmer war leer, absolut leer. In der Außenwand entdeckte er neben einem Durchbruch einige saubere, nicht ausgefranste Öffnungen. Hier hatte jemand mit dem Blaster geschossen. Und der Durchbruch selbst war mit dem Flammenwerfer gemacht worden.

„Henry, halt dich am Gürtel fest!“ schrie Sven. „Es sind zu viele!“

Wirt sah sich um. Die unansehnlichen „Säcke“ kamen mit gezielten Sprüngen auf ihn zu. Er richtete einen Feuerstrahl auf sie und drückte so lange auf den Abzugshahn, bis die brennbare Flüssigkeit aufgebraucht war. Dann warf er den wertlos gewordenen Flammenwerfer weg, sprang ein Stück fort und klammerte sich an den Gürtel zum Hochziehen. Sven, der den Flammenwerfer nicht einen Augenblick aus der Hand legte, ging mit dem Hubschrauber etwa in eine Höhe von fünf Metern über der Kuppel und zog Wirt erst dann in die Kabine. Er sagte kein Wort zu ihm und fragte ihn auch nichts. Henry sollte selbst entscheiden, wann sie den Rückflug antreten wollten.

Vielleicht wollte er noch einmal hinunter…

„Sie haben sich verteidigt“, sagte Henry. In seiner Stimme schwangen weder Kummer noch Trauer mit. „Sie haben sogar die richtige Position für ihre Blaster und Flammenwerfer gewählt.“

„Ja. Sie konnten sich nicht einfach so ergeben.“

„Sven, jemand von ihnen muß am Leben geblieben sein. Sie haben sich aus Wytscheks Zimmer zur Treppe durchgeschlagen. Ich habe die Einschüsse der Blaster gesehen. Einer oder zwei haben den Eingang verteidigt, die anderen konnten entkommen. Wohin könnten sie von dieser Kuppel aus gelangt sein?“

Sven hatte jetzt auch etwas Hoffnung. Vielleicht hatte Wirt sogar recht.

„Wir müssen uns die Basis mal von oben aus ansehen“, sagte er.

Der Hubschrauber flog langsam zwischen den beschädigten Kuppeln hin und her.

„Verstehst du, Sven, in einem Zimmer ist überhaupt gar nichts mehr. Absolut leer. Keine Couch, keine Sessel, keine kleinen Tische, keinerlei Gegenstände mehr. Aber es gibt dort nicht einen einzigen Splitter, kein einziges Bruchstück mehr.

In den anderen Zimmern dagegen herrscht ein wüstes Durcheinander, das Unterste ist nach oben gekehrt. In Osas Zimmer ist nicht einmal ihre Kleidung. Wohin hat das alles verschwinden können? Im Erdgeschoß müssen die Wasser- und Lebensmittelvorräte sein, auch der Speiseraum. Schade, daß ich nicht mehr nachsehen konnte, was dort los ist.“

Sie flogen das Territorium der zweiten Basis sorgfältig und langsam ab. Die errichteten Absperrungen waren aus den Fundamenten herausgerissen. Eine lag in fünfzig Meter Entfernung zerstückelt herum; die andere war überhaupt nicht mehr auffindbar. Aus diesem Grunde hatte auch die Selva in die Basis eindringen können. Die Kuppeln des Wohnkomplexes, der Verbindungsstation, der Laborgebäude und des Aeroplatzes hoben sich als Inseln im schmutziggrünen Pflanzengewirr des Eremiten ab, das umherkroch und — glitt. Der Planet ergriff wieder Besitz von dem, was man ihm abgerungen hatte.

Zwei zerstörte Hubschrauber lagen unweit des Aeroplatzes herum. Sven ging dicht an die Gleiter und Säcke heran, die ein klein wenig zur Seite wichen. In diesen wenigen Tagen war alles so zugewachsen, als wäre es vorher niemals anders gewesen. Durch die vordere, durchsichtige Glocke des einen Hubschraubers starrten sie die Augenhöhlen eines menschlichen Schädels an.

Wütend nahm Wirt Svens Flammenwerfer und übersprühte die im Nu verbrennenden Ableger der Kriechpflanzen. Doch sofort krochen von allen Seiten andere heran, sie schienen überhaupt kein Ende zu nehmen.

„Das hat keinen Zweck, Henry“, sagte Sven und legte eine Hand auf seine Schulter, mit der anderen nahm er ihm vorsichtig und sanft den Flammenwerfer weg. „Sie begreifen sowieso nichts. Wer kann das sein?“

„Außer Osa konnten sie alle einen Hubschrauber fliegen…“

„Einen von ihnen werden wir demnach nicht mehr finden können…“

„Das ist Jürgens. Er war der Pilot.“

Der andere Hubschrauber war leer.

Das Laborgebäude war in einem derartigen Zustand, daß es keinen Sinn hatte, es näher in Augenschein zu nehmen.

„Schau mal!“ schrie Sven plötzlich. „Auf der Kuppel der Verbindungsstation scheint so etwas wie ein Stoffetzen zu sein. Jemand hat dort Spalten und Löcher zugestopft!“

„Ich hab’ es doch gesagt! Ich wußte es!“

Der Hubschrauber flog um die kleine Kuppel herum.

„Wo wird hier der Eingang sein?“

„Hier ist alles mit Plast überzogen. Dort, wo der Eingang war, ist alles mit Plast verschlossen. Von außen. Jemand hat den Eingang von außen zugegossen und ist selbst draußen geblieben.“

Was könnte in dieser von der Außenwelt abgeschlossenen Kuppel sein? Dokumente? Menschen? Wer war draußen geblieben? Weshalb?

„Sven, sie müssen hier noch zwei Mehrzweckmobile gehabt haben. Diese hier vollkommen nutzlosen Maschinen müßten neben den Hubschraubern stehen.“

„Aber sie sind nicht dort.“

„Demnach hat sich jemand entschlossen, sich mit den Mehrzweckmobilen zu einer Basis durchzuschlagen. Es ist für den Betreffenden der sichere Tod gewesen.“

Der Hubschrauber flog noch etliche Male um die versiegelte Kuppel herum.

Plötzlich fiel Sven das Steuer aus den Händen.

„Osa!“ schrie Henry.

Gesicht und Hände von innen an die Wand der Kuppel gepreßt, hatte eine Frau den Blick auf sie gerichtet.

„Osa!“

13

Die Kette der Energiespeicher dehnte sich von der Zentralstation nach Norden und Süden etwa zwei Kilometer lang. Es waren riesige weiße Zylinder mit vielen Anbauten, Masten, unterbrechenden Flächen, Treppen und Aufzügen. Normalerweise wurden sie von mehreren Ingenieuren beaufsichtigt, die darauf achteten, daß die Energiemenge in jedem Behälter eine bestimmte Norm nicht überstieg. Von ihnen wurde das Sperrnetz gespeist, das auf dem gesamten Terrain der Zentrale Kraftfelder bildete. Doch um diese Absperrungen zu versorgen, war nicht diese gewaltige Anzahl von Speichern erforderlich. Für die Arbeit des Sperrnetzes reichte der trillionste Teil der Energiemenge in den Speichern aus.