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»Wir sollten tun, was sie verlangen«, sagte Skudder.

»Wir sollten sie über den Haufen schießen!« sagte Lehmann haßerfüllt. »Solange wir es noch können!«

Charity warf ihm einen zornigen Blick zu. »Halten Sie endlich den Mund, Sie Idiot!« sagte sie. »Begreifen Sie denn nicht, daß sie jedes Wort verstehen?«

Lehmann lachte gehässig. »Sie begreifen nicht, womit wir es hier zu tun haben«, antwortete er böse. »Es sind Tiere. Wahrscheinlich hat Sie Ihr neuer Freund gerade zum Essen eingeladen. Aber wir werden die Mahlzeit sein.«

»Kyle«, sagte Charity ruhig, »wenn er noch einmal den Mund aufmacht, dann schlag ihn nieder.«

Lehmanns Augen sprühten vor Zorn, aber er wagte es nicht mehr, etwas zu sagen, sondern blickte nur Charity und Kyle haßerfüllt an. Charity wandte sich wieder an Jared. »Wir sollen euch begleiten?«

Jared nickte. Er deutete wieder nach Westen. »Kommen«, sagte er und ruderte mit den Armen.

Charity lächelte flüchtig. »Du meinst schnell.«

Jared nickte und deutete nun in die andere Richtung. »Kommen«, sagte er. »Bald.«

9

Was ihn am meisten erstaunte, war der Umstand, daß er sich an keine Schmerzen erinnerte. Er hatte einen grellen Blitz wahrgenommen und ein ungeheures Dröhnen und Bersten, und er hatte wie in Zeitlupe gesehen, wie die schwere Stahltür vor ihm auseinandergerissen wurde und die Splitter seinen Anzug durchbohrten.

Aber keine Schmerzen hatte er gespürt, auch kein Entsetzen, obwohl er in diesem Moment mit unerschütterlicher Sicherheit davon überzeugt gewesen war, zu sterben.

Stone war nicht gestorben, und doch erinnerte er sich an das Gefühl, aus seinem Körper herausgelöst worden zu sein und durch einen langen, finsteren Tunnel zu gleiten, einen Schacht, an dessen Ende ein gleißendes, unsagbar schönes Licht wartete. Aber dann hatte etwas ihn zurückgeholt. Er erinnerte sich nicht, wie er wieder an Bord des Gleiters gekommen war. Seine nächste Wahrnehmung war das starre Gesicht Luzifers gewesen, das sich über ihn beugte, und dünne, lange Nadeln hatten sich in seinen Körper gebohrt.

Danach war er in eine tiefe Bewußtlosigkeit gefallen, in der ihn Alpträume und sinnlose, schreckliche Visionen geplagt hatten.

Er spürte, daß er nicht allein war. Eine hochgewachsene, schlanke Ameisengestalt stand neben seiner Liege und hantierte mit vier Armen an den Schaltern eines kompliziert aussehenden Gerätes, das neben seinem Bett aufgestellt war. Eine Unzahl dünner Drähte und Schläuche war mit seinem Körper verbunden.

Luzifer bemerkte, daß Stone erwacht war, und wandte den Kopf. Für einen Moment bildete sich Stone ein, ein schadenfrohes Glitzern in seinen faustgroßen Facettenaugen zu erkennen.

»Was ist passiert?« fragte er. Er erschrak, als er den Klang seiner eigenen Stimme hörte. Viel mehr als alles andere verriet er ihm, wie es um ihn stand.

»Versuchen Sie nicht, sich zu bewegen«, antwortete Luzifer. »Reden Sie nicht. Sie sind sehr schwer verwundet worden.«

»Das weiß ich«, murmelte Stone. »Was war los? Was...«

»Eine Falle«, sagte Luzifer.

»Eine Falle?« wiederholte Stone stöhnend. »Ihr Idioten! Wozu habt ihr all eure Wundermaschinen? Könnt ihr nicht einmal eine ferngelenkte Bombe aufspüren?«

»Das können wir«, antwortete Luzifer ungerührt. »Der Sprengkörper wurde nicht ferngezündet. Sie ließen einen ihrer Männer zurück, der ihn von Hand auslöste.«

Stone schloß mit einem neuerlichen Stöhnen die Augen. Für einen Moment wußte er nicht, was schlimmer war - der Zorn über das, was geschehen war, oder das Entsetzen über die Vorstellung, daß sich einer dieser Narren selbst in die Luft gejagt hatte, nur um ein paar Ameisen mitzunehmen.

»Wie schlimm ... ist es?« fragte er mühsam.

»Sehr schlimm«, antwortete Luzifer, im kalten, seelenlosen Tonfall einer Maschine.

»Ihr Körper wurde irreparabel geschädigt.«

Es dauerte eine Sekunde, bis Stone begriff, was sein Adjutant meinte. Erschrocken riß er die Augen auf und starrte die riesige Ameise an. »Irreparabel...?«

»Es besteht kein Grund zur Sorge«, beruhigte ihn Luzifer. »Wir befinden uns bereits auf dem Rückflug nach New York. Die Ausrüstung an Bord dieses Schiffes reicht, die notwendigen Lebensfunktionen Ihres Körpers bis dorthin aufrechtzuerhalten.«

»Heißt das, daß ich ... verkrüppelt bin?« fragte Stone entsetzt.

Luzifer antwortete in seiner ausdruckslosen Maschinensprache: »Nein. Die Schäden sind nicht zu beheben. Sie bekommen einen neuen Körper.«

Es dauerte ein paar Momente, bis Stone begriff, was er da gehört hatte. Voller ungläubigem Entsetzen starrte er die Ameise an. »Einen neuen Körper...«

Er hatte davon gehört, daß es den Invasoren möglich war, einen Körper nach einer beliebigen Vorlage wieder aufzubauen. Doch die Maschine, deren Wirkungsweise er selbst einmal mit eigenen Augen beobachtet hatte, begnügte sich nicht damit, ein perfektes Duplikat eines Körper herzustellen. Sie transferierte die gesamte Persönlichkeit, das Bewußtsein und jede Erinnerung in den neuen Körper.

Und das bedeutete, dachte Stone entsetzt, daß sie seine Gedanken kennen würden. Alles, was er jemals gefühlt und gedacht, alles, was er jemals gesagt und getan hatte.

Und das wiederum bedeutete, daß sie erfahren würden, daß er sie verraten hatte.

*

Das Lager der Barbaren lag am Ufer eines breiten, ruhig dahinfließenden Flusses. Hier und da ragte noch ein Mauerrest aus den glitzernden Fluten, die im bleichen Sternenlicht wie ein Spiegel aus schwarzem Teer wirkten; da und dort waren noch die Reste einer Uferbefestigung zu sehen, aber zumeist wurde das Flußufer nur von wucherndem Grün beherrscht.

Dabei war das Ufer keineswegs unbewohnt. Schon während des zweistündigen Marsches waren immer mehr Männer und Frauen zu ihnen gestoßen, so daß die Zahl ihrer Begleiter noch weiter angewachsen war. Und was jetzt vor ihnen lag, war eine Stadt, auch wenn man schon sehr genau hinsehen mußte, um sie zu erkennen. Die Barbaren schienen zum allergrößten Teil unter der Erde zu leben - Charity erkannte nur einige wenige, aus Laub und Zweigen provisorisch errichtete Hütten, dafür aber eine große Anzahl sorgsam getarnter Löcher im Boden.

Sie wurden zu einem dieser Einstiege geleitet, hinter denen sie das fanden, was Charity erwartet hatte: den Keller des Gebäudes, das früher einmal hier gestanden hatte. Es war ein riesiger, rechteckiger Raum, der von Hunderten von Fackeln erleuchtet wurde.

Charity blieb unwillkürlich stehen, als sie den Fuß der Treppe erreichten. Sie sah, wie Hartmann und die beiden anderen erschrocken zusammenfuhren und nach ihren Waffen griffen. Doch führten sie ihre Bewegung nicht zu Ende. Zu ihrer aller Überraschung waren sie nicht entwaffnet worden, aber sowohl der Hopi als auch Kyle schienen einzusehen, wie wenig ihnen ihre Waffen gegen die erdrückende Übermacht nützen würde, der sie sich gegenübersahen.

In dem gewaltigen Kellergewölbe hielten sich Hunderte von Eingeborenen auf: Männer, Frauen, Kinder und Alte, die in kleinen Gruppen an brennenden Lagerfeuern saßen, auf Bündeln aus Lumpen und Laub lagen und schliefen oder redeten und aßen, oder auch Dinge taten, deren Bedeutung Charity verborgen blieb. Während sie quer durch den riesigen, unterirdischen Saal geführt wurden, hob sich dann und wann ein Gesicht und warf ihnen einen desinteressierten, flüchtigen Blick zu, und einmal folgten ihnen zwei Kinder einige Schritte weit, bis ihre Begleiter sie mit herrischen Gesten vertrieben.

Die Situation kam Charity immer unwirklicher vor. Die Vorstellung, daß niemand von ihrer Gefangennahme auch nur Notiz nehmen sollte, ergab einfach keinen Sinn.