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Und im gleichen Moment brach die Decke herab.

Charity sah es wie in einer bizarren Zeitlupenaufnahme: die tonnenschwere Betondecke verwandelte sich in ein Spinnennetz aus ineinanderlaufenden Sprüngen und Rissen und stürzte in die Tiefe. Doch im gleichen Moment fuhr Skudder herum, packte Net und sie gleichzeitig mit beiden Händen und stürzte sich einfach nach vorn. Charity spürte, wie ein gewaltiger Steinsbrocken hinter ihr zu Boden krachte, dann fiel sie über Skudder, riß instinktiv die Arme in die Höhe und rollte sich ab. Hustend und benommen kam sie wieder auf die Füße. Ihre Augen tränten, und im ersten Moment konnte sie nichts anderes erkennen außer Staubwolken und Schatten, die sich in den grauen Schwaden bewegten: Skudder, der Net mühsam auf die Beine zog, und die beiden Soldaten, die vor der Tür Wache gehalten hatten. Einen von ihnen hatten sie bei ihrem verzweifelten Sprung umgerissen, der andere stand zwei Schritte hinter ihr und blickte abwechselnd sie, Skudder und den zusammengestürzten Raum hinter der Tür fassungslos an.

»Was ist passiert?« fragte Charity.

Der Soldat zuckte hilflos mit den Achseln. Im nächsten Augenblick ließ eine weitere Explosion den gesamten Tunnel erbeben.

»Ich weiß es nicht«, schrie der Soldat. »Wir werden angegriffen. Aber ich weiß nicht, von wem!«

»Aber ich«, brüllte Charity gegen das Grollen und Dröhnen. »Bringen Sie uns zu Krämer! Schnell!«

Der junge Mann zögerte. »Ich ... darf Sie nicht...«

»Verdammt, ich weiß, was das alles zu bedeuten hat!« unterbrach ihn Charity. »Und ich weiß auch, wie wir es beenden können!«

Entschlossen drehte der Soldat sich herum und deutete den Gang hinab.

»Okay. Kommen Sie.«

Sie stürmten in Richtung auf den Aufzug los. Aber sie hatten nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als eine weitere, ungeheuerliche Explosion erscholl und fast die gesamte Wand neben ihnen zusammenbrach.

Die Erschütterung schleuderte sie alle von den Füßen. Charity riß die Arme über den Kopf, als ein Regen von Steinsplittern und Trümmern auf sie herabstürzte. Für Sekunden war der Staub so dicht, daß sie nicht einmal Skudder erkennen konnte, der unmittelbar neben ihr lag. Sie hustete qualvoll, stemmte sich umständlich in die Höhe und blinzelte ein paarmal, um durch die tobenden Staubschwaden hindurch etwas zu erkennen.

Auf der anderen Seite der zusammengebrochenen Wand lag eine gewaltige, gut zehn Meter hohe Halle, die durch eine Unzahl gläserner Wände in ein Labyrinth kleiner, rechteckiger Räume unterteilt wurde. In jeder dieser kleinen Kavernen stand eine Liege, auf der eine ausgestreckte, reglose Männergestalt lag. Charity schätzte die Zahl dieser Liegen auf weit über tausend. In dem riesigen Saal befand sich ein Teil von Krämers schlafender Armee.

Ein großer Teil der gläsernen Wände war zerborsten, so daß zahlreiche Männer Verletzungen davongetragen hatten. Und zwischen den schier endlosen Reihen von Liegen bewegten sich andere Gestalten; Schatten, die Charity im ersten Moment in den treibenden Staubschleiern allesamt für menschlich hielt, bis sie das Aufblitzen von Strahlenschüssen sah. Die Moroni griffen die Basis nicht einfach an, dachte sie entsetzt. Sie waren bereits hier.

Skudder sog plötzlich scharf die Luft ein und ergriff sie so heftig am Arm, daß Charity mit einem Schmerzlaut zusammenfuhr. Sein ausgestreckter Arm deutete auf die gegenüberliegende Wand der Halle.

Aus den Trümmern wand sich eine riesige, schwarze Gestalt.

Es dauerte eine Sekunde, bis Charity sie erkannte.

Der Wurm war ungefähr dreißig Meter lang. Sein Leib war mit schwarzen, glitzernden Panzerplatten bedeckt, und wo er den Boden berührte, begannen die Kunststoffplatten zu schmelzen. Charity konnte weder Augen noch andere Sinnesorgane entdecken, aber der vordere Teil seines Körpers hatte sich aufgerichtet und pendelte beständig hin und her, wie der Kopf einer angreifenden Kobra. Charity sah, wie einige der Soldaten das Feuer auf die gigantische Kreatur eröffneten. Aber die Lasersalven prallten wirkungslos von seinem Leib ab.

Aus dem gut drei Meter durchmessenden Tunnel, den der Wurm in den Fels gebrannt hatte, quollen vierarmige Gestalten. Es mußten bereits Dutzende von Ameisen sein, die die wenigen Verteidiger mit wütenden Feuerstößen zurücktrieben; und aus dem Tunnel rückten immer mehr Moronikrieger nach.

Aber nicht nur sie.

Zwischen den glitzernden, vierarmigen Umrissen der Moroni bewegten sich kleinere, helle Gestalten, Gestalten mit nur zwei Armen und langem, verfilztem Haar - Jared.

Charity plagte sich auf. Einer der beiden Soldaten in ihrer Begleitung wollte seine Waffe heben und auf die Moroni anlegen, aber Charity drückte hastig seinen Arm herunter. »Nicht«, sagte sie. »Sie wollen nichts von uns! Sehen Sie doch!«

Sie deutete auf die Jared, die die Ameisen begleiteten.

Die Insektenkrieger trieben die wenigen Soldaten, die ihren Feuerüberfall bisher überlebt hatten, gnadenlos vor sich her, aber die Jared schienen sich für den Kampf überhaupt nicht zu interessieren. Ohne die Explosionen auch nur zu beachten, die den Saal rings um sie herum in eine Hölle verwandelten, näherten sie sich den schlafenden Soldaten auf den Liegen und knieten neben ihnen nieder. Charity konnte nicht genau erkennen, was sie taten, aber sie sah, wie einige der Gestalten sich zu regen begannen, als die Jared sie berührten.

»Was ... was tun sie da?« stammelte der Soldat.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Charity. »Aber sie wollen nichts von euch, verstehen Sie? Sie wollen nur sie!«

Der Mann starrte aus entsetzt geweiteten Augen auf das unglaubliche Bild. Er antwortete nicht.

»Bringen Sie uns zu Krämer!« schrie Charity. »Schnell!«

Der Soldat reagierte immer noch nicht, so daß Charity ihn kurzerhand an der Schulter ergriff und herumriß. Die Berührung brach den Bann. Instinktiv streifte er ihre Hand ab - und deutete dann heftig gestikulierend auf den Lift. »Dort entlang! Schnell!«

Sie rannten los. Zwei, drei Energieschüsse zuckten in ihre Richtung, als die Ameisen das halbe Dutzend fliehender Gestalten erspähten, aber keine von ihnen traf. Unbehelligt erreichten sie den Aufzug und sprangen in die Kabine.

Die Türen begannen sich mit quälender Langsamkeit zu schließen. Eine weitere Explosion ließ die gesamte Kabine erbeben, und einen Sekundenbruchteil, bevor sich die Türen wirklich schlössen, sah Charity die zwei Meter große Gestalt einer Ameise, die mit grotesk aussehenden Sprüngen über die zusammengebrochene Wand setzte und auf sie zurannte. Aber dann schlössen sich die Türen, und der Lift setzte sich summend in Bewegung.

Zehn Sekunden lang.

Dann traf die Faust eines Riesen den Aufzug, schleuderte ihn zwei oder drei Meter weit in die Höhe und ließ ihn dann wieder zurückfallen.

Die Erschütterung schmetterte Charity und die anderen mit furchtbarer Wucht zu Boden. Für Momente blieb sie benommen liegen und lauschte auf das schreckliche Geräusch der überanspruchten Stahlseile, an denen die Liftkabine hing. Aber das Wunder geschah - die Trossen hielten, und die Kabine stürzte nicht haltlos in die Tiefe.

Vollkommene Dunkelheit umgab sie. Blind tastete sie um sich, fühlte einen Körper, über dem sie zusammengebrochen war, und hörte ein unterdrücktes Stöhnen.

»Bist du verletzt?« fragte sie.

»Ja«, antwortete Net. »Aber nicht schwer. Ich ... glaube jedenfalls nicht.«

Einer der Soldaten schaltete eine Taschenlampe ein und ließ den Strahl durch die winzige Kabine gleiten. In seinem bleichen Licht erkannte Charity, daß sie tatsächlich alle mehr oder minder unverletzt davongekommen waren. Bis auf Net und sie selbst hatten sich alle wieder erhoben, und auch die Wasteländerin richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf.