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»Sie scheinen nicht besonders gut gelaunt zu sein«, sagte Ben.

Trautman schnaubte. »Was erwartest du? Dieser Narr hätte ein Blutbad anrichten können! Es ist ein Wunder, daß wir niemanden überfahren haben!«Und nachdem der Fahrer verschwunden ist, halten sie euch natürlich für die Schuldigen,fügte Astaroths Stimme in Mikes Gedanken hinzu.

»Vielleicht solltenwirmit ihnen reden«, sagte Mike zögernd. »Es ist ja nichts passiert, und... « Daswürde ich dir nicht raten,sagte Astaroth.Verschwindet lieber von hier. Sie warten nur auf einen Anlaß, sich auf euch zu stürzen.

Mike berichtete den anderen rasch, was er von Astaroth erfahren hatte. Trautman nickte. »Das habe ich mir schon gedacht«, sagte er düster. »Diese Leute hier sind im Moment sowieso nicht gut auf Ausländer zu sprechen -und wir haben die halbe Straße demoliert. «

»Wir müssen hier raus«, pflichtete ihm Singh bei. Aber das war leichter gesagt als getan. Mikes Blick glitt hilfesuchend durch den Raum, aber er fand nicht, wonach er suchte. Das Gebäude war anscheinend tatsächlich nur eine große Lagerhalle. Mit Ausnahme der Tür, durch die sie hereingerast waren, und der Kellertreppe gab es keinen weiteren Ausgang... »Das kann ja heiter werden«, murmelte Juan.

»Wolltest du nicht ein bißchen Aufregung?« fragte Ben spöttisch.

Juan schenkte ihm einen bösen Blick. »Ja. Aber eigentlich wollte ich nicht gelyncht werden. « Mike fand das nicht besonders komisch. Selbst ohne Astaroths Worte wäre mittlerweile beim besten Willen nicht mehr zu übersehen gewesen, wie aufgebracht die Menge war. Aus dem unwilligen Murren war ein Chor wütender Stimmen geworden. Fäuste wurden geschüttelt, und der eine oder andere hatte auch einen Knüppel mitgebracht, den er zornig in ihre Richtung schwenkte. Zu seinem Entsetzen sah Mike sogar zwei Männer, die mit Krummsäbeln bewaffnet waren. »Ich verstehe das nicht«, sagte Ben. »Klar, daß sie nicht besonders erfreut sind -aber die tun ja so, als hätten wir wer weiß was angestellt. «

»Vielleicht... haben wir doch jemanden überfahren, ohne es zu merken?« fragte Serena zögernd. Für eine Sekunde machte sich betroffenes Schweigen breit, dann drehte sich Mike zu Astaroth herum und sah ihn fragend an.

Nein,lautete die Antwort des Katers.Aber ihr solltet euch bewaffnen. Das meine ich ernst.Die letzten Sätze behielt Mike vorsichtshalber für sich -wenn sich diese Anzahl von Männern auf sie stürzte, dann hätten sie mit oder ohne Waffen keine besonders guten Aussichten, hier lebend herauszukommen. »Ich rede mit ihnen«, sagte Trautman entschlossen. Er machte einen Schritt, um seine Ankündigung in die Tat umzusetzen, und blieb sofort wieder stehen. Seine Bewegung hatte eine neuerliche heftige Woge von Flüchen und Drohungen ausgelöst. Fünf oder sechs Männer hatten den Lagerraum mittlerweile ganz betreten, und weitere folgten ihnen; noch zögernd, aber mit jedem Schritt mutiger werdend. Alle waren bewaffnet.

»Wenn wir kämpfen müssen, flieht jeder für sich!« sagte Ben. »Wir treffen uns am Hafen. « »Witzbold«, knurrte Juan. »Wenndiesich auf uns stürzen, treffen wir uns im Himmel wieder. « Die Männer näherten sich ihnen weiter. Mike sah aus den Augenwinkeln, wie Trautman sich spannte und Singh einen Schritt in seine Richtung machte; wohl, um ihn zu beschützen, sollte es ernst werden. Mike machte sich jedoch nichts vor gegendieseÜbermacht hatte nicht einmal der Sikh-Krieger eine Chance. »Achtung!« schrie Ben plötzlich. »Sie kommen!« Mike fuhr entsetzt zusammen und trat rasch vor Serena. Erst dann sah er, daß Ben sich getäuscht hatte. Tatsächlich war in die aufgeregte Menge plötzlich eine angstvolle Bewegung gekommen. Draußen auf der Straße gellten nun Schreie, und er sah Schatten und hektisch rennende Gestalten. Etwas klirrte, und wieder hörte er einen Schrei, der diesmal eindeutig schmerzerfüllt klang.

Auch die Männer, die sich ihnen bereits genähert hatten, fuhren erschrocken herum. Die Menge schien regelrecht in Panik zu geraten, und er hörte auch Geräusche, die eindeutig auf einen Kampf schließen ließen.

In der nächsten Sekunde schon wurde aus seinem Verdacht Gewißheit. Ein gellender Schrei erklang, und dann stolperte eine Gestalt in einem braunen Kaftan in die Halle herein und brach zusammen. Drei, vier weitere Männer folgten ihm, offensichtlich in großer Hast vor irgend etwas fliehend, und dann teilte sich die Mauer aus Leibern, die die Tür bisher versperrt hatte, und sie sahen endlich,wasall diese Männer derart in Schrecken versetzte:

Mike atmete tief durch. Es waren zwei große, in der Farbe der Nacht gekleidete Gestalten, die unter die Männer fuhren. Sie waren unbewaffnet, aber das machte keinen Unterschied. Ihre Bewegungen waren so schnell, daß Mike sie kaum sah. Er wußte sofort, wen sie vor sich hatten -Yasal und Hasim, Lady Grandersmith' Leibwächter, aber sie schienen nur wirbelnde schwarze Schatten zu sein, unter deren Hieben und Tritten die Menschenmenge auseinanderstob wie eine Schafherde, unter die der Wolf gefahren war. »Al Achawwiya al sauda'!«

Zuerst war es nur eine Stimme, die diese fremdartigen Worte schrie, aber gleich darauf stimmte die gesamte Menge in den Ruf ein, und die schienen die Panik endgültig komplett zu machen. Mike wußte nicht, was die Worte bedeuteten, aber allein ihr unheimlicher Klang jagte auch ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Hatten bisher noch einige besonders tapfere Männer versucht, die beiden tobenden Beduinen aufzuhalten, so warfen nun auch die letzten ihre Waffen fort und stürzten davon. Auch die Männer, die bereits zu ihnen hereingekommen waren, fuhren herum und suchten ihr Heil in der Flucht.

Nicht allen gelang es. Mike sah voller Entsetzen, wie Yasal einen der Flüchtenden mit einem gewaltigen Satz einholte und ihn so mühelos durch die Luft schleuderte wie ein Kind eine Stoffpuppe. Der Mann prallte gegen die Wand, rappelte sich mit der Kraft der Verzweiflung wieder auf und humpelte davon. Yasal setzte ihm nach und holte ihn mit einem einzigen Schritt ein.»Nein!«

Serenas Stimme war so scharf, daß für den Bruchteil einer Sekunde alles mitten in der Bewegung zu erstarren schien. Yasal, der den unglückseligen Burschen bereits wieder gepackt und diesmal hoch über den Kopf erhoben hatte, um ihn mit tödlicher Wucht auf den Boden zu schmettern, hielt inne und wandte sich Serena zu.

»Nein!« sagte Serena noch einmal. »Tu das nicht! Es ist nicht nötig! Sie fliehen doch!«

Für eine Sekunde stand der schwarzgekleidete Beduine da und starrte Serena an, und es war Mike, als fände ein stummer Zweikampf zwischen ihnen statt. Er selbst war sicher, daß er dem durchdringenden Blick der unheimlichen Augen keinen Sekundenbruchteil lang standgehalten hätte -aber am Ende war es Serena, die das stumme Duell gewann. Nicht unbedingt sanft, aber auch nicht mit der furchtbaren Gewalt, zu der er ausgeholt hatte, setzte Yasal den Mann zu Boden und wandte sich dann vollends zu ihnen herum. »Puh«, sagte Chris. »Das war knapp. « Mike fragte sich, was er damit meinte -ihre Rettung vor der aufgebrachten Menge oder Serenas Eingreifen, das dem Mann mit großer Wahrscheinlichkeit das Leben gerettet hatte.

Die aufgebrachte Menge war inzwischen fast verschwunden. Zwei oder drei Nachzügler humpelten noch davon, aber ansonsten schien die Straße mit einem Male wie ausgestorben. Es war, als reiche die bloße Anwesenheit der beiden Beduinen allein, um alles menschliche Leben in weitem Umkreis zu vertreiben. »Danke«, sagte Trautman. »Das war wirklich Rettung in letzter Sekunde. Was ist passiert? Wieso seid ihr hier, und was war mit dem Fahrer los?« Weder Yasal noch Hasim antworteten, und plötzlich erinnerte sich Mike wieder daran, daß er keinen der beiden jemals auch nur ein Wort hatte sagen hören. »Das sollten wir vielleicht später klären«, sagte Ben nervös. »Ich meine... sie könnten zurückkommen. « »Und selbst wenn nicht, hat bestimmt jemand die Polizei gerufen«, fügte Chris hinzu.