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»Und?« fragte Mike. »Vor zehn Sekunden hättest du dir nochgewünscht,daß die Polizei kommt, oder?«

»Ihr kennt die Polizei Kairos nicht«, sagte Trautman mit einem schiefen Lächeln.»Ichmöchte ihr jedenfalls nicht erklären müssen, was hier passiert ist... « Er überlegte eine Sekunde, dann wandte er sich wieder an Yasal und Hasim.

»Könnt ihr uns von hier wegbringen?« Möglicherweise sprachen die beiden kein Englisch, aber zumindest verstanden sie es. Yasal nickte, und Hasim machte eine entsprechende Handbewegung über die Schulter nach draußen.

»Also gut«, sagte Trautman. »Dann nichts wie raus hier. «

»Und unsere Sachen?« fragte Serena. Trautman warf einen Blick durch den Raum. Was nicht bei dem Zusammenprall des Wagens mit dem Tor zerstört worden war, das war in einem heillosen Chaos überall verstreut. Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, aber dafür bleibt uns keine Zeit«, sagte er bedauernd. »Sei froh, daß wir noch am Leben sind, Serena. Kommt jetzt. Wir müssen weg. Und außerdem möchte ich mich gerne mit Lady Grandersmith über einige Eigenschaften ihrer Dienstboten unterhalten. «

»Sie können sich gar nicht vorstellen, wie leid es mir tut«, sagte Lady Grandersmith zum wiederholten Mal an diesem Abend. Sie schüttelte abermals den Kopf und sah Mike und die anderen der Reihe nach und mit aufrichtiger Sorge an.

Es war mittlerweile später Nachmittag. Sie saßen auf der Terrasse des Hauses, von dem Lady Grandersmith gesprochen hatte -das sich als Prachtbau von der Größe und Ausstattung eines kleinen Schlosses entpuppt hatte -, und tranken eisgekühlten Zitronentee, und obwohl erst wenige Stunden verstrichen waren, seit sie mit so knapper Not dem sicheren Tod entgangen waren, kam Mike ihr Abenteuer schon fast wie ein böser Traum vor.

Yasal und Hasim hatten sie zu einem Wagen geführt, der gar nicht weit entfernt in einer Seitenstraßegeparkt gewesen war, und die beiden hatten auch gleich noch für eine Überraschung gesorgt: Yasal erwies sich nämlich als ausgezeichneter Fahrer, der sie in einem höllischen Tempo, aber nichtsdestotrotz sehr sicher aus der Stadt gebracht hatte. Danach war es eine gute Stunde nach Westen gegangen, zu Anfang noch über eine asphaltierte Straße, später über einen schmalen Weg und schließlich durch die Wüste. Und gerade als Mike ernsthaft darüber nachzudenken begonnen hatte, ob es das Haus der Lady Grandersmith denn überhaupt gab, hatten sie diese Oase erreicht: ein kleines Paradies, das versteckt in einem Dünental lag und aus einem kristallklaren Quellsee und einem Palmenwäldchen bestand, unter dessen Schatten das Haus lag. »Ich verstehe immer noch nicht, wie der Bursche wissen konnte, daß wir auf einen Wagen warten«, sagte Ben kopfschüttelnd. Er nippte an seinem Zitronentee, behielt aber Lady Grandersmith dabei über den Rand des Glases hinweg scharf im Auge. Er machte aus seinem Mißtrauen keinen Hehl, obwohl Lady Grandersmith ihnen bereits mehrmals erklärt hatte, was wirklich passiert war. Und ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen, begann sie sich allmählich darüber zu ärgern. Trotzdem tat sie es geduldig noch einmal. »Die Schuld trifft auch mich, junger Mann«, antwortete sie. »Ich gebe es zu. Ich habe länger für meine Reisevorbereitungen gebraucht, als ich gedacht hatte, und als ich schließlich mit dem Wagen zum Hotel kam, wart ihr nicht mehr da. «

»Ja«, sagte Ben säuerlich. »Wir waren schon unterwegs. Mit einem anderen Wagen. «

Lady Grandersmith machte ein betrübtes Gesicht. »Ich kann es mir nur so erklären, daß irgend jemand vom Hotelpersonal wußte, daß ihr auf eine Fahrgelegenheit wartet. «

»Und hat seinen Onkel gerufen, der Ehrenmitglied bei der örtlichen Mafia-Filiale ist?« fragte Ben. Lady Grandersmith überging den sarkastischen Unterton und nickte ernst. »So etwas kommt leider immer wieder vor. Dies ist ein armes Land, Ben; und euer Hotel ist eines der teuersten in der Stadt. So etwas lockt fast zwangsläufig alle möglichen zwielichtigen Gestalten an. Glaub mir, ich bedauere am meisten, was passiert ist, aber ihr hattet trotz allem noch großes Glück. « »Ja«, sagte Trautman. »Wären Ihre beiden Bediensteten nicht zufällig aufgetaucht... « »Oh, so zufällig war das nicht«, erklärte Lady Grandersmith mit einem Seitenblick auf Hasim, der mit vor der Brust verschränkten Armen einige Meter abseits stand und auf weitere Befehle wartete. Mike fühlte sich in seiner Gegenwart nach wie vor unbehaglich. Daß die beiden Beduinen ihnen gerade das Leben gerettet hatten, änderte nichts daran. »Nein?« fragte Mike.

»Nein«, bestätigte Lady Grandersmith. »Wir haben euch nur um wenige Minuten verpaßt. Als ich hörte, was geschehen war, habe ich Yasal und Hasim losgeschickt, um euch zu suchen. Wie sich gezeigt hat, keine Sekunde zu früh. «

»Das stimmt«, sagte Trautman schaudernd. »Ich verstehe bis jetzt nicht, warum die Leute so erbost waren. Sie hätten uns gelyncht, wären die beiden nicht aufgetaucht. «

Lady Grandersmith lachte leise. »Kein Wunder. Wissen Sie überhaupt, wo Sie waren?« »Nein«, antwortete Trautman.

»Seien Sie froh«, sagte Lady Grandersmith. »Die Gegend gehört zu den schlimmsten der ganzen Stadt. Diese Leute waren nicht wütend, weil ihr etwasgetanhabt, Mister Trautman, sondern weil Sie und die Kinder ihnen auf die Schliche zu kommen drohten. Kein Räuber hat es gern, wenn sein Versteck

bekannt wird. « Plötzlich wurde sie sehr ernst. »Glauben Sie mir

- sie hätten euch alle getötet. «

Das klang plausibel. Und trotzdem... irgendwie überzeugte es Mike noch nicht. Er mußte unentwegt an den Ausdruck von Angst auf den Gesichtern der Männer denken, den Yasals und Hasims Erscheinen hervorgerufen hatte -und die Brutalität, mit der die beiden gegen die Männer vorgegangen waren. Auch Mike hatte schon um sein Leben kämpfen müssen, und das mehr als einmal, aber er wäre niemals auf die Idee gekommen, einem Gegner nachzusetzen, der bereits floh. »Aber nun ist es ja überstanden«, sagte Lady Grandersmith in verändertem Ton. »Es tut mir leid, daß ihr eure Sachen eingebüßt habt -vor allemdu, Serena, aber das war das kleinere Übel, denke ich. « Sie blinzelte Serena verschwörerisch zu. »Ich bin sicher, daß ich noch ein paar kleine Souvenirs für euch finde, bevor ihr abreist. « »Was morgen der Fall sein wird«, sagte Trautman. »Morgen schon?« Lady Grandersmith wirkte überrascht, obwohl sie es eigentlich besser wissen mußte. »Das hatten wir besprochen«, erinnerte Trautman. »Jaja«, antwortete Lady Grandersmith hastig. »Das stimmt. Aber... « Sie schwieg einen Moment. »So, wie die Dinge liegen, sollten Sie sich überlegen, doch noch ein paar Tage hierzubleiben. Sie sind meine Gäste, solange Sie wollen. «

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Lady Grandersmith. Aber -« begann Trautman, wurde aber sofort wieder von ihr unterbrochen:

»Das ist nicht nur freundlich, ich fürchte, esmußsein«, sagte Lady Grandersmith. »Sehen Sie, was heute in der Stadt geschehen ist, hat garantiert für eine Menge Aufsehen gesorgt. Ich fürchte, es wird jetzt nicht mehr so einfach werden, die Dinge zu besorgen, die Sie noch brauchen. Wir sollten ein, zwei Tage verstreichen lassen, nur zur Sicherheit. Die Polizei war sicher bereits im Hotel, und auch die Leute, denen Sie gerade noch einmal entkommen sind, sind nicht zu unterschätzen. Glauben Sie mir - Sie nehmen meine Einladung besser an und verlängern Ihren Urlaub noch um ein paar Tage. «