und dann sehen wir weiter. Vielleicht finden wir ja eine
Möglichkeit, den Transport irgendwie zu beschleunigen. «
»Wir könnten einen Flaschenzug bauen«, schlug Juan vor.
»Wie?« fragte Ben. »Wozu denn das?« »Um die Behälter auf diese Weise schneller zu transportieren, Schlaumeier«, antwortete Juan spöttisch. »Sie wiegen hier unten kaum etwas, aber nach Mikes Beschreibung sind sie ziemlich unhandlich. Wenn wir ein Seil zwischen der NAUTILUS und der TITANIC spannen und sie daran befestigen, geht es viel schneller. « »Hm«, machte Ben. Mike konnte ein Grinsen nicht völlig unterdrücken. Juans Idee war geradezu genial, und das mußte Ben wohl auch einsehen, aber so war er nun einmal -er fand prinzipiell erst einmal nichts gut, was nicht auf seinem Mist gewachsen war. »Ich frage mich, wiesosienoch nicht darauf gekommen sind«, sagte Singh.
»Vielleicht ist die Idee zu einfach«, witzelte Ben. »Wer weiß vielleicht sind sie ja nur Spezialisten für Unmögliches. «
Das Gespräch schleppte sich noch eine Weile dahin, aber es fiel Mike immer schwerer, ihm zu folgen. Er spürte erst jetzt richtig, wie anstrengend der Ausflug zur TITANIC hinüber gewesen war, und so stand er schließlich auf, verabschiedete sich von den anderen und ging zu seiner Kabine, um zu tun, was Trautman ihm geraten hatte: sich gründlich auszuschlafen.
Leider wurde es damit nichts. Mike hatte das Gefühl, die Augen noch nicht einmal richtig geschlossen zu haben, als er schon wieder geweckt wurde; von lauten Stimmen, die direkt vor seiner Tür erklangen. Mike preßte stöhnend den Handrücken gegen die Stirn, zählte in Gedanken bis fünf und
sah dann auf die Uhr. Er hatte nicht einmal zwei Stunden
geschlafen - kein Wunder, daß er fast müder war als zuvor.
Aus rotgeränderten Augen blickte er zur Tür. Sie war noch geschlossen, aber das Stimmengewirr wurde lauter. Er konnte die Worte nicht verstehen, aber der Klang war der eines Streites. Was war denn da draußen los?
Benommen richtete er sich vollends auf, schlurfte zur Tür und gähnte ausgiebig. Wahrscheinlich hat Ben wieder einmal über die Stränge geschlagen, dachte er, und nach den letzten Tagen war wohl auch Trautmans sprichwörtliche Geduld nicht mehr ganz so unerschöpflich wie sonst. Er öffnete die Tür -und vergaß schlagartig seine Müdigkeit. Es ging nicht um Ben. Er war auch draußen auf dem Gang -wie die gesamte Besatzung der NAUTILUS, einschließlich der beiden Beduinen -, aber Trautman redete in erregtem Ton aufYasalein, nicht auf Ben oder einen der anderen Jugendlichen. »Ich lasse das nicht zu!« sagte er zornig. »Was soll der Unsinn? Juan und ich können genausogut mitkommen. Wir können euch wahrscheinlich sogar noch besser helfen! Ich habe Erfahrung im Bergen gesunkener Schiffe!«
Yasal ging unerschütterlich weiter, und in Mike kam ein vager Verdacht hoch. »Was ist denn hier los?« murmelte er schlaftrunken.
»Deine Pause ist vorbei«, antwortete Ben, »das ist los. Die beiden wollen anscheinend wieder raus. « Mike blinzelte. Yasal steuerte geradewegs auf ihn zu, und das, zusammen mit Bens Worten und Trautmans sichtlicher Erregung, ließ eigentlich nur einen Schluß zu. »Das... das meint ihr doch nicht ernst«, sagte er. »Wir sollen weitermachen?Jetzt?«Die bloße Vorstellung, erneut und wahrscheinlich wieder für Stunden in die eisige Schwärze dort draußen hinauszugehen, jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken.
Yasal blieb einen Meter vor ihm stehen und nickte. Natürlich sagte er nichts.
»Aber ich kann das nicht«, beharrte Mike. »Ich bin völlig erschöpft. Laßt mich wenigstens noch ein paar Stunden ausruhen. «
Yasal machte eine auffordernde Geste, mit der er zugleich auch auf Singh deutete.
»Singh auch?« murmelte Mike. »Aber der ist genauso fertig wie ich. Wir wären euch keine Hilfe!« Diesmal beließ es Yasal nicht bei einer Geste. Er packte Mike kurzerhand an der Schulter und zerrte ihn aus seiner Kabine heraus.
»Schon gut, schon gut!« sagte Mike hastig. Sofort ließ Yasal seine Schulter los, doch allein die Art, wie er es tat, machte Mike klar, daß er sofort wieder zupacken würde, wenn er sich widersetzte. »Das ist doch Wahnsinn!« protestierte Trautman. »Ich lasse nicht zu, daß -«
»Lassen Sie's gut sein«, unterbrach ihn Mike resignierend. »Ich gehe mit. Wahrscheinlich werden wir ihn eher behindern als ihm helfen, aber wenn er darauf besteht... «
Er zog die Tür hinter sich zu, trat neben Yasal und nickte. »Ihr müßt ja wissen, was ihr tut. Wenn ich unterwegs einschlafe, trägst du mich aber zurück, ist das klar?«
Trautman blickte ihn an, als wäre er übergeschnappt, aber Ben lachte leise. »Die beiden scheinen einen echten Narren an euch gefressen zu haben«, sagte er. »Aber keine Sorge -ich komme mit nach unten und helfe dir wenigstens noch, den Anzug anzuziehen. « Doch dazu sollte es nicht kommen. Kurz bevor sie den Laderaum erreichten, blieb Yasal plötzlich stehen, wandte sich um und machte eine befehlende Bewegung mit beiden Armen. Trautman, Ben und die beiden anderen blieben unvermittelt stehen, und Trautmans Gesicht verdüsterte sich schon wieder vor Zorn. »Was hat denn das jetzt wieder zu bedeuten?« fragte er grollend.
»Ich glaube, sie wollen nicht, daß ihr den Laderaum betretet«, antwortete Singh.
»Wie bitte?« empörte sich Ben. »He -wem gehört dieses Schiff eigentlich?« Er machte eine herausfordernde Bewegung, wie um Yasal einfach beiseite zu schieben -und fand sich in der nächsten Sekunde mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden wieder. Yasal hatte blitzartig zugestoßen.
»Soviel zu deiner Frage«, sagte Mike. »War diese Antwort deutlich genug?«
Er grinste, aber im Grunde war ihm nicht nach Lachen zumute. Sie waren tatsächlich nicht mehr die Herren über ihr eigenes Schiff, aberdaranhatten sie sich ja schon fast gewöhnt. Was ihn erschreckte, war, daß Yasal es offenbar plötzlich nicht mehr zuließ, daß ein anderer als Singh oder er den Laderaum betrat. Was immer sie aus der TITANIC geborgen hatten, schien für die beiden noch sehr viel kostbarer zu sein, als er ahnte.
»Also gut«, seufzte er. »Bringen wir es hinter uns. « Sie gingen weiter, durchquerten den Laderaum mit seiner seltsamen Fracht und stiegen mit Yasals Hilfe in die schweren Taucheranzüge. Mike war kein bißchen überrascht, als er feststellte, daß die Sauerstoffflaschen schon wieder gefüllt waren. Und nicht nur das -Yasal und Hasim hatten je eine zusätzliche Flasche an ihren Anzügen angebracht, was wohl bedeutete, daß sie diesmal noch länger draußen bleiben mußten. Aber zumindest blieb ihnen jetzt der kräftezehrende Weg durch das gesamte Wrack erspart. Sie kletterten in die Schleuse. Während sie darauf warteten, daß das Wasser höher stieg, wäre Mike beinahe eingeschlafen, aber das Wasser war so kalt, daß er regelrecht mit den Zähnen zu klappern begann. Die Schleuse war komplett geflutet. Mike trat aus demSchiff heraus, knipste seinen Scheinwerfer an -und erlebte eine gewaltige Überraschung. Dabei bestand das, was da im weißen Licht des Scheinwerferstrahles schimmerte, bloß aus zwei fingerdicken, aus Metall geflochtenen Drähten, die neben der Schleusentür am Rumpf der NAUTILUS verankert waren und in der ewigen Nacht verschwanden. Aber es war auch nicht die Konstruktion selbst, die Mike so erschütterte. Es war der Umstand, daß siedawar. Denn was sie vor sich sahen, war nichts anderes als ein Flaschenzug, und zwar... »Juans Flaschenzug!« Singh sprach es laut aus. Und so war es: Was sich da vor ihnen in Richtung der TITANIC in die Dunkelheit hinein erstreckte, das war genau die Konstruktion, die Juan vorgeschlagen hatte, um den Transport der Behälter zur NAUTILUS hinüber zu beschleunigen.