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Hasim sah nicht einmal von den Instrumenten auf, aber sein Schweigen war Trautman Antwort genug. Hastig scheuchte er sie alle aus dem Salon und deutete die schmale Wendeltreppe hinauf. »Beeilt euch!« sagte er. »Singh und ich holen die Taucheranzüge. « »Das ist nicht nötig«, sagte Juan. »Sie sind schon oben. « »Wie?« Trautman blinzelte verblüfft. »Ich war vor einer Stunde im Turm«, sagte Juan. »Jemand hat fünf Taucheranzüge dort hinaufgebracht. Ich dachte, Sie wären es gewesen. Ich wußte nur nicht, warum. «

»Hasim«, sagte Trautman. »Das muß Hasim gewesen sein. «

»Aber warum?«

»Vielleicht, weil er wußte, wie gefährlich es wird«, erwiderte Trautman. »Aber das ist jetzt auch egal kommt. Schnell jetzt. «

Sie rannten die Treppe hinauf, so schnell sie konnten, und kletterten hintereinander in den Turm. Tatsächlich lagen dort fünf Taucheranzüge bereit, ganz wie Juan gesagt hatte, und dazu auch fünf frisch gefüllte Sauerstoffflaschen. Sie legten sie an, so rasch sie konnten, was in der Enge der überfüllten Turmkammer nicht so einfach war. »Wieviel Zeit ist noch?« fragte Chris. Trautman sah auf die Uhr. »Eine halbe Stunde bis Mitternacht. Wenn der Kanal in direkter Linie bis zu den Pyramiden führt, müßten wir bald dort sein. Wir könnten es schaffen. Ich frage mich allerdings -« Der Rest des Satzes ging in einem überraschten Laut unter, als die NAUTILUS unter einem heftigen Schlag erzitterte. Wäre die Turmkammer nicht so eng gewesen, daß sie ohnehin alle aneinandergepreßt dastanden, wären sie wahrscheinlich von den Füßen gerissen worden.

Mikes erster Gedanke war, daß sie gegen ein Hindernis geprallt waren, aber der furchtbare Laut von zerreißendem Stahl, auf den er mit angehaltenem Atem wartete, kam nicht. Statt dessen machte er eine andere, viel unheimlichere Feststellung. Die NAUTILUS stand still.

»Das ist doch unmöglich!« murmelte Trautman. »Wir würden mindestens eine Meile brauchen, um bei dem Tempo anzuhalten! Das kann überhaupt nicht sein!« Mike sah konzentriert durch eines der beiden großen Bullaugen nach draußen. Nicht weit entfernt vor ihnen schimmerte ein blasses Licht; ein dreieckiger, zitternder Streifen hoch oben unter der Decke des Kanals. »Dort!« sagte er. »Das muß die Höhle sein!« »Warum fahren wir dann nicht weiter?« wunderte sich Ben.

Bevor jemand antworten konnte, hörten sie ein seltsames Scharren und Knirschen -und plötzlich schrie Trautman, so laut er nur konnte.»Die Helme! Um Gottes willen, setzt die Helme auf!«

Kaum hatte Mike das getan, öffnete sich die Turmluke über ihnen, und ein Sturzbach von eiskaltem Wasser sprudelte herein. Mike hörte Chris schreien, fuhr herum und sah, daß dieser vor lauter Aufregung die Scharniere seines Helmes nicht zubekam. Hastig griff Mike zu, ließ den Helm einrasten und öffnete auch noch das Ventil der Sauerstoffflasche auf Chris' Rücken.

Keine Sekunde zu früh. Die Turmkammer füllte sich rasend schnell mit Wasser. Mike fand kaum noch Zeit, seinen eigenen Helm richtig zu befestigen, da schloß sich das Wasser bereits über ihnen. »Was geht hier vor?« keuchte Ben. »Will er uns ersäufen?«

Mike hob den Blick und sah nach oben. Der schwere Lukendeckel war mittlerweile fast ganz aufgeschwungen, und ein hinter schwarzem Tuch verhülltes Gesicht lugte zu ihnen herein.

»Hasim?« murmelte Ben. »Aber wie kommt der denn hierher?«

Es kann nicht Hasim sein, dachte Mike, es wird sein Bruder Sulan sein. Der Schwarzgekleidete machte keinen Versuch, zu ihnen hereinzukommen, sondern hob statt dessen die Hand und gab ihnen einen eindeutigen Wink.

»Was will er denn?« murmelte Chris. »Das ist doch wohl deutlich«, grollte Ben. »Wir sollen aussteigen. «

Sulan wiederholte seine Bewegung diesmal voller Ungeduld.

»Wir tun besser, was er verlangt«, sagte Trautman. »Ich glaube, ich weiß, was sie vorhaben. « »Ja, uns ersäufen wie junge Katzen!« grollte Ben. »Unsinn!« widersprach Trautman streng. »Es ist allerhöchstens noch eine Meile bis zum See. Wir haben mehr als genug Luft, um dorthin zu schwimmen. Wenn sie uns hätten umbringen wollen, hätten sie es längst getan. «

»Aber warum denn schwimmen?« beschwerte sich Ben. »Das ist doch vollkommen verrückt!« »Sie wollen nicht, daß wir sehen, was dort geschieht«, antwortete Trautman. »Also kommt

- ehe er es sich anders überlegt und uns um unsere Helme bittet... « Das wirkte. Niemand widersprach mehr. Selbst Ben kletterte gehorsam hinter Trautman die Leiter empor und verschwand in dem kalten Wasser. Doch als Singh und als letzter Mike den Turm verlassen wollten, schüttelte Sulan den Kopf. Singh protestierte lautstark, doch es nutzte nichts. Sulan

schloß die Turmluke über ihm. »Mike, Singh!« klang

Trautmans Stimme in Mikes Helm. »Wo bleibt ihr?«

»Er hat uns nicht hinausgelassen«, antwortete Mike. »Was?! Aber -«

»Keine Angst«, unterbrach ihn Singh. »Sie werden uns nichts tun. Wahrscheinlich brauchen sie nur unsere Hilfe. Sie haben auch auf der TITANIC niemand anderen bei sich geduldet. «

»Also gut«, antwortete Trautman. Seine Stimme wurde bereits leiser, und Mike sah, daß nun der helle Fleck vor ihnen zu wachsen begonnen hatte. Das Schiff hatte wieder Fahrt aufgenommen, ohne daß sie es gemerkt hatten. »Aber paßt auf euch auf. Wir kommen nach, so rasch wir können. «

Damit riß die Verbindung ab. Sie waren offensichtlich schon zu weit voneinander entfernt. Ihr Ziel kam jetzt schnell näher. Der helle Fleck, dem sich die NAUTILUS in rasendem Tempo näherte, wurde schnell größer, und nach kaum einer Minute brachen der Turm und der zackengekrönte Rücken des Schiffes durch die schäumende Oberfläche des Sees, der in Cheops' geheimer Grabkammer lag. Das Schiff schaukelte wild hin und her, so daß Mike sich hastig am Steuer festklammerte.

Kaum hatte er seinen festen Halt wiedergefunden und einen Blick nach draußen geworfen, da schrie er überrascht auf.

Die große Höhle war hell erleuchtet, und sie war nicht mehr leer. Am Ufer des Sees drängten sich Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte von schwarzgekleideten Gestalten.

»Was ist das?« murmelte er. »Die Schwarze Bruderschaft«, antwortete Singh. »Aber... aber Lady Grandersmith hat doch gesagt, daß es nur noch diese drei gibt!«

Singh machte eine Geste, die wohl andeuten sollte, daß er das

auch nicht verstand, dann deutete er nach draußen. »Schau! Dort ist sie. Lady Grandersmith. « »Und Serena!« fügte Mike aufgeregt hinzu. »Und Astaroth!«

Tatsächlich stand Lady Grandersmith zwischen den schwarzgekleideten Gestalten, die sich am Ufer drängten. Und unmittelbar neben ihr war Serena, auf deren Schulter der riesige schwarze Kater hockte. Sie waren zu weit entfernt, um etwas genau zu erkennen, aber eigentlich, dachte Mike verblüfft, sehen sie nicht wie Gefangene aus.

»Komm!« sagte er. Voller Ungeduld fuhr er herum, schwamm in dem noch immer mit Wasser gefüllten Turm nach oben und öffnete die Luke. Mike stemmte sich mit einer kraftvollen Bewegung hinaus, trat rasch zwei Schritte zur Seite, um Platz für Singh zu machen, und nahm dann seinen Helm ab. Mittlerweile hatten Lady Grandersmith und Serena das Ufer ebenfalls erreicht, und er sah jetzt, daß er sich nicht getäuscht hatte: Serena wirkte ausgesprochen fröhlich und sehr erleichtert. Vielleicht hatte sie ebenso wie er nicht mehr damit gerechnet, daß sie sich jemals wiedersehen würden. »Serena!« schrie Mike. »Geht es dir gut?« »Ja!« rief sie zurück. »Kommt heraus. Schnell! Sie haben keine Sekunde mehr zu verlieren!«Sie?dachte Mike verblüfft. Wovon sprach Serena da? So rasch er konnte, kletterte er den Turm hinab, lief über das Deck der NAUTILUS nach hinten und watete die letzten Meter zum Ufer.