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»Was ist los?« fragte sie alarmiert. Es war nicht nur Frenchs plötzliches Schweigen, das sie aufschreckte. Seine Haltung verriet nicht nur Schrecken, sondern Entsetzen.

»Wir ... können nicht zurück«, sagte er.

»Zurück? Wohin?«

»Zurück in den Hort«, murmelte French. »Sie ... sie sind beschädigt. Sehen Sie doch selbst.« Zitternd deutete er auf die Löcher und Risse in der Plastikfolie. »Ich habe Flickzeug dabei, aber es reicht nicht. Wir ... wir müssen versuchen, andere zu finden.«

»Aber wozu?« fragte Stone.

French sah mit einem Ruck auf. »Wir müssen in den Hort«, wiederholte er unsicher. »Die Tote Zone. Wir ... wir können sie nicht durchqueren ohne einen Schutzanzug.«

»Einen Schutzanzug!« Charity hätte fast gelacht. Dann begriff sie. »Die Tote Zone - das ist ein Bereich ohne Luft?«

»Und?« fragte Stone verwirrt. Er blickte auf den offenstehenden Schrank mit den Vakuumanzügen. »Wozu brauchen wir diese Dinger da?«

»Ihr würdet sterben«, sagte French. »Mein Anzug ist beschädigt, aber vielleicht kann ich es schaffen. Aber ihr nicht. Es ist zu weit. Niemand kann so lange die Luft anhalten.«

»Das ist auch nicht nötig«, begann Stone, »wir ...«

Charity brachte ihn mit einer unwilligen Geste zum Verstummen. »Der Hort«, sagte sie, an French gewandt. »Das ist der Ort, an dem deine Leute leben, nicht wahr? Er liegt außerhalb der Station?«

»Hinter der Toten Zone«, bestätigte French.

»Beschreibe sie«, verlangte Charity. »Wie sieht es dort aus?«

French machte eine hilflose Bewegung. »Es ist ... die Tote Zone«, wiederholte er verwirrt. »Es gibt keine Luft dort, und es ist kalt. Die Spinnen kommen niemals dorthin.«

Charity gab auf. Es hatte wenig Sinn, über Dinge diskutieren zu wollen, für die sie keine gemeinsamen Worte hatten. Aber sie glaubte, zumindest eine ungefähre Vorstellung von dem zu haben, was French als Hort bezeichnete.

Langsam drehte sie sich einmal im Kreis und sah sich um. Sie verfluchte jetzt die Tatsache, sich damals nicht mehr für die Konstruktion der Orbit-Stadt interessiert zu haben. Sie hatte ja nicht ahnen können, wie wichtig es einmal werden würde. Andererseits blieb ihnen wahrscheinlich gar keine andere Wahl, als sich darauf zu verlassen, daß sie ihre Erinnerung nicht narrte.

»Wenn das Zeug hier das ist, was ich hoffe«, sagte sie, »dann habe ich eine kleine Überraschung für unsere vierarmigen Freunde.« Sie machte eine schnelle, auffordernde Geste auf den Schrank. »Schnell - zieht die Dinger an. Und beeilt euch.«

»Das ist eine wirklich gute Idee«, rief Skudder von der Tür her und duckte sich unter einem grellen Energieblitz, der den Stahl über seinem Kopf zum Aufglühen brachte.

4

Das Heulen der Alarmsirenen riß Hartmann aus einem Schlaf, in den er erst vor einer halben Stunde gesunken war. Die Digitaluhr in seiner Videowand hatte etwas weniger als vierundzwanzig Stunden angezeigt, ehe er die Wache in der Zentrale an einen der wenigen Männer übergeben hatte, denen er noch vertrauen konnte, und sich in sein Privatquartier zurückzog. Er war seit fast dreißig Stunden auf den Beinen gewesen. Trotzdem hatte es lange gedauert, bis er endlich eingeschlafen war.

Um so schlimmer erwachte er wieder. Das aus zwei Zimmern bestehende Apartment, das Hartmann seit einigen Wochen bewohnte, hatte früher Krämer gehört; es zeichnete sich nicht nur durch einen sonst nirgendwo in der Bunkerfestung anzutreffenden Luxus aus, sondern auch dadurch, unmittelbar an die Kommandozentrale zu grenzen. Die erste Sequenz des Alarmgeheuls war noch nicht völlig verklungen, als Hartmann auch schon die Tür aufstieß und mit zwei gewaltigen Schritten hinter der Wache auftauchte. Sein Blick irrte über die Monitorwand und tastete in fliegender Hast jeden einzelnen Bildschirm ab. Nichts hatte sich darauf verändert. Es war dunkel geworden, und die Kameras zeigten das geisterhafte, grün-rote Bild der Restlichtverstärker. Auch mit Ausnahme der Farben unterschieden sich die Aufnahmen nicht von denen, die Hartmann den ganzen Tag über gesehen hatte: Die Moroni taten noch immer unverständliche Dinge, aber er sah nichts, was diesen Alarm rechtfertigte.

»Was ist hier los?« schnappte er. »Warum dieser Alarm?«

Eine Sekunde lang wartete er vergeblich auf eine Antwort, ehe er begriff, daß die Aufmerksamkeit des Wachoffiziers nicht den Bildschirmen, sondern vielmehr der kleinen Sprechanlage auf seinem Schreibtisch galt. Mit einem Satz war er neben ihm, sagte aber nichts, sondern blickte den Mann nur fragend an. Der Soldat deutete mit besorgtem Gesicht auf den Lautsprecher. Hartmann lauschte.

Im ersten Moment hatte er Mühe, die Geräusche zu identifizieren. Die Übertragung war sehr leise und schien nur aus sinnlosen Lauten und Geräuschen zu bestehen. Dann identifizierte er Schreie, das Klirren von Glas, ein dumpfes Krachen und Rumoren und andere unheimliche Laute, die er in den ersten Sekunden nicht einordnen konnte.

»Die Schlaftanks?« flüsterte er.

Der Wachoffizier nickte. »Der Alarm wurde dort ausgelöst«, bestätigte er. »Aber ich kann den Posten nicht erreichen. Er meldet sich nicht.«

Hartmann warf einen neuerlichen, raschen Blick auf die Monitorwand. Das Bild darauf hatte sich immer noch nicht verändert, aber er hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was in den beiden unteren Stockwerken der Bunkerfestung vor sich ging.

»Soll ich eine Einsatzgruppe hinunterschicken?« fragte der Offizier.

Hartmann überlegte eine Sekunde, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Aber schalten Sie den Alarm ab.«

Der Mann gehorchte. Nach dem überlauten, an den Nerven zerrenden Wimmern der Sirene empfand Hartmann die nachfolgende Stille fast als noch unangenehmer. Trotzdem klang seine Stimme ruhig und verriet nichts von seinen wirklichen Gefühlen, als er fortfuhr. »Wecken Sie die Männer. Sie sollen in Alarmbereitschaft bleiben, aber noch nichts unternehmen.« Er zog eine Schublade auf, nahm den zusammengerollten Pistolengürtel heraus und schnallte ihn um. »Ich gehe hinunter und sehe nach.«

Der Offizier machte eine Bewegung, um sich aus seinem Stuhl zu erheben, aber Hartmann winkte ab. »Ich gehe allein«, sagte er.

*

Die letzte Salve hatte Skudder von seinem Platz vor der Tür vertrieben. Skudders wütende Gegenwehr und die Hitze in dem engen Gang draußen, dessen Wände unter den Einschüssen seines Lasergewehrs immer wieder aufglühten, hatte die Ameisen bisher auf Distanz gehalten. Aber nun begannen sie sich offensichtlich auf ihr Ziel einzuschießen. Charity verstand ohnehin beim besten Willen nicht mehr, wie Skudder die erdrückende Übermacht so lange hatte aufhalten können. Auf dem Gang draußen mußten mehr als ein Dutzend toter Ameisen liegen, und allein die furchtbare Hitze hatte sicherlich noch einmal der gleichen Anzahl das Leben gekostet. Selbst hier drinnen war es mittlerweile so heiß geworden, daß sie kaum noch atmen konnten. Der einzige Grund, aus dem sie bisher noch nicht einfach überrannt worden waren, war der, daß die Moronikrieger, die sie angriffen, nicht halb so intelligent waren wie ihre Brüder, die Charity auf der Erde kennengelernt hatte. Sie verstanden hervorragend, mit ihren Waffen umzugehen, und reagierten so schnell und präzise wie Roboter. Hätte Charity es nicht besser gewußt, sie hätte geschworen, daß sie es nicht mit denkenden Individuen, sondern mit abgerichteten Tieren zu tun hatten, die blindlings in den Tod liefen, weil irgend jemand es ihnen befohlen hatte.

Sie gab einen ungezielten Schuß durch die Tür nach draußen ab und wandte sich dann wieder French zu, um ihm beim Anlegen des Anzuges zu helfen. Er stellte sich alles andere als geschickt an. Auf Charitys Befehl hin hatte er seinen Helm abgenommen, preßte ihn aber fast angstvoll an die Brust, während sich Charity ein letztes Mal pedantisch davon überzeugte, daß alle Verschlüsse seines Anzuges auch wirklich versiegelt waren. Mit Stones Hilfe hatte sie eine der gelben Sauerstoffflaschen auf Frenchs Rücken befestigt und die Schläuche angeschlossen. French wankte unter dem zusätzlichen Gewicht, und obwohl er sich alle Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen, spürte Charity, daß er am Ende seiner Kräfte angelangt war. Seine Bemerkung über die Schwere Zone ging ihr nicht aus dem Kopf. Offensichtlich herrschte nicht überall an Bord der Raumstation die gleiche Gravitation. Wenn French in einem Bereich mit deutlich geringerer Anziehungskraft geboren und aufgewachsen war, dann mußte er jetzt das Gefühl haben, eine Tonnenlast zu tragen. Selbst sie begann das Gewicht der Sauerstoffflasche bereits unangenehm zu spüren.