Выбрать главу

Aus der gegenüberliegenden Wand öffnete sich eine runde Luke über ihren Köpfen. Gelbes, sehr blasses Licht erfüllte die Luftschleuse. Charity sah Schatten, blinzelte und kniff die Augen zusammen, aber die Beleuchtung im Inneren des Shuttles reichte einfach nicht aus, um die Gestalten, die im Kreis um die Luke herumstanden und zu ihnen herabblickten, genauer erkennen zu können. Stone wollte nach dem Rand der Luke greifen und sich herausziehen, aber Charity hielt ihn mit einer raschen Bewegung zurück. Sie konnte die Gesichter über sich noch immer nicht erkennen, um so deutlicher fühlte sie die Spannung, die in der Luft lag. Sie hatten so entsetzlich wenig Zeit, aber sie mußten diesen Menschen die Gelegenheit geben, sich an ihren Anblick zu gewöhnen.

Der gefährliche Moment verging. Plötzlich beugte sich einer der Schatten vor. Charity erkannte French, der auf die Knie gesunken war und ihr die Hand entgegenstreckte. Mit einem erleichterten Aufatmen griff sie danach und ließ sich in die Höhe ziehen.

Charity glitt ein gutes Stück über den Rand der Schleuse hinaus und landete ungeschickt neben French. Einen Moment zu spät begriff sie, daß der Boden aus einem offensichtlich nicht-magnetischen Metall bestand. Ihre Haftsohlen griffen nicht. Sie machte einen weiteren, unsicheren Schritt, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden, und wäre trotzdem gestürzt, hätte French sie nicht aufgefangen.

Sie nickte dankbar, drehte sich vollends zu ihm herum und ließ ihren Blick flüchtig über das knappe Dutzend Gesichter streifen, das sie umgab. Jedes einzelne Gesicht ähnelte French: schmal und ausgezehrt, mit dunklen, tief in den Höhlen liegenden Augen, rissigen Lippen und einer Haut, die niemals mit Sonnenlicht in Berührung gekommen war und die von kleinen eiternden Geschwüren bedeckt wurde. Es waren fünf oder sechs Frauen und die gleiche Anzahl Männer, und bis auf einen schien kaum jemand älter zu sein als French. Hinter der Reihe der Erwachsenen, die sie unverwandt und mit dem gleichen Ausdruck von Entsetzen und Ehrfurcht wie die Gestalt draußen anstarrten, erblickte sie drei oder vier Kinder.

Ein eisiger Schauer durchlief sie. Frenchs Anblick war unheimlich gewesen. Aber dieses Dutzend Menschen (Menschen? Waren das wirklich Menschen?) erfüllte sie mit Furcht und einer an Ekel grenzenden Abscheu, für die sie sich selbst schämte, die sie aber nur schwer unterdrücken konnte.

French sagte etwas. Sie konnte die Worte nicht richtig verstehen, hob rasch die Hand zu dem kleinen Schalter an ihrem Anzug und atmete tief und erleichtert ein, als sich der durchsichtige Kunststoffhelm öffnete und in ihrem Nacken zusammenfaltete.

Einen Augenblick später wünschte sie sich, es nicht getan zu haben.

Die Luft war so schlecht, daß ihr schwindelig wurde. Und der Geruch war unerträglich. Charity schloß die Augen, unterdrückte mit Macht die Übelkeit, die aus ihrem Magen emporsteigen wollte, und zwang sich, tief einzuatmen. Sie würde das, was French und seine Freunde anscheinend für eine atembare Luft hielten, so oder so für eine Weile ertragen müssen. Besser, sie gewöhnte sich so schnell wie möglich daran.

Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich ein erschrockener Ausdruck auf Frenchs Gesicht ausgebreitet. »Ist ... ist Ihnen nicht gut, Herr ... Charity?« verbesserte er sich hastig.

Charity versuchte zu lächeln. »Nein«, sagte sie. »Es ... es ist schon in Ordnung.«

French sah sie noch eine Sekunde lang voller Zweifel an, dann deutete er auf den ältesten Mann der Gruppe. »Das ist Stark«, sagte er. »Unser Führer.« Er lächelte. »Und das«, fügte er mit einer Geste auf eine der Frauen hinzu, »ist Pearl, meine Gefährtin. Wir werden ...«

»Sei still, French«, unterbrach ihn Stark. Seine Stimme war rauh und heiser. Es war die Stimme eines Menschen, der wenig sprach. Trotzdem hörte sie den befehlsgewohnten Ton darin, einen Ton, der ihr zusammen mit der Härte in seinem Blick verriet, daß Stark vielleicht ein guter, sicherlich aber kein angenehmer Führer war. Stark betrachtete sie und Stone mit unverhohlenem Mißtrauen. Auch in seinem Blick lag Furcht, aber sie war von völlig anderer Art als die, die sie in Frenchs Augen gelesen hatte. Sie nahm sich vor, sich sehr genau zu überlegen, was und in welchem Ton sie mit diesem Mann sprechen würde.

Stark kam langsam auf sie zu. Er bewegte sich seltsam; auf den ersten Blick fast ungeschickt. Trotzdem schien er keinerlei Schwierigkeit mit der geringen Schwerkraft an Bord des Shuttles zu haben. Seine Augen tasteten über ihr Gesicht, ihren Körper, den Anzug, verweilten für einen kurzen, aber spürbaren Moment auf der gelben Sauerstoffflasche auf ihrem Rücken und suchten dann wieder ihren Blick. Charity vermochte nicht zu sagen, ob ihm das, was er sah, gefiel.

»Wer sind Sie?« fragte er. Er sprach jetzt leise, aber seine Stimme war fast schneidend. Seine Hand lag auf etwas, das mit einem Stück Nylonschnur an seinem Gürtel befestigt war und wie eine Miniaturausgabe von Frenchs Harpunenwaffe aussah.

»Aber das habe ich dir doch gesagt«, sagte French aufgeregt. »Sie kommen von ...«

Stark brachte ihn mit einer unwilligen Geste zum Verstummen. »Ich will es nicht von dir hören, French«, sagte er. »Sondern von ihr.«

»Was soll denn das?« ergriff Stone neben ihr das Wort. Wie Charity hatte er seinen Helm zurückgeklappt und stand jetzt aufrecht da, wenn auch wankend wie ein Betrunkener. Offensichtlich hatte er noch viel größere Schwierigkeiten als sie, mit einer Anziehungskraft fertig zu werden, die allerhöchstens ein Zehntel der Schwerkraft der Erde betrug. »Ist das Ihre Art ...«

»Seien Sie still, Stone«, sagte Charity scharf. »Er hat recht. Ich an seiner Stelle wäre genauso mißtrauisch.«

Sie hatte zu Stone gesprochen, blickte Stark dabei aber unverwandt weiter an. Der Führer des Hortes hielt ihrem Blick ruhig stand. Das Mißtrauen in seinen Augen wurde noch größer.

Charity legte eine genau berechnete Pause ein, ehe sie mit veränderter, sehr ruhiger Stimme von neuem begann. »Mein Name ist Laird, Mister Stark. Captain Charity Laird von der US Space Force.«

»Space Force?« Die Art, in der Stark das Wort wiederholte, sagte ihr, daß es eine ganz bestimmte Bedeutung für ihn hatte. »Dann ... dann hat French die Wahrheit gesagt? Sie und die anderen, Sie ... Sie kommen wirklich von der Erde?«

Betont und sehr ruhig entgegnete Charity: »Ich glaube, Sie und Ihre Freunde benutzen dieses Wort in einem anderen Sinn als wir. Wir kommen von einer Welt, die sehr weit von Ihrer entfernt ist. Und sehr anders ist.«

Ein anderer Ausdruck trat in Starks Blick. Charity begriff, daß sie einen Fehler gemacht hatte, wußte aber nicht, welchen. »Es gibt keine anderen Welten, auf denen Menschen leben«, sagte Stark. »Es gibt nur uns und die Spinnen. Sie haben alle Menschen getötet, vor langer Zeit.«

»Das habe ich auch gedacht«, mischte sich French ein. Stark warf ihm wieder einen zornigen Blick zu, aber diesmal reagierte French nicht darauf, sondern fuhr noch aufgeregter fort. »Sie haben auch sie getötet, sie und ihre Begleiter. Aber sie ... sie können sie nicht töten. Sie haben auf sie geschossen und sie getroffen, aber sie ... sie sind immer wiedergekommen, Stark. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Sie sind unsterblich. Nichts kann sie verwunden. Die Spinnen können ihnen nichts anhaben.«

»Ich wollte, es wäre so«, sagte Charity leise. Sie lächelte traurig, dann deutete sie mit einer Kopfbewegung auf den Schleusendeckel, der noch immer aufgeklappt war. »Ich werde versuchen, Ihnen alles zu erklären, Mister Stark«, sagte sie. »Aber dort draußen sind noch zwei von unseren Freunden. Bitte lassen Sie sie herein.«