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»Es wird Zeit«, sagte Kyle. Er wies auf den großen Monitor im Kontrollpult. Auf dem Bildschirm war das Ewige Eis der Nordpolarregion zu erkennen, das in rasendem Tempo unter dem Gleiter dahinjagte. Die kleine Zahlenreihe darunter verriet Hartmann, daß die Entfernung bis zum Nordpol und somit zur Schwarzen Festung der Moroni auf weniger als hundert Kilometer zusammengeschrumpft war.

Hartmann fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. Dem über Gletscherspalten und Schneewehen hüpfenden Schatten des Gleiters folgte eine endlose Kette gleichartiger, runder Schatten. Hartmann versuchte, ihre Zahl zu schätzen, gab es aber fast sofort wieder auf. Jeder einzelne dieser so harmlos aussehenden Flecken bedeutete ein Glied in einer buchstäblich endlosen Kette von Gleitern, die sich der Transmitterstation am Nordpol näherten. Schiffe, deren Besatzungen bis auf zwei aus Moroni bestanden, die im gleichen Moment das Feuer auf sie eröffnen würden, in dem sie begriffen, wer sich wirklich an Bord der drei Flugscheiben befand, die sich irgendwo über dem Atlantik in die Formation eingereiht hatten.

»Keine Sorge«, sagte Kyle. Er schien zu ahnen, was hinter Hartmanns Stirn vorging. »Sie haben nichts gemerkt. Bis dieses Schiff landet, sind Sie in Sicherheit.«

Hartmann sah ihn zweifelnd an. Er vertraute Kyle, aber seine Worte kamen ihm trotzdem wie böser Hohn vor. Der Gleiter verlor allmählich an Tempo. Trotzdem konnten höchstens noch fünf oder bestenfalls zehn Minuten vergehen, bis sie die Schwarze Festung erreichten.

Kyle blickte ihn noch einen Moment ernst und sehr durchdringend an, dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um, ging zu der schmalen Bank im hinteren Teil des Panzers und ließ sich darauf nieder. Auffordernd sah er Hartmann an.

»Das ist Wahnsinn, Kyle«, murmelte Hartmann kopfschüttelnd.

»Bitte, Hartmann!« Kyle schaute auf die Uhr. Es gelang ihm nicht mehr ganz, seine Nervosität zu verbergen, aber Hartmann hatte das sichere Gefühl, daß diese Nervosität einen anderen Grund hatte, als er annahm. »Wir haben das alles doch schon besprochen. Wir können ihre Computer täuschen. Aber sie selbst nicht. Sie würden es merken, wenn ich näher als zwanzig oder dreißig Meilen an die Festung herankäme. Und dann wäre alles umsonst gewesen. Dort draußen sind buchstäblich Tausende von Schiffen. Sie würden diesen Gleiter im gleichen Augenblick vernichten, in dem sie auch nur argwöhnen, daß einer von uns an Bord sein könnte.«

»Ach, verdammt!« sagte Hartmann, zog seine Pistole aus dem Halfter und schoß Kyle aus allernächster Nähe drei Kugeln in die Brust.

*

Lähmendes Schweigen hatte sich im Laderaum des Space Shuttles ausgebreitet, als Charity und die anderen dorthin zurückkehrten. Sie hatten noch eine Weile miteinander gesprochen, nur um Stark noch eine kurze Gnadenfrist zu verschaffen, in der er mit seinen Leuten reden konnte. Offensichtlich aber schien dieses Gespräch anders ausgegangen zu sein, als Charity gehofft hatte. Frenchs Brüder und Schwestern standen schweigend da und sahen sie aus furchtgeweiteten, dunklen Augen an, während Stark die Hände in den Taschen seines grauen Overalls vergraben hatte und zu Boden blickte.

»Stark!« Charity gab sich Mühe, ihrer Stimme einen möglichst befehlenden Klang zu verleihen. »Warum haben Sie nicht getan, was ich Ihnen befohlen habe?«

Stark sah auf. In seinem Blick war kein Trotz, sondern nur Erschrecken und eine tiefe Verzweiflung. »Wir ... wir können nicht fort«, sagte er. »Bitte - verstehen Sie doch! Es geht zu schnell. Das hier ... das hier ist alles, was wir haben. Wir kennen keine andere Welt. Wir können in keiner anderen Welt leben.«

»Eigentlich hat er recht«, knurrte Gurk. »Ein Umzug würde sich kaum noch lohnen.«

Charity brachte ihn mit einer raschen Geste zum Verstummen und trat einen Schritt auf Stark zu, blieb aber wieder stehen, als sie die Blicke der anderen registrierte. Es lag noch immer Ehrfurcht und Staunen darin, aber jetzt auch eindeutig Angst. Und etwas, das sie im ersten Moment für Zorn hielt, bis sie begriff, daß es in Wahrheit nichts anderes als Enttäuschung war. Enttäuschung und eine unendlich tiefe Verzweiflung. Diese Menschen hier hatten auf einen Retter gewartet, seit sie auf die Welt gekommen waren. Und jetzt war Charity gekommen. Die Legenden, von denen sie alle insgeheim gewußt hatten, daß sie nichts anderes als Legenden waren, waren wahr geworden, aber Charity kam nicht als Retterin, sondern als Todesbotin. »Bitte, Stark«, sagte sie beinahe flehend. »Ich weiß, was Sie fühlen. Aber wir müssen es wenigstens versuchen. Was Gurk gesagt hat, ist wahr. Aber ... aber es gibt immer einen Ausweg. Solange wir noch am Leben sind, werden wir kämpfen. Es muß ein Möglichkeit geben, es aufzuhalten.«

»Das ist es nicht«, sagte Stark leise. »Wir können nicht fort. Wir können nicht hier heraus. Es gibt nicht genug Schutzanzüge, damit alle die Tote Zone durchqueren können. Nur vier oder fünf. Die anderen würden ersticken.«

Charity schloß mit einem Seufzen die Augen. Es war einfach lächerlich, daß es nach allem vielleicht daran scheitern sollte, daß es einfach nicht genug Vakuumanzüge für dieses Dutzend Männer und Frauen gab. »Vier oder fünf«, sagte sie. »Das ist besser als nichts. Dann suchen Sie Ihre vier oder fünf besten Männer aus, die uns begleiten werden. Wie gehen und holen Anzüge für den Rest.«

»Es gibt nicht so viele«, sagte Stark. »Die Spinnen ...«

»Es gibt genug von diesen Anzügen an Bord«, unterbrach ihn Charity und strich mit einer Handbewegung über ihren eigenen Raumanzug. »Wir werden sie finden. French und ein paar von den anderen können sie zurückbringen. Er wird Ihnen zeigen, wie man sie anlegt.«

Starks Schweigen war Antwort genug. Trotzdem wiederholte Charity ihre befehlende Geste und sagte noch einmaclass="underline" »Sie müssen hier weg.«

»Aber wohin denn?« murmelte Stark, machte aber gleichzeitig mit der linken Hand ein Zeichen, auf das hin sich drei der jüngeren Männer in die transparenten Kunstfolien zu wickeln begannen, die die Bewohner des Hortes zu primitiven Raumanzügen umfunktioniert hatten.

Während sie darauf warteten, daß die drei, einer nach dem anderen, in der improvisierten Luftschleuse verschwanden, trat Gurk an ihre Seite und musterte abwechselnd sie und Frenchs Familie mit finsteren Blicken.

»Weißt du«, sagte er so leise, daß nur Charity seine Worte verstehen konnte, »so unrecht hat er gar nicht.«

Charity schwieg. Sie hatte keine Lust, mit Gurk zu reden. Tief im Innersten war sie sich sehr wohl klar darüber, daß alles, was sie jetzt noch taten, völlig umsonst war, und doch gehörte es zum Menschen und unterschied ihn vom Tier immer das Unmögliche zu versuchen.

Gurk fuhr nach einer kurzen Pause fort. »Dieser Stark hat recht, Charity. Sie können nirgendwo anders leben. Bringe sie zur Erde, und du tötest sie.«

Auch damit hat er recht, dachte Charity. Sie selbst empfand die niedrige Gravitation an Bord des Space Shuttles im Moment als angenehm, aber diese Leute hier hatten niemals die Anziehungskraft eines Planeten gespürt. Sie hatte ja selbst gesehen, wie sehr French unter der künstlichen Gravitation im Inneren der Orbit-Stadt gelitten hatte. Die Haut dieser Menschen hatte niemals Sonnenlicht gespürt. Sie hatten niemals saubere Luft geatmet. Und sie waren niemals mit Krankheitserregern in Berührung gekommen. Sie hätte die Aufzählung beliebig fortsetzen können, aber es lief immer wieder auf das eine hinaus - Gurk hatte recht. Diese Handvoll Menschen auf die Erde zu bringen bedeutete ihren sicheren Tod.

Sie sprach nichts von alledem aus, sondern wartete stumm, bis French als letzter in der Schleuse verschwunden war und sich das gepanzerte Luk wieder öffnete. Beinahe hastig schloß sie den Helm ihres Anzuges, quetschte sich in die winzige Kammer und wartete ungeduldig darauf, daß die Außentür aufschwang.