Выбрать главу

Sie besaßen jeder einen langen Umhang, der wegen der Hitze jedoch jeweils nur über der rechten Schulter geknöpft war, sodass er seitlich herabhing. Über dem Kettenpanzer trugen sie ihren Schwertgurt. Dazu hatte jeder ein Bündel bei sich und natürlich die beiden Speere sowie, am selben Gürtel, ein Messer an der dem Schwert gegenüberliegenden Seite.

Beata fand, ihr Trupp sehe aus, als sei er auf Draht. Von allen Soldaten hatten die Langspießträger hinten im dreiundzwanzigsten Regiment am besten ausgesehen. Sie boten einen prächtigen Anblick, die Männer wirkten in ihren Lanzenträgeruniformen geradezu elegant. Manchmal träumte sie von diesen Männern. Im Vergleich dazu wirkten die Frauen eher langweilig, obwohl sie die gleichen Uniformen trugen.

Weiter vorn erblickte Beata ein dunkles Etwas, das sich über der Grasebene erhob. Im Näherkommen fand sie, dass es aussah wie sehr altes Gestein. Ein Stück dahinter, näher bei ihnen, standen drei niedrige steinerne Gebäude. Die Dächer waren mit Schindeln gedeckt, möglicherweise aus Schiefer.

Beata durchfuhr ein ängstliches Ziehen, als sie dieses riesige, stumme, Ehrfurcht gebietende Etwas erblickte.

Das waren die Dominie Dirtch!

Die Dominie Dirtch waren das Einzige, was die Anderier von den Hakeniern übernommen hatten. Beata musste an die Lektionen denken, die sie darüber gelernt hatte, wie unzählige Anderier von Hakeniern mit diesen Waffen ermordet worden waren. Es waren Furcht erregende Waffen. Die vor ihnen sah ihrem Alter entsprechend aus, die Kanten waren mit der Zeit von Wind und Wetter und von den Abertausenden von Händen, die sie bedient hatten, rundgeschliffen worden.

Wenigstens dienten diese Waffen jetzt, unter der Kontrolle der Anderier, dem Frieden.

Captain Tolbert ließ sie zwischen den Gebäuden Halt machen. Oben auf der gewaltigen, glockenförmigen steinernen Dominie Dirtch konnte Beata Soldaten ausmachen. Auch in den Gebäuden befanden sich Soldaten. Der Trupp hier hatte den Posten monatelang besetzt gehalten und sollte durch Beatas Trupp ersetzt werden.

Captain Tolbert drehte sich zu ihnen um. »Das sind die Kasernen, eine für die Frauen und eine für die Männer. Sorgt dafür, dass es dabei bleibt, Sergeant Beata. Die anderen Gebäude werden für die Küche und zum Essenfassen gebraucht, für Versammlungen, Reparaturarbeiten und alles Übrige.« Er deutete auf das weiter entfernt gelegene Gebäude. »Das dort drüben ist das Depot.«

Er befahl ihnen zu folgen, als er weiterging. In ordentlichen Zweierreihen marschierten sie hinter ihm her, vorbei an der Dominie Dirtch. Sie ragte turmhoch über ihnen auf, dunkel und bedrohlich. Die drei Frauen und der eine Mann oben auf dem Fundament des glockenförmigen Teils sahen zu, wie sie vorüberzogen.

Ein kleines Stück vor der Dominie Dirtch ließ er anhalten und rühren und befahl ihnen, Aufstellung zu nehmen. Schulter an Schulter bildeten sie eine lockere Linie.

»Dies ist die Grenze. Die Grenze Anderiths.« Der Captain deutete auf das scheinbar endlose Grasland. »Das dort draußen ist die Wildnis. Dahinter liegen die Länder anderer Völker. Wir sind hier, um zu verhindern, dass diese anderen Völker kommen und uns unser Land wegnehmen.«

Beata spürte, wie ihre Brust vor Stolz anschwoll. Sie war es, die die anderische Grenze beschützte. Sie war dabei, Gutes zu tun.

»In den nächsten beiden Tagen werden ich und der hier stationierte Trupp euch alles beibringen, was ihr über die Bewachung der Grenze und die Dominie Dirtch wissen müsst.«

Er schritt die Linie ab, blieb vor Beata stehen und sah ihr in die Augen. Er lächelte stolz.

»Anschließend werdet ihr unter dem fähigen Kommando von Sergeant Beata stehen. Ihr werdet ihre und, sollte sie einmal nicht erreichbar sein, Corporal Marie Fauvels Befehle ausnahmslos befolgen.« Er deutete mit einer Handbewegung hinter sie. »Ich werde mir von dem Trupp, den ich zum dreiundzwanzigsten Regiment zurückführen werde, Bericht erstatten lassen und jeden Soldaten, der die Befehle seines Sergeanten nicht ausnahmslos ausgeführt hat, hart bestrafen.«

Er sah die gesamte Linie durchdringend an. »Merkt euch das. Merkt euch das, dass Sergeant Beata verpflichtet ist, sich ihres Ranges würdig zu erweisen. Versagt sie, erwarte ich, dass ihr darüber Bericht erstattet, sobald ich euch holen komme, wenn ihr an der Reihe seid, abgelöst zu werden.

Einmal alle zwei Wochen werden Nachschubkarren eintreffen. Haltet eure Vorräte in Ordnung und bedenkt, wie lange sie reichen müssen.

Eure oberste Pflicht ist es, die Dominie Dirtch zu warten und zu bedienen. In dieser Hinsicht bildet ihr die Verteidigung unseres geliebten Anderith. Oben von der Beobachtungsstation der Dominie Dirtch aus könnt ihr die Dominie Dirtch rechts und links von euch sehen. Sie erstrecken sich entlang der gesamten Grenze, um diese zu bewachen. Die diensthabenden Trupps werden nicht alle zur selben Zeit abgelöst, sodass ihr auf beiden Seiten stets erfahrene Soldaten haben werdet.«

»Sergeant Beata, sobald Euer Trupp ausgebildet ist und wir abziehen, wird es Eure Pflicht sein, dafür zu sorgen, dass Eure Soldaten auf der Dominie Dirtch Dienst tun und sich anschließend mit den Trupps zu beiden Seiten treffen, um mit ihnen sämtliche die Verteidigung betreffenden Dinge abzusprechen.«

Beata hob eine Hand an die Stirn und salutierte. »Jawohl, Captain.«

Er lächelte. »Ich bin stolz auf euch alle. Ihr seid gute anderische Soldaten, und ich weiß, ihr werdet eure Pflicht tun.«

Hinter ihnen ragte die schreckliche hakenische Mordwaffe in den Himmel, für die sie jetzt verantwortlich war, damit sie einem guten Zweck diente.

Beata spürte einen Kloß in der Kehle. Zum allerersten Mal in ihrem Leben war sie überzeugt, etwas Gutes zu tun. Sie lebte ihren Traum, und das war ein gutes Gefühl.

44

Der stämmige Soldat versetzte ihr mit der Stiefelseite einen Tritt in den Hintern. Sie hatte ihm, als er ansetzte, schnell ausweichen wollen, war aber nicht flink genug gewesen. Fest presste sie die Lippen gegen den stechenden Schmerz aufeinander.

Hätte wenigstens die Kraft ihrer Gabe funktioniert, dann hätte sie ihm gezeigt, wo es langgeht. Sie spielte mit dem Gedanken, ihren Stock zu benutzen, doch dann erinnerte sie sich an ihren Plan und verzichtete erst einmal darauf, Gerechtigkeit zu üben.

Mit ihren drei Kupfermünzen in ihrer Blechtasse rasselnd, zog Annalina Aldurren, vormals Prälatin der Schwestern des Lichts und für mehr als drei Viertel eines Jahrtausends die mächtigste Frau der Alten Welt, weiter, um die Soldaten am nächsten Lagerfeuer anzubetteln.

Wie die meisten Soldaten zeigte sich die nächste Gruppe, auf die sie bei ihrem Zug durch das Lager stieß, anfänglich interessiert, da sie sie für eine Hure hielten. Ihr Verlangen nach weiblicher Gesellschaft ebbte allerdings rasch ab, als sie in den Kreis des Feuerscheins trat und ihnen ein breites, lückenhaftes Grinsen zeigte – oder zumindest, dank der Hilfe von ein wenig fettigem Ruß auf ein paar ausgewählten Zähnen, die Nachahmung eines solchen.

Tatsächlich wirkte alles zusammen recht überzeugend: die Lumpen, die sie in mehreren Lagen über ihr Kleid gestreift hatte, das dreckverschmierte, um den Kopf gewickelte Tuch – damit niemand auf den Gedanken kam, er könnte ihr lückenhaftes Feixen übersehen – und der Gehstock. Am unangenehmsten war der Stock; durch das Vortäuschen eines schlimmen Rückens war sie im Begriff, sich tatsächlich einen einzuhandeln.

Zweimal hatten Soldaten es sich in den Kopf gesetzt, ihre Unzulänglichkeiten angesichts des Frauenmangels ignorieren zu können. Zwar waren sie auf ihre wilde, brutale Art recht gut aussehend, sie hatte ihr Ansinnen dennoch höflich abgelehnt. Das Abweisen derart hartnäckiger Annäherungsversuche war nicht ganz ohne Blutvergießen abgegangen. Zum Glück fiel es im Durcheinander des Lagerlebens niemandem auf, wenn ein Mann ganz plötzlich mit aufgeschlitzter Kehle verschied. Ein solcher Tod warf bei Männern wie denen der Imperialen Ordnung nicht mal Fragen auf.