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Seine Augen jedoch waren das charakteristische, alptraumhafte Merkmal des Traumwandlers.

Sie hatten überhaupt kein Weiß, waren von einem dunklen Grau, das getrübt wurde von düsteren, dämmrigen Partikeln, und doch hatte Ann nicht den geringsten Zweifel, dass sein Blick genau auf sie gerichtet war.

Sie vermochte sich nicht vorzustellen, dass der Blick des Hüters höchstpersönlich hätte grauenerregender sein können.

»Wie ich sehe, haben wir Besuch.« Seine Stimme passte zu seinen Muskeln.

»Das Schwein kann sprechen«, sagte Ann. »Wie faszinierend.«

Jagang lachte; das Geräusch war alles andere als erfreulich.

»Ach, Schätzchen, was seid Ihr doch draufgängerisch. Georgie hier behauptet, Ihr seid die Prälatin höchstpersönlich. Ist das die Wahrheit, Schätzchen?«

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass alle Frauen im Zelt auf den Knien lagen und das Gesicht zu einer tiefen Verbeugung in den Staub gedrückt hatten. Ann konnte nicht behaupten, sie hätte kein Verständnis dafür, dass sie dem verstörenden Blick des Mannes nicht begegnen wollten.

Sie schenkte ihm ein liebenswürdiges Lächeln. »Annalina Aldurren, ehemals Prälatin der Schwestern des Lichts, zu Euren Diensten.«

Der tiefe Einschnitt zwischen seinen vortretenden Brustmuskeln vertiefte sich noch, als er die Hände zur Pose des Gebets aneinander legte und sich mit geheucheltem Respekt vor ihrem Rang vor ihr verbeugte.

»Kaiser Jagang, zu Euren Diensten.«

Ann stöhnte gereizt. »Nun, was darf es sein, Jagang? Folter? Vergewaltigung? Hängen, Köpfen oder Scheiterhaufen?«

Erneut stellte sich das schauerliche Grinsen bei ihm ein. »Sieh mal einer an, Schätzchen, als ob Ihr nicht wüsstet, wie man einen Mann in Versuchung führt.«

Er schnappte sich eine Handvoll Haare und riss Schwester Cherna hoch.

»Die Sache ist die, müsst Ihr wissen, ich besitze genug von diesen gewöhnlichen Schwestern, und ich besitze auch genug von der anderen Sorte, von denen, die sich dem Hüter verschworen haben. Ich muss gestehen, die anderen sind mir lieber.« Er zog eine Braue über seinem abstoßenden Auge hoch. »Sie können noch immer einen Teil ihrer Magie nutzen.«

Schwester Cherna traten vor Schmerz die Tränen in die Augen, als er ihre Kehle packte. »Aber ich besitze nur eine Prälatin.«

Schwester Chernas Füße schwebten deutlich mehrere Zoll über dem Boden. Sie bekam keine Luft, machte aber keinerlei Anstalten, sich zu wehren. Seine fürchterlichen Muskeln arbeiteten und glänzten im Schein der Kerzen.

Die Muskelstränge in seinem Arm spannten sich. Chernas Augen weiteten sich unter seinem immer fester werdenden Griff. Ihr Mund öffnete sich in stummer Angst.

»So«, meinte Jagang, an die anderen gewandt, »sie hat also alles bestätigt, was die Chimären betrifft? Und euch alles über sie erzählt?«

»Ja!«, brachten mehrere augenblicklich vor, sichtlich in der Hoffnung, er werde Schwester Cherna loslassen.

Alles nicht, überlegte Ann. Sollte Zedd jemals mit irgend etwas Erfolg haben, dann, hoffte sie, mit den Chimären.

»Gut.« Jagang ließ die Frau fallen.

Schwester Cherna brach zu einem Häuflein zusammen. Ihre Hände schnellten augenblicklich zum Hals, während sie nach Atem rang. Sie bekam keine Luft mehr, Jagang hatte ihr die Luftröhre zerquetscht. Ihre Finger griffen ins Leere; zu seinen Füßen liegend, begann sie blau anzulaufen.

Mit allerletzter Kraft schleppte sie sich in Anns Schoß. Ann streichelte der armen, verstümmelten Frau in einem Anflug hilflosen Mitgefühls über den Kopf.

Ann beteuerte Schwester Cherna mit leisen Worten ihre Liebe und Vergebung und wandte sich dann in einem stillen Gebet an den Schöpfer und die Gütigen Seelen.

Schwester Cherna klammerte sich unter quälenden Zuckungen dankbar um Anns Taille. Ann konnte nichts weiter tun als beten, der Schöpfer möge seinem Kind vergeben, während Schwester Cherna in ihrem Schoß röchelnd ihr Leben aushauchte. Schließlich erstarben ihre Bewegungen in der barmherzigen Erlösung des Todes.

Jagang stieß die Tote mit dem Fuß beiseite. Er packte die Kette um Anns Hals und riss sie mühelos mit einer Hand auf die Beine. Die wolkenartigen Partikel in seinen trüben Augen bewegten sich auf eine Weise, dass sich ihr der Magen umdrehte.

»Ich glaube, Ihr könntet mir ganz nützlich sein. Vielleicht reiße ich Euch die Arme aus und schicke sie Richard Rahl, und sei es nur, damit er Alpträume bekommt. Vielleicht kann ich Euch gegen etwas eintauschen, das einen gewissen Wert besitzt. Aber seid ganz unbesorgt, Prälatin, ich werde schon eine Verwendung für Euch finden. Ihr gehört jetzt mir.«

»Meine Existenz in dieser Welt könnt Ihr gerne haben«, meinte Ann mit grimmiger Entschlossenheit, »aber einer Seele könnt Ihr nichts anhaben. Dieses Geschenk des Schöpfers gehört mir und mir allein.«

Er lachte. »Eine hübsche Ansprache.« Er zog ihr Gesicht näher heran. »Die ich aber bereits kenne.« Er zog entzückt die Brauen hoch. »Ich glaube, jede der Frauen in diesem Zelt hat sie mir gehalten. Aber wisst Ihr, was, Prälatin? Heute haben sie Sie Lügen gestraft, seid Ihr nicht auch der Meinung? Sie haben Euch heute alle gemeinsam meiner Obhut anvertraut, obwohl sie hätten fliehen können. Zumindest hätten sie ohne Risiko für sich selbst Euer Leben retten können. Doch sie haben sich entschieden, Sklavinnen zu bleiben, obwohl Ihr ihnen die Freiheit angeboten habt.

Ich würde sagen, Prälatin, auch ihre Seelen gehören mir.«

»Im Tod ist Schwester Cherna zu mir gekommen, nicht zu Euch, Jagang. Sie hat Güte und Liebe gesucht, obwohl sie mich verraten hatte. Das, Kaiser, beweist die wahre Absicht einer Seele.«

»Wir sind ganz offenbar nicht einer Meinung.« Er zuckte mit den Achseln. »Was meint Ihr, töten wir doch die Übrigen, eine nach der anderen, und stellen wir fest, wem sie die Treue halten; am Ende zählen wir dann die Stimmen aus. Aus Gründen der Fairness sollten wir uns allerdings beim Töten abwechseln. Ich habe meine bereits umgebracht. Jetzt seid Ihr an der Reihe.«

Ann hatte für die Bestie nichts weiter als einen wutentbrannten Blick.

Er gab ein tiefes, aus dem Bauch kommendes Lachen von sich. »Nein? Seht Ihr, so sicher seid Ihr gar nicht, die Abstimmung der Seelen Eurer Schwestern zu gewinnen.«

Er wandte sich den Schwestern zu, die noch immer auf den Knien lagen. »Heute ist euer Glückstag, meine Lieben. Wie es scheint, hat die Prälatin eure Seelen aufgegeben.«

Sein finsterer Blick kehrte zu Ann zurück. »Übrigens, wahrscheinlich hofft Ihr, die Chimären könnten vertrieben werden. Diese Hoffnung haben wir gemeinsam. Ich habe Verwendung für Magie, aber wenn es sein muss, kann ich auch ohne sie gewinnen.

Sollten die Chimären vertrieben werden, wird Euch das allerdings nichts nützen. Die Handschellen, müsst Ihr wissen, sind mit einem Bann versehen, den meine anderen Schwestern ersonnen haben. Ihr wisst schon, welche. Die Schwestern der Finsternis. Wie Euch bekannt sein dürfte, verfügen sie über Subtraktive Magie, und die, meine liebe Prälatin, funktioniert noch immer. Ich wollte Euch nur keine falschen Hoffnungen machen.«

»Wie rücksichtsvoll von Euch.«

»Grämt Euch trotzdem nicht. Ich werde mir schon eine schöpferische Verwendung für Euch einfallen lassen.«

Er spannte seinen Arm. Seine nackten Schultern traten unter der Fellweste hervor. Seine Oberarmmuskeln waren mächtiger als die Taillen der meisten Frauen im Zelt.

»Fürs Erste jedoch, denke ich, seid Ihr mir bewusstlos am liebsten.«

Sie versuchte, ihre Kraft zu aktivieren, doch ihre Gabe sprach nicht auf ihre Bemühungen an.

Ann sah die Faust kommen, vermochte sie aber nicht aufzuhalten.

46

Zedd kratzte sich am Kinn und sah sich um: keine Menschenseele. Es war eine seltsame Gasse, eng und dunkel. Er nahm das kleine Gebäude an ihrem Ende in Augenschein. Das düstere Wohnhaus wirkte unbewohnt.