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Ein gutes Zeichen.

Zedd streichelte Spinne über die Nase. »Du wartest hier, verstanden? Warte hier auf mich.«

Die Stute warf den Kopf und wieherte zustimmend. Lächelnd kraulte Zedd ihr Ohr. Als Antwort drückte sie ihren Kopf gegen seine Brust und ließ ihn dort, als wollte sie ihm zu verstehen geben, es wäre ihr durchaus angenehm, wenn er ihr auch für den Rest des Nachmittags die Ohren kraulte.

Benannt nach dem spinnenförmigen schwarzen Mal auf ihrem cremefarbenen Hinterteil, hatte Spinne sich trotz des hohen Preises als vortrefflicher Kauf erwiesen. Sie war jung, kräftig, schäumte geradezu über vor Temperament, genoss es dahinzutraben und mochte ab und zu auch einen feurigen Galopp. Sie hatte ihn in bemerkenswert kurzer Zeit nach Toscia gebracht.

Seit seiner Ankunft hatte er gelernt, dass Toscia mittlerweile Anderith genannt wurde. Tatsächlich wäre Zedd um ein Haar von einem Mann vom Pferd gezogen worden, der ihn beschuldigte, er habe die alte Bezeichnung als Beleidigung benutzt. Glücklicherweise wusste Spinne nichts von der seltsamen Empfindlichkeit der Menschen gegen bloße Worte; sie war froh, auf und davon galoppieren zu können.

Zedd, der seine Gabe nicht nutzen konnte, deshalb verwundbar war und überdies sein Alter spürte, hatte sich bereits mit einer langen und beschwerlichen Reise zu Fuß durch die Wildnis abgefunden gehabt. Der Magie des Zufalls hatte er es zu verdanken, dass ihm am dritten Tag nach Verlassen des Dorfes der Schlammenschen ein Mann über den Weg lief, der sich als reisender Händler herausstellte. Da er häufig zwischen seinen Kunden pendelte, war der Mann mit mehreren Pferden unterwegs. Er konnte es sich leisten, bis zum Erreichen seines Zieles auf sein Ersatztier zu verzichten, besonders zu dem Preis, den Zedd ihm bot, und hatte sich von Spinne getrennt.

Die lange und überaus schwere Reise, mit der Zedd gerechnet hatte, erwies sich am Ende als bemerkenswert kurz und – solange er nicht über die Gründe nachdachte, die ihn nach Anderith geführt hatten – als ganz und gar nicht unerfreulich.

An der Grenze hatte man Zedd, der sich in die Schlange der Wartenden eingereiht hatte, zwischen Karren, Kaufleuten und Händlern aller Art passieren lassen. In seinem eleganten kastanienbraunen und schwarzen Gewand, mit den Silberbrokatstulpen und dem Goldbrokatstreifen an Kragen und Vorderseite sowie der goldenen Schnalle an dem roten Samtgürtel war es ihm nicht schwer gefallen, sich als Kaufmann auszugeben. Den Beamten an der Grenze erzählte er, er besäße weiter nördlich Obstgärten und sei auf dem Weg nach Fairfield, um Lieferverträge auszuhandeln.

Nach dem Aussehen der Soldaten zu schließen, denen er an der Grenze begegnete, setzten die Menschen in Anderith zu großes Vertrauen in die Dominie Dirtch. Es war lange her, seit er das ehemals Toscia genannte Land besucht hatte, damals jedoch wurde die Grenze von einer starken und gut ausgebildeten Armee gesichert, wie man sie sich besser kaum wünschen konnte. Inzwischen war die Armee so weit heruntergekommen, dass sie gegenwärtig nicht mehr darstellte als das wertlose Abschreckungsmittel naiven Selbstvertrauens.

Zedd sah, dass Spinne die Ohren auf das unbewohnt aussehende Haus am unteren Ende der Gasse richtete. Alle Muskeln des Tieres waren aufs Äußerste angespannt. Womöglich war ein Pferd in gewissen Dingen genauso gut, wie dies Teile seiner Magie gewesen wären. Der Gedanke behagte ihm nicht. Er wollte seine Magie zurück.

Nachdem er Spinne einen beruhigenden Klaps versetzt und sie abermals gebeten hatte, dort zu warten, begab Zedd sich die schmale Gasse hinunter. Hohe, mit Schindeln verkleidete Mauern zu beiden Seiten hielten den größten Teil des Lichtes fern. Ungeachtet dessen gedieh neben dem schmalen Fußweg eine Vielzahl von Kräutern. Viele der Kräuter, die Zedd dort wachsen sah, waren überaus lichtscheu, einige von ihnen zudem äußerst selten; normalerweise gaben sie im Licht ein Zischen von sich, jetzt jedoch wirkten sie angegriffen.

Zedd war peinlich darauf bedacht, auf jede der drei zur Tür hinaufführenden Stufen zu treten und ja keine auszulassen. Derart routinemäßige Versuche, unbemerkt zu bleiben, waren fehl am Platz, wenn dies tatsächlich der erhoffte Ort war. Ein flüchtiger Blick durch den Spalt im Vorhang verriet ihm, dass es drinnen stockdunkel war. Nirgendwo Augen, die ihn abschätzend gemustert hätten. Dennoch nahm er – wenn schon nicht mit Hilfe von Magie, dann doch zumindest aufgrund seines gesunden Menschenverstandes – stark an, dass sie vorhanden waren.

Ein letzter Blick über die Schulter auf Spinne, die aufmerksam dastand, die Ohren in seine Richtung gespitzt. Sie hob den Kopf, öffnete das Maul und wieherte. Zedd klopfte an.

Die Tür ging knarrend auf. Dahinter stand niemand.

»Herein«, ließ sich eine Stimme aus dem dahinterliegenden Dunkel vernehmen, »und sagt, was Euch hierher führt.«

Zedd trat in die Düsterkeit des finsteren Raumes. Durch den Schlitz im schweren Vorhang fiel nur wenig Licht, und die Helligkeit von der Tür schien schnell zu versickern, bevor sie sich weit ins Innere traute. Möbel konnte er keine erkennen, lediglich die Bodendielen, die sich im fernen Halbdunkel verloren, wo sie wartete.

Er drehte sich um, betrachtete den oberen Türrand und deutete mit knochigem Finger darauf.

»Ein netter Trick, das Seil, mit dem Ihr die Tür öffnet, während Ihr dort hinten bleibt. Sehr eindrucksvoll.«

»Wer seid Ihr, dass Ihr meinen Zorn herausfordert?«

»Euren Zorn herausfordern? Liebe Güte, nein. Das habt Ihr in den falschen Hals gekriegt. Ich bin hier, weil ich nach einer Hexenmeisterin suche.«

»Nehmt Euch mit Euren Wünschen in Acht, Fremder. Wünsche haben die unangenehme Eigenart, manchmal in Erfüllung zu gehen. Nennt Euren Namen.«

Zedd machte eine theatralische Verbeugung. »Zeddicus Z’ul Zorander.« Er neigte den Kopf zur Seite, um die Frau im Schatten mit einem Auge zu betrachten. »Und zwar der Oberste Zauberer Zeddicus Z’ul Zorander.«

Die Frau trat wankend ins Licht, einen erstaunten Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht. »Oberster Zauberer…«

Zedd setzte ein entwaffnendes Lächeln auf. »Franca Gowenlock, hoffe ich?«

Den Mund geöffnet, die Augen weit aufgerissen, war sie offenbar nur zu einem Nicken fähig.

»Sieh an, was Ihr gewachsen seid.« Zedd hielt seine Hand dicht unter seine Gürtellinie. »Ihr könnt unmöglich größer als so gewesen sein, als ich Euch das letzte Mal sah.« Sein bewunderndes Lächeln war aufrichtig. »Wie ich sehe, ist aus Euch ein überaus entzückendes Weibsbild geworden.«

Errötend hob sie ihre Hand und richtete ihr Haar. »Aber mein Haar ist längst ergraut.«

»Ein Hauch davon steht Euch sehr gut. Ganz bestimmt.«

Er meinte es ernst. Sie war tatsächlich eine attraktive Frau. Ihr beinahe schulterlanges Haar war nach hinten gebürstet, sodass ihre stolzen Züge aufs Vorteilhafteste zur Geltung kamen. Der Hauch von Grau an ihren Schläfen unterstrich ihre reife Schönheit nur.

»Und Ihr…«

»Ja«, meinte er seufzend, »ich weiß. Ich bin nicht ganz sicher, wann genau es passiert ist, aber aus mir ist ein alter Mann geworden.«

Sie trat näher, während das Lächeln auf ihrem Gesicht immer breiter wurde, und machte, den Saum ihres schlichten braunen Kleides ausbreitend, einen Knicks.

»Es ist mir eine Ehre, Euch in meinem bescheidenen Zuhause willkommen zu heißen, Oberster Zauberer.«

Zedd fuchtelte mit seiner Hand. »Davon will ich nichts hören. Wir sind alte Bekannte. Einfach Zedd genügt mir völlig.«

Sie richtete sich wieder auf. »Also gut, dann eben Zedd. Ich kann kaum glauben, dass der Schöpfer meine Gebete so unmittelbar erhört hat. Ich wünschte nur, meine Mutter lebte noch und könnte Euch noch einmal sehen.«

»Sie war ebenfalls eine wunderschöne Frau. Mögen die Gütigen Seelen über ihr frommes Wesen wachen.«

Strahlend ergriff Franca sein Gesicht mit beiden Händen. »Und Ihr seht noch genauso gut aus wie in meiner Erinnerung.«