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Richard entfuhr ein Stoßseufzer. »Gut.« Ein weiterer deutlich vernehmbarer Seufzer, dann kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück. »Gut. Sie ist erst meine zweite Frau.«

»Was!« Zedd warf die Arme in die Höhe und wäre beinahe nach, hinten gekippt. Mit einem verärgerten Schnauben zog er seine Ärmel wieder herunter. »Was soll das heißen, sie ist erst deine zweite Frau? Ich kenne dich dein ganzes Leben, Richard, und ich weiß, außer Kahlan hast du noch niemanden geliebt. Warum in aller Schöpfung solltest du eine andere heiraten?«

Richard räusperte sich und wechselte einen gequälten Blick mit Kahlan. »Hör zu, das ist eine lange Geschichte, am Ende läuft es jedenfalls darauf hinaus, daß ich Nadine heiraten mußte, um in den Tempel der Winde zu gelangen und dadurch der Pest ein Ende zu bereiten. Demzufolge ist also Kahlan meine zweite Frau.«

»Nadine.« Zedd kratzte sich an seiner eingefallenen Wange. »Nadine Brighton? Diese Nadine?«

»Ja.« Richard stocherte im Staub herum. »Nadine … starb kurz nach der Hochzeitszeremonie.«

Zedd stieß ein leises Pfeifen aus. »Nadine war ein nettes Mädchen – sie wollte Heilerin werden. Das arme Ding. Ihre Eltern werden am Boden zerstört sein.«

»Ja, das arme Ding«, meinte Kahlan kaum vernehmbar.

Es war Nadines beharrlich ehrgeiziges Streben gewesen, sich Richard zu angeln, und dieser Ehrgeiz hatte nur wenige Grenzen gekannt. Unzählige Male hatte Richard Nadine in unmißverständlichen Worten klar gemacht, es sei nichts zwischen ihnen und daran würde sich auch niemals etwas ändern, und überdies wolle er, daß sie so schnell wie irgend möglich verschwinde. Zu Kahlans Erbitterung hatte Nadine daraufhin stets gelächelt und gemeint: »Was immer du willst, Richard« und weiter ihre Ränke geschmiedet.

Obwohl sie Nadine niemals etwas wirklich Schlimmes gewünscht hätte, schon gar nicht jenen fürchterlichen Tod, den sie gestorben war, brachte Kahlan es nicht fertig, Bedauern für diese hinterhältige Hure, wie Cara sie genannt hatte, an den Tag zu legen.

»Wieso bist du so rot im Gesicht?« fragte Zedd.

Kahlan hob den Kopf; Zedd und Ann sahen sie an.

»Nun ja…« Kahlan wechselte das Thema. »Augenblick mal. Als ich die drei Grußformeln aussprach, war ich gar nicht mit Richard verheiratet. Wir wurden erst nach unserem Eintreffen hier bei den Schlammenschen getraut.«

»Um so besser«, meinte Ann. »Das nimmt einen weiteren Trittstein aus dem Pfad der Grußformeln.«

Richard ergriff Kahlans Hand. »Das muß nicht unbedingt zutreffen. Als wir gezwungen waren, die Worte zu sprechen, um die Bedingungen für mein Betreten des Tempels zu erfüllen, sprachen wir die Worte in unserem Herzen, um behaupten zu können, wir seien aufgrund dieses Treuegelübdes getraut worden.«

»Manchmal funktioniert Magie, jedenfalls die Magie der Welt der Seelen, nach diesen doppelsinnigen Regeln.«

Ann verlagerte unangenehm berührt ihr Gewicht. »Wie wahr.«

»Aber wie ihr es euch auch immer zurechtlegt, damit wäre sie immer noch erst seine zweite Frau.« Zedd beäugte die beiden argwöhnisch. »Die Geschichte wird jedesmal komplizierter, sobald du nur den Mund aufmachst. Ich muß die ganze Chose hören.«

»Wir können dir vor unserer Abreise einen kleinen Teil davon erzählen. Sobald du in Aydindril ankommst, werden wir die Zeit haben, dir alles zu berichten. Aber jetzt müssen wir umgehend durch die Sliph zurückkehren.«

»Warum diese Hast, mein Junge?«

»Jagang wünscht sich nichts sehnlicher als die gefährliche Magie, die in der Burg der Zauberer aufbewahrt wird, in die Hände zu bekommen. Das wäre verhängnisvoll. Du wärst der beste Schutz für die Burg der Zauberer, Zedd, aber findest du nicht auch, daß Kahlan und ich bis dahin besser wären als nichts?«

»Jedenfalls waren wir dort, als Jagang Marlin und Schwester Amelia nach Aydindril schickte.«

»Amelia!« Ann schloß die Augen und preßte die Hände an ihre Schläfen. »Sie ist eine Schwester der Finsternis. Wißt ihr, wo sie sich zur Zeit aufhält?«

»Die Mutter Konfessor hat auch sie getötet«, meinte Cara hinten an der Tür.

Kahlan warf der Mord-Sith einen mißbilligenden Blick zu; Cara erwiderte ihn, grinsend wie eine stolze Schwester.

Ann öffnete ein Auge und linste zu Kahlan hinüber. »Das ist keine Kleinigkeit. Erst einen Zauberer, der seine Anweisungen von dem Traumwandler erhält, anschließend eine Frau, die die finsteren Fähigkeiten des Hüters selbst beherrscht.«

»Es war eine Verzweiflungstat«, meinte Kahlan. »Nichts sonst.«

Zedd pflichtete ihr mit einem kurzen, brummigen Lachen bei. »Verzweiflungstaten können sehr mächtige Magie enthalten.«

»Genau wie diese Geschichte mit dem Aussprechen der drei Grußformeln«, erwiderte Kahlan. »Eine Verzweiflungstat, um Richard das Leben zu retten. Was sind diese in den Grußformeln genannten Chimären? Warum warst du so besorgt?«

Zedd rutschte unruhig hin und her und versuchte eine bequemere Stellung auf seinem knochigen Hinterteil zu finden.

»Spricht die falsche Person ihre Namen aus, um ihre Hilfe herbeizurufen und dadurch zu verhindern, daß jemand die Linie überschreitet«, dabei tippte er auf die Linie der Huldigung, die die Welt der Toten darstellte, »könnte diese Person sie durch eine unglückliche Fügung in die Welt des Lebendigen zitieren, wo sie dann jenen Zweck erfüllen könnten, für den sie erschaffen wurden: der Magie ein Ende zu bereiten.«

»Sie saugen sie auf«, fügte Ann hinzu, »wie das ausgetrocknete Erdreich einen sommerlichen Regenschauer in sich aufsaugt. In gewisser Hinsicht handelt es sich um Wesen, jedoch keine lebendigen. Sie haben keine Seele.«

Zedds Gesichtszüge verzogen sich zu einer finsteren Miene, als er ihr nickend beipflichtete. »Bei den in den Grußformeln genannten Chimären handelt es sich um Kreaturen, die von der anderen Seite, der Unterwelt, heraufbeschworen wurden. Sie können die Magie in dieser Welt ausrotten.«

»Du meinst, sie würden diejenigen, die Magie besitzen, in die Enge treiben und töten?« fragte Kahlan. »Wie damals die Schattenwesen? Ihre Berührung wäre tödlich?«

»Nein«, meinte Ann. »Sie können töten und tun es auch, doch allein ihre Anwesenheit in dieser Welt, in der Zeit, würde genügen, um die Magie auszulöschen. Mit der Zeit würde jeder sterben, der für sein Überleben auf Magie angewiesen ist. Die Schwächsten zuerst, zuletzt sogar die Allerstärksten.«

»Du mußt wissen«, gab Zedd zu bedenken, »wir wissen nicht sehr viel über sie. Sie sind Waffen aus der Zeit des Großen Krieges, erschaffen von Zauberern mit mehr Macht, als ich zu begreifen vermag. Die Gabe ist nicht mehr das, was sie einmal war.«

»Angenommen, es gelänge den Chimären auf irgendeine Weise, in diese Welt zu gelangen und der Magie ein Ende zu bereiten«, wollte Richard wissen, »würden dann alle, die die Gabe besitzen, diese einfach verlieren? Wären zum Beispiel die Schlammenschen einfach nicht mehr imstande, Kontakt zu ihren Ahnenseelen aufzunehmen? Würden die Geschöpfe der Magie aussterben, und das wäre es dann? Und übrig blieben nur ganz normale Menschen, Tiere, Bäume und dergleichen mehr? So wie dort, wo ich aufgewachsen bin, in Westland, wo keine Magie existiert?«

Kahlan konnte das schwache Poltern des Gewitterdonners unter sich im Boden spüren; der Regen trommelte unablässig weiter. Das Feuer im Kamin bekundete seine Feindseligkeit gegenüber seinem flüssigen Widersacher mit einem Zischen.

»Das können wir nicht beantworten, mein Junge. Es gibt kein Beispiel, auf das wir uns berufen könnten. Die Kompliziertheit der Welt übersteigt unser Begriffsvermögen. Allein der Schöpfer weiß, wie alles ineinandergreift.«

Der Schein des Feuers warf harte, kantige Schatten über Zedds Gesicht, als er mit unbarmherziger Überzeugung fortfuhr. »Ich fürchte jedoch, es könnte sehr viel schlimmer kommen, als du es ausmalst.«

»Schlimmer? Wieso denn schlimmer?«

Zedd strich sich übertrieben pingelig das Gewand an den Hüften glatt und ließ sich mit seiner Antwort Zeit.