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Beata streckte eine Hand aus. »Dies, Lord Rahl, ist die Dominie Dirtch.« Beata hätte gerne auch die Frau mit Namen angesprochen, doch der war ihr entfallen und fiel ihr beim besten Willen nicht mehr ein.

Lord Rahls Blick wanderte über die riesige, glockenförmige Waffe aus Stein.

»Sie wurde vor Tausenden von Jahren von den Hakeniern als gegen die Anderier gerichtete Mordwaffe erschaffen«, erläuterte Beata, »jetzt jedoch dient sie stattdessen dem Frieden.«

Die Hände locker hinter dem Rücken verschränkt, unterzog Lord Rahl die unzähligen Tonnen Gesteins, aus denen die Dominie Dirtch bestand, einer eingehenden Untersuchung. Sein Blick erfasste jede Feinheit auf eine Weise, wie Beata noch niemanden sie hatte betrachten sehen. Fast erwartete sie, er würde zu ihr sprechen, und die Dominie Dirtch würde antworten.

»Und wie soll das möglich gewesen sein, Sergeant?«, fragte er, ohne sie anzusehen.

»Sir?«

Als er sich endlich zu ihr umdrehte, stockte ihr beim Anblick seiner grauen Augen der Atem.

»Nun, die Hakenier haben Anderith doch erobert, oder etwa nicht?«

Sie hatte Mühe, unter dem prüfenden Blick aus diesen Augen ein Wort hervorzubringen. »Ja, Sir.« Es war kaum mehr als ein Krächzen.

Er deutete mit dem Daumen nach hinten auf die steinerne Glocke. »Und diese Eindringlinge sind also mit den Dominie Dirtch auf den Rücken gebunden herangeritten gekommen, oder wie denkt Ihr darüber, Sergeant?«

Beata fingen die Knie an zu zittern. Wenn er ihr doch wenigstens keine Frage stellen würde. Wenn er sie einfach nur in Frieden lassen, weiter nach Fairfield reiten und mit den wichtigen Leuten dort sprechen würde, die eine Antwort auf diese Frage wussten.

»Sir?«

Lord Rahl drehte sich um und deutete auf die vor ihm in die Höhe ragenden Steine. »Diese Waffen wurden ganz offenkundig nicht hierhergebracht, Sergeant. Dafür sind sie zu groß. Und es sind zu viele. Sie müssen hier, an Ort und Stelle, errichtet worden sein, zweifellos mit Hilfe von Magie.«

»Aber als die hakenischen Mörder über dieses Land herfielen…«

»Sie sind nach außen gerichtet, Sergeant, auf etwaige Eindringlinge, nicht nach innen, auf das Volk der Anderier. Sie wurden eindeutig als Verteidigungswaffen erbaut.«

Beata musste schlucken. »Aber uns hat man beigebracht…«

»Man hat Euch eine Lüge beigebracht.« Er wirkte entschieden unglücklich über das, was er hier sah. »Dies ist eindeutig eine Waffe zur Verteidigung.« Er spähte zu den Dominie Dirtch auf beiden Seiten hinüber und musterte sie mit einem kritischen Blick. »Sie funktionieren im Verbund. Sie wurden als Verteidigungslinie hier aufgestellt und waren niemals ein für den Angriff gedachtes Kriegsgerät.«

Wie er dies sagte, fast mit einem Ton des Bedauerns, hatte Beata keinesfalls den Eindruck, als wollte er jemanden kränken. Er schien einfach auszusprechen, was ihm in den Sinn kam, während er sich selbst klar darüber wurde.

»Aber die Hakenier…«, wandte Beata kaum lauter als ein Flüstern ein.

Lord Rahl wartete höflich ab, ob sie ein Argument vorzubringen hätte. Ihr drehte sich der Kopf vor verwirrenden Gedanken.

»Ich bin nicht sehr gebildet, Lord Rahl. Ich bin nur eine Hakenierin und von Natur aus verdorben. Verzeiht mir, dass meine Ausbildung nicht ausreicht, um Eure Fragen besser zu beantworten.«

Er seufzte schwer. »Man braucht keine Ausbildung, Sergeant Beata, um zu erkennen, was man unmittelbar vor Augen hat. Benutzt Euren Verstand.«

Beata verstummte, unfähig, dem Gespräch eine einvernehmliche Wende zu geben. Dies war ein bedeutender Mann. Sie hatte einiges über Lord Rahl gehört, was für ein mächtiger Mann er sei, ein Magier, in dessen Macht es stand, den Tag zur Nacht zu machen und oben nach unten zu kehren. Er regierte nicht einfach nur ein einzelnes Land, wie der Minister für Kultur und der Herrscher, sondern herrschte über das geheimnisvolle Reich D’Hara und war derzeit im Begriff, die gesamten Midlands auf seine Seite zu ziehen.

Aber er war auch mit der Mutter Konfessor verheiratet. Beata war der Blick in den Augen der Mutter Konfessor nicht entgangen, als sie Lord Rahl angesehen hatte. Beata hatte diesem Blick entnommen, dass die Frau diesen Mann liebte und respektierte. Das war nicht zu übersehen.

»Ihr solltet auf ihn hören«, meinte die schwangere Frau. »Er ist außerdem der Sucher der Wahrheit.«

Beata fiel der Unterkiefer herunter. Sie fing an zu sprechen, bevor ihre Angst sie mundtot machen konnte. »Heißt das, das ist das Schwert der Wahrheit, Sir, das Ihr tragt?«

Ihr schien es eine ganz gewöhnliche Waffe zu sein, die sich kaum von der ihren unterschied, nichts weiter als eine schwarze, lederne Scheide und ein mit Leder umwickelter Handgriff.

Er sah an sich herab, zog die Waffe ganz aus der Scheide und ließ sie wieder zurückfallen. Sein Gesicht bekam einen mutlosen Zug.

»Das hier? Nein – das ist nicht das Schwert der Wahrheit. Ich habe es im Augenblick – nicht bei mir.«

Beata brachte nicht den Mut auf zu fragen, warum nicht. Sie hätte gern einen Blick auf das echte Schwert geworfen. Es besaß Magie. Das wäre ein Ding gewesen, wenn sie – und nicht Snip – einen Blick auf das Schwert der Wahrheit erhascht hätte, an das er so oft dachte. Dank ihrer Zugehörigkeit zur Armee und ihrer Verantwortung für eine Dominie Dirtch erlebte sie weit mehr, als er jemals erleben würde.

Lord Rahl hatte sich wieder der hoch aufragenden Waffe zugewandt. Er schien alles um sich herum zu vergessen, als er sich auf den flechtenüberwucherten Stein vor ihm konzentrierte. Er stand da, ebenso reglos wie der Stein. Fast schien er eins mit ihm zu werden.

Er streckte eine Hand aus und wollte die Dominie Dirtch berühren.

Die Frau fasste sein Handgelenk und hielt ihn zurück.

»Nein, mein Gemahl. Fass dieses Ding nicht an. Es ist…«

Lord Rahl wandte sich um, sah ihr in die Augen und beendete ihren unvollendeten Satz. »Böse.«

»Du spürst es also auch?«

Er nickte.

Natürlich war es böse, wollte Beata sagen; es war von Hakeniern gemacht.

Beata runzelte verwirrt die Stirn. Die Frau hatte ihn ›Gemahl‹ genannt, dabei hatte doch die Mutter Konfessor behauptet, Lord Rahl sei ihr Gemahl.

Lord Rahl sah seine Truppen anrücken und lief die Treppe, zwei Stufen auf einmal nehmend, hinunter. Die Frau erfasste die Dominie Dirtch mit einem letzten Blick, dann folgte sie ihm.

»Gemahl?« Beata konnte nicht widerstehen, die schwangere Frau danach zu fragen.

Das Kinn emporgereckt, wandte diese sich zu Beata um. »Ganz recht. Ich bin die Gemahlin von Lord Rahl, dem Sucher, dem Caharin, von Richard.«

»Aber – aber die Mutter Konfessor sagte doch…«

Die Frau zuckte mit den Achseln. »Ja, wir sind beide seine Gemahlinnen.«

»Beide. Er hat zwei …?«

Die Frau begann die Stufen hinabzusteigen. »Er ist ein wichtiger Mann. Er darf mehr als eine Gemahlin haben.« Sie blieb stehen und sah sich noch einmal um. »Ich hatte früher fünf Ehemänner.«

Beata sah der Frau mit großen Augen nach, als diese die Treppe hinunter verschwand. Die morgendliche Luft erzitterte unter dem Anrücken der berittenen Soldaten. Derart grimmig aussehende Soldaten hatte Beata sich nicht einmal vorzustellen vermocht. Sie war dankbar für ihre Ausbildung: Captain Tolbert hatte ihr erklärt, mit ihrer Ausbildung könne sie Anderith gegen jeden verteidigen, selbst gegen Männer wie diese.

»Sergeant Beata«, rief Richard zu ihr herauf.

Beata trat an das Geländer vor der Glocke. Er war auf dem Weg zu seinem Pferd unten vor der Vorderseite stehen geblieben und drehte sich um. Die Mutter Konfessor griff soeben nach den Zügeln, sie hatte bereits einen Fuß im Steigbügel.

»Ja, Sir?«

»Ich nehme an, Ihr habt dieses Ding nicht vor etwa einer Woche angeschlagen?«