Выбрать главу

»Nein Sir, haben wir nicht.«

Er drehte sich um zu seinem Pferd. »Danke, Sergeant.«

»Aber es ist vor einer Woche von allein erklungen.«

Lord Rahl erstarrte, die schwangere Frau wirbelte herum. Die Mutter Konfessor, bereits halb aufgesessen, ließ sich wieder vom Pferd gleiten.

Beata lief die Stufen hinunter, um die entsetzlichen Einzelheiten nicht von oben hinunterrufen zu müssen. Die Übrigen aus ihrem Trupp hatten sich aus Angst, diesen bedeutenden Personen im Wege zu stehen, bereits hinter die Dominie Dirtch zurückgezogen, aus Angst, wie Beata vermutete, die Mutter Konfessor könnte sie mit einem Blick in Flammen setzen. Beata fürchtete sich noch immer vor dieser Frau, doch hatte ihre Angst ein wenig von ihrer Heftigkeit verloren.

Lord Rahl pfiff zu den Soldaten hinüber und forderte sie mit den Armen rudernd auf, sich beim Passieren der Dominie Dirtch zu beeilen und die Gefahrenzone zu verlassen, sollte die Dominie Dirtch abermals von selbst erklingen. Hunderte berittener Soldaten galoppierten zu beiden Seiten an ihr vorbei, während er die Mutter Konfessor und die Schwangere gemeinsam mit dem anderen Mann eilig um den steinernen Sockel herum geleitete.

Als die Frauen endlich in Sicherheit waren, packte er Beata bei der Schulter ihrer Uniform und riss sie zum Schutz zurück, fort von der Vorderseite der Dominie Dirtch. Sie nahm, größtenteils aus Angst, vor ihm starr Haltung an.

Sein Blick verfinsterte sich auf eine Art, die Beatas Knie erzittern ließ. »Was ist passiert?«, fragte er mit ruhiger Stimme, die klang, als könnte sie die Dominie Dirtch abermals zum Klingen bringen.

Die Mutter Konfessor war hinzugekommen und hatte sich neben ihn gestellt. Auf der anderen Seite stand seine schwangere Gemahlin.

»Nun ja, Sir, das wissen wir eben nicht.« Beata benetzte sich die Lippen. »Einer meiner Leute … Turner, er war…« Sie deutete hinter Lord Rahl. »Er war dort draußen auf Patrouille, als das Ding losging. Es war ein entsetzliches Geräusch. Einfach grauenhaft. Und Turner…«

Beata spürte, wie ihr eine Träne über die Wange kullerte. So sehr sie auch wünschte, dass dieser Mann und die Mutter Konfessor nicht mitbekamen, wie sie Schwäche zeigte, sie konnte diese Träne nicht unterdrücken.

»Das war spätnachmittags?«, fragte Lord Rahl.

Beata nickte. »Woher wisst Ihr das?«

Er überging die Frage. »Sie sind alle erklungen? Nicht nur die eine hier, sondern alle auf der gesamten Linie sind erklungen, nicht wahr?«

»Ja, Sir. Niemand weiß, warum. Später kamen einige Offiziere die Grenze entlang und haben sie überprüft, aber die konnten uns auch nichts sagen.«

»Gab es viele Opfer?«

Beata wich seinem Blick aus. »Ja, Sir. Einer meiner Männer und etliche andere, wie man mir berichtet hat. Karren mit Kaufleuten an der Grenze, Leute, die auf dem Weg zurück über die Grenze waren … alle, die sich draußen vor den Dominie Dirtch aufhielten, als sie erklang … Es war einfach grauenhaft. Auf diese Weise zu sterben…«

»Wir verstehen«, meinte die Mutter Konfessor voller Mitgefühl. »Euer Verlust tut uns Leid.«

»Dann hat also niemand eine Erklärung, weshalb sie erklungen sind?«, hakte Lord Rahl nach.

»Nein, Sir, zumindest hat niemand uns den Grund genannt. Ich habe mit den Trupps zu beiden Seiten, auf den Dominie Dirtch rechts und links neben uns, gesprochen, und bei ihnen war es genau das Gleiche; ihre sind ebenfalls von allein erklungen, aber kein Mensch weiß, warum. Die Offiziere, die vorüberkamen, wussten den Grund offenbar ebenfalls nicht, sonst hätten sie nicht uns gefragt, was passiert ist.«

Lord Rahl nickte, offenbar tief in Gedanken. Der Wind fuhr unter sein goldenes Cape. Die Mutter Konfessor strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht, die schwangere Gemahlin von Lord Rahl ebenfalls.

Lord Rahl deutete auf die übrigen Soldaten ihres Trupps. »Und das hier ist die gesamte Besatzung, die Euch für die Bewachung der Grenze zur Verfügung steht? Nur diese paar … Soldaten?«

Beata sah hinauf zu der Waffe, die über ihnen in die Höhe ragte. »Nun ja, Sir, für das Anschlagen der Dominie Dirtch ist nur eine einzige Person erforderlich.«

Er taxierte ein weiteres Mal den Rest ihrer Truppe. »Vermutlich. Danke für Eure Hilfe, Sergeant.«

Er und die Mutter Konfessor beeilten sich aufzusitzen. Beata und die beiden zu Fuß setzten sich zusammen mit den Übrigen ihrer Soldaten in Bewegung. Lord Rahl drehte sich zu ihr um.

»Verratet mir eins, Sergeant Beata, haltet Ihr mich – und die Mutter Konfessor – für weniger rechtschaffen als die Anderier? Haltet Ihr uns für von Natur aus verdorben?«

»Ganz und gar nicht, Sir. Nur Hakenier werden mit dem Makel einer verderbten Seele geboren. Wir können niemals so gut sein wie Anderier. Unsere Seelen sind verdorben und können niemals rein sein; ihre Seelen sind rein und können niemals verdorben sein. Wir können niemals vollständig geläutert werden; wir können bestenfalls darauf hoffen, unsere verruchte Natur im Zaum zu halten.«

Er blickte traurig lächelnd auf sie herab. Seine Stimme wurde sanfter. »Beata, der Schöpfer erschafft nichts Böses. Er würde Euch niemals eine verderbte Seele mitgeben. Ihr seid ebenso fähig, Gutes zu tun, wie jeder andere, und Anderier verfügen über eine ebenso große Fähigkeit, Böses zu tun, wie alle anderen auch.«

»Das hat man uns anders beigebracht, Sir.«

Sein Pferd warf den Kopf und tänzelte zur Seite. Es wollte endlich los, den anderen hinterher. Er beruhigte es mit einem Klaps auf seinen glänzenden braunen Hals, als spräche er zu dem Tier durch seine sanfte Hand.

»Wie gesagt, man hat Euch etwas Falsches beigebracht. Ihr seid ebenso gut wie alle anderen, Beata – Hakenier, Anderier, wer auch immer. Genau das ist unser Ziel in diesem Kampf: dafür zu sorgen, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten offen stehen.

Und seid vorsichtig mit diesem Ding, dieser Dominie Dirtch, Sergeant Beata.«

Beata salutierte mit der Hand an der Stirn. »Ja, Sir, das werde ich, ganz bestimmt.«

Er blickte ihr fest in die Augen und schlug sich als Antwort auf ihren Salut kurz mit der Faust auf sein Herz. Dann machte sein Pferd einen Satz und galoppierte den anderen hinterher.

Als Beata ihm nachblickte, wurde ihr bewusst, dass dieses Gespräch mit der Mutter Konfessor und Lord Rahl vermutlich das Aufregendste gewesen war, was ihr in ihrem gesamten Leben jemals widerfahren würde.

51

Bertrand Chanboor sah auf, als Dalton ins Zimmer trat. Bertrands Frau war ebenfalls anwesend, sie stand vor seinem reich verzierten Schreibtisch. Daltons und ihr Blick begegneten sich kurz. Er war etwas überrascht, sie dort zu sehen, vermutete jedoch, die Angelegenheit sei wichtig genug, um sich mit ihrem Gatten zu treffen.

»Nun?«, erkundigte sich Bertrand.

»Sie haben unsere Berichte bestätigt«, antwortete Dalton. »Sie haben sie mit eigenen Augen gesehen.«

»Und sie haben Soldaten dabei?«, wollte Hildemara wissen. »Das entspricht also auch der Wahrheit?«

»Ja. Die vorsichtigste Schätzung liegt bei etwa eintausend Mann.«

Einen leisen Fluch ausstoßend, trommelte sie mit einem Finger auf Bertrands Schreibtisch und dachte nach. »Und diese Trottel an der Grenze haben sie einfach unbekümmert durchgelassen.«

»Wir legen großen Wert auf eine derartige Armee, wie du dich erinnern wirst«, gab Bertrand zu bedenken und stand auf. »Schließlich haben sie auch unsere ›speziellen anderischen Gardeeinheiten‹ durchgelassen.«

»Den Leuten an der Grenze kann man keinen Vorwurf machen«, warf Dalton ein. »Sie konnten der Mutter Konfessor schlecht den Zutritt verwehren. Und der Mann kann niemand anderes gewesen sein als Lord Rahl persönlich.«

In einem Wutanfall schleuderte der Minister seine gläserne Schreibfeder fort. Sie glitt klirrend über den Fußboden, bevor sie an der gegenüberliegenden Wand zerschellte. Er trat ans Fenster, stützte sich auf das Fensterbrett und sah hinaus.

»Um der Schöpfung willen, Bertrand, reiß dich zusammen«, knurrte Lady Chanboor.

Er drehte sich mit zornesrotem Gesicht um und drohte seiner Frau mit dem Finger.