Kahlan nickte. »Vielleicht. Ich weiß, der Minister für Kultur pflegt seit langem eine Tradition von privaten Geldgebern – Geldverleihern, Kaufleuten und dergleichen –, die sie bei der Durchsetzung ihrer Ziele unterstützen. Eine Armee zu unterhalten ist immer kostspielig, selbst für ein reiches Land. Aber ich glaube, es steckt mehr dahinter, dass die Armee so heruntergekommen ist.«
»Also, was meinst du? Abstimmung oder Eroberung?«
Sie sah ihm in die Augen. »Ich bin immer noch gegen eine Abstimmung.«
»Du weißt, dass dabei Menschen zu Schaden kommen werden. Getötet werden. Unblutig wird es nicht abgehen. Wir werden gezwungen sein, ihre Soldaten zu töten – wie Sergeant Beata an den Dominie Dirtch. Es sind vielleicht kaum mehr als Kinder, trotzdem werden sie Widerstand leisten, wenn wir sie zu überwältigen versuchen, und dabei werden sie wahrscheinlich getötet werden.
Wir können ihnen unmöglich die Kontrolle der Dominie Dirtch überlassen, sondern müssen diese Waffen in unsere Gewalt bringen, wenn wir unsere Armee ins Land holen wollen. Auf keinen Fall können wir riskieren, dass unsere Soldaten von diesen Geräten abgeschlachtet werden.«
»Aber die Magie schwindet.«
»Sie sind erst vor etwas mehr als einer Woche erklungen. Wer sich draußen vor ihnen befand, wurde getötet, also funktionieren sie noch. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass sie versagen.
Das bedeutet: Entweder wir greifen an oder wir folgen dem Vorschlag des Ministers und lassen das Volk selbst über sein Schicksal entscheiden. Doch selbst wenn etwas schief gehen sollte, könnten wir möglicherweise noch immer auf einen Einsatz unserer Truppen zurückgreifen. Angesichts des hohen Einsatzes würde ich nicht zögern, nötigenfalls anzugreifen. Das Leben zu vieler anderer steht auf dem Spiel.«
»Das ist wahr. Auf diese Möglichkeit können wir immer zurückgreifen.«
»Aber es gibt noch etwas zu bedenken, vielleicht das Wichtigste überhaupt.«
»Und das wäre?«, fragte sie.
»Die Chimären. Deswegen sind wir hier, hast du das schon vergessen? Diese Geschichte, dass wir die Menschen selbst entscheiden lassen, könnte sich gegenüber den Chimären zu unserem Vorteil auswirken.«
Sie wirkte alles andere als überzeugt. »Wie das?«
»Wir müssen die Bibliothek durchstöbern. Finden wir, was wir brauchen, um den Chimären Einhalt zu gebieten – wie es Joseph Ander bereits einmal gelang –, dann können wir es tun, bevor es zu spät ist für die Magie. Du hast die Geschichte mit den Gambitmotten und allem Übrigen doch nicht vergessen, oder?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Und mit deiner Konfessorenkraft, mit Du Chaillus Magie, den Banden und all dem Übrigen. Für Jagang wäre es ein Leichtes, auch ohne Magie zu siegen; die Gefahr durch die Imperiale Ordnung würde nur noch zunehmen. Ohne Magie, die uns beschützt und uns zur Seite steht, sind wir nichts weiter als zwei ganz normale Menschen. Es gibt keinen gefährlicheren Ort als eine Welt ohne Magie.
Wenn wir sie vier Wochen lang hinhalten, gelingt es uns vielleicht, uns die nötigen Informationen über die Chimären zu beschaffen. Und das Herumreisen, um die Menschen davon zu überzeugen, sich uns anzuschließen, wäre die perfekte Tarnung unseres eigentlichen Tuns. Ich halte es für riskant, diesen Menschen zu erzählen, die Magie sei versiegt. Am besten, man lässt die Menschen darüber im Ungewissen.«
Richard beugte sich zu ihr. »Möglicherweise spielen die Chimären hierbei die wichtigste Rolle, Kahlan. Dadurch gewännen wir Zeit fürs Suchen. Ich denke, wir sollten uns darauf einigen, die Bevölkerung Anderiths abstimmen zu lassen.«
»Ich bin immer noch dagegen, aber wenn du es unbedingt versuchen willst…« Sie nahm ihren Nasenrücken zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich kann nicht glauben, dass ich dem zustimmen werde, aber ich verlasse mich auf dein Urteil, Richard. Schließlich bist du Lord Rahl.«
»Aber ich bin auf deinen Rat angewiesen.«
»Du bist auch der Sucher.«
Er lächelte. »Aber ich habe mein Schwert nicht.«
Kahlan erwiderte das Lächeln. »Du hast uns bis hierher gebracht.
Wenn du meinst, wir sollten es versuchen, dann mache ich mit, auch wenn mir nicht wohl dabei zumute ist. Trotzdem hast du Recht, was die Chimären anbetrifft. Das ist unsere oberste Pflicht. Dies wird uns helfen, eine Lösung gegen die Chimären zu finden.«
Richard war erleichtert, dass sie schließlich doch eingewilligt hatte; trotzdem beschäftigten ihn die Gründe für ihren Widerstand. Ihre Hand auf seinem Arm, kehrten sie zurück an die Ehrentafel. Der Minister, seine Gemahlin und Dalton erhoben sich.
»Wir stellen Bedingungen«, verkündete Richard.
»Die wären?«, fragte der Minister.
»Unsere Soldaten werden den gesamten Vorgang beaufsichtigen, um sicherzustellen, dass niemand betrügt. Alle werden zur selben Zeit abstimmen, damit niemand seine Stimme mehrmals an verschiedenen Orten abgeben kann. Die Menschen werden sich in den Städten und Ortschaften einfinden und dort ein Stück Papier mit einem Kreis für den Zusammenschluss mit uns markieren oder mit einem Kreuz dafür, dass sie ihr Los den grausamen Fängen des Schicksals überlassen. Unsere Männer werden Auszählung und Berichterstattung überwachen, damit wir sicher sein können, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist.«
Der Minister lächelte. »Ausgezeichnete Vorschläge. Ich bin mit jedem einzelnen einverstanden.«
Richard beugte sich zu dem Mann. »Und noch etwas.«
»Das wäre?«
»Abstimmen wird das gesamte Volk. Nicht nur Anderier, sondern auch Hakenier. Auch ihr Schicksal ist davon betroffen. Wenn es zu einer Abstimmung kommen soll, dann nur, wenn alle Einwohner Anderiths abstimmen.«
Lady Chanboor und Dalton Campbell sahen sich an. Der Minister breitete die Hände aus, während sein Lächeln immer breiter wurde.
»Aber selbstverständlich. Alle werden abstimmen. Dann sind wir uns also einig.«
53
Hildemaras Gesicht war aschfahl. »Jagangs Männer werden dir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, Bertrand, und ich werde mit Entzücken dabei zusehen. Meine einzige Sorge ist nur, dass du für mich ein ähnliches Schicksal ausersehen hast!«
Bertrand hob abwiegelnd die Hand. »Unsinn, meine Liebe. Vielmehr ist es mir gelungen, die Mutter Konfessor und Lord Rahl hinzuhalten, während Jagangs Truppen immer näher rücken.«
Diesmal neigte Dalton dazu, Hildemara Recht zu geben. Was immer man gegen sie vorbringen mochte, sie war eine brillante Strategin. Auf den ersten Blick sah es so aus, als würde das Volk, zumindest die Hakenier, sich eher für die Freiheiten des Reiches von Lord Rahl entscheiden, als sich freiwillig der Tyrannei der Imperialen Ordnung zu unterwerfen.
Dalton wusste aber auch, dass hinter Bertrands selbstzufriedenem Grinsen noch etwas anderes stecken musste. Der Mann verfügte über das unheimliche Geschick, Dinge kalt und taktisch zu berechnen, ohne sich gefühlsmäßig von dem gewünschten Ergebnis abhängig zu machen, was das Aufgehen der Gleichung gefährden würde. Bertrand sprang nur, wenn er wusste, dass er den Abgrund überbrücken konnte. Er sprang nicht einfach nur, weil er den Wunsch danach verspürte.
Dank seiner umfassenden Kenntnisse des Rechts wusste Dalton, dass nur wenige Waffen einen Widersacher so wirkungsvoll zur Bedeutungslosigkeit verdammen konnten, wie es die schlichte Taktik der Verzögerung vermochte. Er hoffte nur, dass Bertrand keine Waffe schwang, die statt dem Feind ihnen selbst zum Verhängnis wurde.
»Ich fürchte, Minister, das könnte schwierig werden. Es ist vollkommen richtig, Lord Rahl hinzuhalten, aber nur, wenn er dadurch keine Gelegenheit erhält, die Bevölkerung gegen die Imperiale Ordnung aufzuhetzen und stattdessen für sich zu gewinnen. Wenn es dazu kommt, können wir unsere Vereinbarungen nicht erfüllen. Wir befänden uns dann im Mittelpunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen.«