Выбрать главу

»Jawohl, Sir«, fügte Captain Meiffert sich ins Unvermeidliche. Er ging augenblicklich daran, seinen Männern Befehle zu erteilen, sie ausschwärmen zu lassen und einige auf Erkundungsgang zu schicken.

Richard wandte sich den beiden Boten zu, die von General Reibisch eingetroffen waren. »Richtet dem General aus, ich freue mich über sein schnelles Vorankommen sowie darüber, dass er glaubt, vor dem Eintreffen von Jagangs Truppen hier sein zu können. Richtet ihm des Weiteren aus, seine Befehle hätten unverändert Gültigkeit. Ich möchte, dass er weiterhin auf Distanz bleibt.«

Fast jeden Tag kamen und gingen Boten, die, um weniger aufzufallen, an verschiedenen Dominie Dirtch vorbei über die Grenze ins Land kamen. Richard hatte General Reibisch Order gegeben, hoch oben im Norden zu bleiben, ein gutes Stück jenseits der sich aus Spähern, Wachen und Spionen zusammensetzenden Vorposten Jagangs. Sollte es zum Kampf kommen, war Überraschung das wertvollste Mittel, das der d’Haranischen Armee zur Verfügung stand. Bis da hin stimmte der General ihm zu, trotzdem war er dagegen, Richard mit nur eintausend Mann auf potenziell gefährlichem Territorium allein zu lassen.

In seinen Briefen an den Mann hatte Richard erklärt, er habe zwar Verständnis für die Besorgnis des Generals, trotzdem müssten seine Truppen im Verborgenen bleiben, bis man sie rufe. Richard hatte den entsetzlichen und sinnlosen Tod in allen scheußlichen Einzelheiten geschildert, der sie an der Grenze erwartete, sollte die Armee versuchen, die Dominie Dirtch zu durchbrechen. Ohne Einwilligung des anderischen Volkes könnten sie es nicht wagen, sich als Streitmacht ihrer Grenze zu nähern.

Im Übrigen misstraute Richard Minister Chanboor. Der Mann redete zu aalglatt daher. Nicht die Wahrheit schliff einem die Zunge glatt, sondern das Lügen.

Die Dominie Dirtch glichen einem Spinnennetz, das darauf lauerte, jeden Unvorsichtigen einzufangen. Der Anschein einer mühelosen Eroberung konnte eine Falle sein, die die d’Haranischen Truppen in den Tod locken sollte. Mehr als alles andere fürchtete Richard, all die tapferen jungen Männer könnten vor den Dominie Dirtch niedergemetzelt werden, zumal ihm die Sinnlosigkeit eines solchen Opfers bewusst war. Sie würden in den Tod gehen, und die Dominie Dirtch stünden immer noch unverändert an ihrem Platz.

In einem Antwortschreiben hatte General Reibisch Richard zugesagt, gleich nach Einnehmen ihrer Stellungen im Norden ohne Pause Richtung Süden zu marschieren, sollte Richard dies verlangen, sich ansonsten aber nicht von der Stelle zu rühren, bis man sie rufe.

»Jawohl, Lord Rahl«, meinte der größere der beiden Boten und schlug sich mit der Faust aufs Herz. »Ich werde dem General Eure Worte ausrichten.« Die beiden schwenkten ihre Pferde herum und trabten die Straße hinunter davon.

Richard prüfte, ob Bogen und Köcher fest saßen, bevor er in den Sattel stieg. Als sie ihre Pferde den Pfad hinauf lenkten, ließ Kahlan Richard kurz ihr ganz besonderes Lächeln sehen. Richard wusste, dass auch sie erleichtert war, endlich allein zu sein, wenn auch nur für einen kurzen Ritt einen Nebenpfad hinauf.

Es war ermüdend, ständig Menschen um sich zu haben. Wenn sie sich bei den Händen hielten, waren stets Augen in der Nähe, die dies mitbekamen. Taten sie dies vor Leuten, während sie mit ihnen sprachen, konnte Richard an den Blicken ablesen, dass diese Neuigkeit innerhalb weniger Tage auf tausend offene Ohren stoßen würde.

Wenigstens zerrissen sich die Menschen über etwas Erfreuliches den Mund. Besser, sie tratschten über Lord Rahl und die Mutter Konfessor, zwei Verheiratete, die miteinander Händchen hielten, als über etwas Schreckliches.

Richard sah Kahlan im Sattel hin und her schaukeln, fasziniert von ihrem zur Taille hin immer schmaler werdenden Körper, dem üppigen Schwung ihrer Hüften. Er fand, dass sie so ziemlich die bezauberndste Figur besaß, die er je zu Gesicht bekommen hatte. Manchmal fand er die Vorstellung bemerkenswert, dass eine solche Frau ihn liebte, ihn, einen Mann, der in einem kleinen Dorf in Kernland auf gewachsen war.

Richard vermisste sein Zuhause. Vermutlich kamen diese Gefühle hoch, weil der Waldpfad den Berg hinauf ihn so sehr an altbekannte Orte erinnerte. Westlich jenes Gebietes, in dem er aufgewachsen war, gab es Hügel und Berge, eine entlegene Region, die den Wäldern und Bergen, in denen sie sich jetzt befanden, sehr ähnlich war.

Er wünschte, sie könnten auf einen Abstecher in seine Heimat in Kernland zurückkehren. Seit seinem Fortgang im vergangenen Herbst hatte er erstaunliche Dinge gesehen, doch vermutlich hing das eigene Herz an nichts so sehr wie an dem Ort, an dem man groß geworden war.

Als der Pfad an einem jähen Abgrund vorüberführte, der eine grandiose Aussicht gewährte, blickte Richard durch die Lücken zwischen den Berggipfeln hinüber nach Nordwesten. Wahrscheinlich waren sie seiner Heimat seit seinem Fortgang noch nie so nahe gekommen. Über ebendiese Berge waren sie in die Midlands gelangt, durch die damals noch existierende Grenze, an einem Ort namens Königspforte. Er lag nicht weit entfernt nordwestlich von hier.

Wie nahe sein Zuhause in Kernland auch sein mochte, die Verantwortungen, die gegenwärtig auf ihm lasteten, rückten es in weite Ferne.

Außer seiner Verantwortung als Lord Rahl und dem Umstand, dass alle auf ihn angewiesen waren, gab es noch Jagang, der die Neue Welt ebenso versklaven würde wie die Alte, wenn man ihm nur die geringste Gelegenheit dazu einräumte. Die Menschen waren in jeder Hinsicht von Richard abhängig, angefangen bei den Banden, die sie vor dem Traumwandler schützten, bis hin zu dem Zusammenschluss aller zu einer einzigen Streitmacht, die imstande wäre, Jagangs gewaltigen Armeen Widerstand zu leisten.

Bei genauer Betrachtung kam es ihm manchmal so vor, als lebte er das Leben eines anderen. Manchmal kam er sich vor wie ein Schwindler, als könnten die Menschen eines Tages aufwachen und sagen: »Augenblick mal, dieser Lord Rahl ist nichts als ein Waldführer namens Richard? Und wir hören auf ihn? Wir ziehen mit ihm in den Krieg?«

Und dann waren da noch die Chimären. Richard und Kahlan waren in die Geschichte mit den Chimären unentwirrbar verstrickt. Sie waren schuld daran, dass die Chimären sich in der Welt des Lebendigen aufhielten. Wenn auch unbeabsichtigt, hatten doch letztlich sie die Chimären des Todes in diese Welt gelockt.

Auf ihrer Reise quer durch Anderith, während der sie zu den Menschen sprechen wollten, waren ihnen Geschichten über seltsame Todesfälle zu Ohren gekommen. Offenbar genossen die Chimären ihren Aufenthalt in der Welt des Lebendigen sehr und hatten großen Spaß daran, Menschen umzubringen.

Die Menschen reagierten auf diese Bedrohung, indem sie auf alte abergläubische Vorstellungen zurückgriffen. Es gab Orte, an denen die Menschen zusammenkamen, um den bösen Seelen zu huldigen, die man auf die Welt losgelassen hatte. Opfergaben aus Speisen und Wein wurden auf Waldlichtungen oder brachliegenden Feldern zurückgelassen. Manche Leute waren der Überzeugung, die Menschheit habe moralische Grenzen überschritten und sei verdorben, und jetzt seien die rächenden Seelen vom Schöpfer geschickt worden, um die Welt zu bestrafen.

Manche ließen mitten auf der Straße Opfergaben aus Steinen zurück und schichteten noch größere Steinhaufen an Kreuzungen übereinander. Niemand konnte Richard den genauen Grund nennen, und die meisten reagierten gereizt, wenn er die alten Sitten und Gebräuche in Frage stellte. Einige stellten um Mitternacht verwelkte Blumen vor die Tür. Glücksbringer waren überaus gefragt.

Die Chimären töteten trotzdem.

Allein Kahlan machte all dies erträglich. Wegen ihr waren die Mühen des Kampfes auszuhalten, für sie würde er alles auf sich nehmen.

Kahlan hob einen Arm. »Gleich dort oben ist es.«

Richard stieg gemeinsam mit ihr ab. Die meisten Bäume waren Fichten oder Kiefern. Richard sah sich um, bis er einen jungen, silberblättrigen Ahornbaum gefunden hatte, und band die Zügel seines Pferdes an einen tief hängenden Ast. Wenn man die Zügel an Fichten oder Kiefern oder, noch schlimmer, an Balsamtannen befestigte, hatte dies oft verklebte Zügel zur Folge.