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Als er ein Schnauben vernahm, sah Richard auf. Nicht weit entfernt beobachtete sie, die Ohren gespitzt, eine Stute. Gras hing ihr zu beiden Seiten aus dem Maul, sie hatte jedoch aufgehört zu kauen.

»Hallo, altes Mädchen«, rief Richard.

Auf der Hut, warf das Pferd den Kopf zur Seite und trat ein paar Schritte zurück, um den Abstand zu vergrößern. Als Richard sich zu nähern versuchte, ging es noch weiter zurück, also blieb er stehen. Das Tier war von cremig-kastanienbrauner Farbe und hatte einen seltsam spinnenförmigen schwarzen Flecken auf dem Hinterteil. Als Richard es durch wiederholtes Rufen näher heranzulocken versuchte, machte es kehrt und lief davon.

»Was das wohl zu bedeuten hatte«, meinte er zu Kahlan.

Kahlan reichte ihm auffordernd die Hand; Richard ergriff sie.

»Ich weiß nicht. Vielleicht ist jemandem das Pferd weggelaufen. An unserer Gesellschaft scheint es jedenfalls nicht interessiert zu sein.«

»Vermutlich«, meinte Richard, während er sich von ihr führen ließ.

»Dies ist der einzige Weg dorthin«, erklärte sie, als sie parallel zum Seeufer gehend eine kleine Gruppe von Fichten passierten.

Den ganzen Tag über waren Wolken aufgezogen und hatten mit Unwettern gedroht. Jetzt, als sie auf einen erhöhten, am Ende der flachen Landzunge aus dem Boden ragenden Fels hinaustraten, rissen die sich auftürmenden Quellwolken auf, und die Sonne kam hervor.

Es war ein wundervoller Anblick, wie der warme Strahl des Sonnenlichts durch die bernsteinfarbenen Wolken brach und zwischen den Bergen hindurchfallend den still daliegenden See berührte. Auf der anderen Seite stürzte Wasser über eine vorspringende Felskante, einen wehenden Dunst in die warme Luft hochschleudernd, der über der goldenen Wasseroberfläche im Licht der Sonne glitzerte. Richard holte tief Luft und genoss den süßen Duft von Wald und See. Es war fast wie zu Hause.

»Hier ist es«, erklärte Kahlan. »Dort, noch weiter oben, liegt jene gottverlassene Gegend, wo die Pakapflanze wächst und die Gambitmotte lebt. Das klare Wasser hier stammt aus jenem giftverseuchten Gebiet.«

Die Luft schien im nachmittäglichen Licht zu flimmern. »Es ist wunderschön. Hier könnte ich für immer bleiben. Mir ist fast, als sollte ich neue Pfade auskundschaften.«

Eine Zeit lang standen sie Hand in Hand da und genossen die Aussicht.

»Richard, ich wollte dir nur sagen, dass ich während der letzten Wochen, in denen wir zu den Menschen hier in diesem Land gesprochen haben, wirklich stolz auf dich war. Stolz darauf, wie du den Menschen Hoffnung auf die Zukunft gegeben hast.

Was immer geschieht, ich möchte, dass du das weißt. Ich bin stolz darauf, wie du das geschafft hast.«

Er runzelte die Stirn. »Das klingt, als seist du von unserem Sieg nicht überzeugt.«

Sie zuckte mit den Achseln. »Das ist nicht so wichtig. Was sein wird, wird sein. Die Menschen tun nicht immer das, was richtig ist. Manchmal erkennen sie das Böse nicht. Manchmal entscheiden sich Menschen für das Böse, weil es ihnen gefällt, weil sie Angst haben oder glauben, etwas für sich selbst herausschlagen zu können.

Das Allerwichtigste ist, wir haben unser Möglichstes getan, und du hast den Menschen die Wahrheit vor Augen geführt. Du hast ihr Wohlergehen und ihre Sicherheit über alles andere gestellt. Wenn wir am Ende nicht siegen, dann haben wir wenigstens für die richtige Sache gekämpft. Du hast ihnen eine Chance gegeben, ihren Mut zu beweisen.«

»Wir werden siegen.« Richards Blick schweifte hinaus über das stille Wasser. »Die Menschen werden die Wahrheit erkennen.«

»Das hoffe ich.«

Er legte ihr den Arm um den Hals und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel, seufzte dann vor Freude über den Bergsee, über die Stille.

»Tief in den Bergen westlich der Region, wo ich aufgewachsen bin, gibt es Gegenden, in denen außer mir, glaube ich, noch nie jemand war. Orte, an denen das Wasser aus großer Höhe, höher noch als hier, von den Felsen herabstürzt und in der nachmittäglichen Luft Regenbogen bildet. Nach einem Bad in den kühlen Becken kann man es sich dort auf den Felsen hinter dem Wasserfall gemütlich machen und die Welt durch das herabstürzende Wasser betrachten.

Ich habe oft davon geträumt, dich mit dorthin zu nehmen.«

Kahlan wickelte eine Haarlocke um ihren Finger. »Eines Tages, Richard, werden wir deine Lieblingsorte besuchen.«

Es widerstrebte Richard, als sie dort dicht beieinander standen und den Wasserfall betrachteten, den Zauber dieses Traumes zu brechen, schon gar nicht, um über ihr Vorhaben zu sprechen, schließlich tat er es aber doch.

»Und warum wird dieser Ort nun ›die Öfen‹ genannt?«

Kahlan deutete mit dem Kinn über den See. »Hinter dem Wasserfall gibt es eine warme Höhle. Manchmal ist es dort sogar heiß, hat man mir erzählt.«

»Ich frage mich, wieso Joseph Ander diesen Ort erwähnt hat.«

Kahlan legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Vielleicht wusste sogar Joseph Ander einen wunderschönen Ort zu schätzen.«

»Vielleicht«, murmelte er, während er die Landschaft nach einem Anhaltspunkt dafür absuchte, warum der Zauberer sich für diese Stelle interessiert haben könnte. Richard hatte weder eine hohe Meinung von Joseph Anders Sinn für diese Dinge, noch glaubte er, dass ihn die natürliche Schönheit wirklich hatte begeistern können. Der Mann ließ sich zwar ausführlich über die Schönheit der Natur aus, jedoch stets im Hinblick auf die geordnete Zusammensetzung einer Gesellschaft.

Richard fiel auf, dass alles Gestein der Berge ringsum von einem eigenartig grünlichen Grau war, bis auf das Gestein der Klippe auf der anderen Seite des Sees, wo sich der Wasserfall befand; dort war das Gestein dunkler, nicht sehr, aber doch eindeutig anders. Es enthielt mehr Grau als Grün, vermutlich weil das Gefüge des Granits schwarze Partikel enthielt, obwohl dies aus der Entfernung schwer auszumachen war.

Richard deutete quer über den See auf die Felswand, über die das Wasser in majestätischem Bogen kaskadenartig in die Tiefe stürzte.

»Schau dir den Felsen dort an und sag mir, was dir daran auffällt.«

Kahlan, deren weißes Mutter-Konfessor-Kleid im Sonnenlicht glühte, entsprach fast Richards Traumvorstellung von einer Gütigen Seele. Sie sah ihn verwundert an.

»Wie meinst du das? Es ist eben ein Felsen.«

»Ich weiß, aber sieh ihn dir genau an. Sag mir, was dir an ihm auffällt.«

Sie betrachtete erst die Klippe, dann wieder ihn. »Er ist riesengroß.«

»Nein, komm schon, ich meine es ernst.«

Kahlan seufzte und besah sich die Klippe eine Weile genauer. Sie blickte sich um und betrachtete die Berge, vor allem den nächsten etwas links von ihnen, der so deutlich am Rand des Wassers hervorsprang.

»Na ja«, meinte sie schließlich, »er ist dunkler als das Gestein der Berge ringsum.«

»Gut. Was fällt dir sonst noch an ihm auf?«

Sie betrachtete die Felswand noch etwas länger. »Die Farbe ist ungewöhnlich. Ich hab sie irgendwo schon einmal gesehen.«

Plötzlich sah sie ihn an. »Bei den Dominie Dirtch.«

Richard schmunzelte. »Genau das denke ich auch. Die Dominie Dirtch weisen dieselbe Färbung auf wie der Fels dort drüben, die Berge ringsum dagegen nicht.«

Sie runzelte ungläubig die Stirn. »Willst du damit sagen, die Dominie Dirtch wurden aus diesem Fels gehauen – hier, hoch oben in den Bergen – und anschließend den weiten Weg bis zu ihrem heutigen Standort transportiert?«

Richard zog die Schultern hoch. »Ich schätze, das wäre möglich, auch wenn ich nicht viel über den Transport von Steinmetzarbeiten in diesem Ausmaß weiß. Ich habe mir die Dominie Dirtch genau angesehen; sie schienen aus einem einzigen Fels geschlagen zu sein. Zusammengesetzt waren sie nicht, jedenfalls nicht die eine, die wir gesehen haben.«

»Und … weiter?«

»Joseph Ander war ein Zauberer, und die Zauberer aus seiner Zeit waren zu Dingen fähig, die selbst Zedd erstaunlich fände. Vielleicht hat Joseph Ander diesen Fels einfach als Ausgangspunkt benutzt.«