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Dalton fragte sich, ob er Stein zu etwas mehr Entgegenkommen zwingen konnte. »Das klingt, als hätten wir ein ernst zu nehmendes Problem.«

Stein sah auf. »Wieso?«

Dalton breitete in einer Geste gespielter Verwirrung die Hände aus. »Wenn Magie als Waffe nicht mehr taugt, dann sind die Dominie Dirtch, in die wir alle so viel Vertrauen gesetzt haben, nutzlos und alle unsere Pläne zum Scheitern verurteilt. Ich würde das durchaus als ernst zu nehmendes Problem bezeichnen.«

Stein nahm seine Füße von Daltons Schreibtisch und schob das Messer in seine Scheide zurück. Einen Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt, beugte er sich vor.

»Kein Grund zur Sorge. Seht, die Sache ist die: Der Kaiser hat nach wie vor die Kontrolle über seine Schwestern der Finsternis, deren Magie arbeitet für ihn. Ihren Berichten zufolge gab es jedoch einen Zwischenfall. Soweit ich weiß, ist irgend etwas mit der Magie schief gegangen, wodurch die Kraft derer auf Seiten Lord Rahls versiegt ist.

Jagang hat erfahren, dass Lord Rahl nicht mehr von Magie unterstützt wird. Seine Magie wird versiegen, der Mann ist unseren Klingen hilflos ausgeliefert – oder wird es zumindest sehr bald sein.«

Dalton war jetzt ganz bei der Sache. Wenn es stimmte, änderte das alles. Es würde bedeuten, dass er all seine Pläne gleichzeitig und in vollem Umfang durchführen konnte. Es würde bedeuten, dass er alle nötigen Maßnahmen ergreifen konnte, ohne sich um die Reaktionen oder gar Vergeltungsmaßnahmen von Lord Rahl sorgen zu müssen.

Noch besser, Lord Rahl und die Mutter Konfessor wären gezwungen, einen noch größeren Teil ihrer Hoffnungen auf die Abstimmung zu setzen, während Dalton gleichzeitig, ohne ihr Vorgehen befürchten zu müssen, ihre Niederlage sicherstellte.

Vorausgesetzt, es stimmte, dass die Magie versiegte.

Dalton wusste einen Weg, das herauszufinden.

Aber zuerst war es an der Zeit, dem kränkelnden Herrscher einen Besuch abzustatten. Die Zeit zum Handeln war gekommen. Er würde es noch diesen Abend tun, vor dem für den nächsten Tag angesetzten Fest.

So hungrig Ann auch war, sah sie dem Gefüttertwerden keinesfalls mit Freude entgegen.

Es war lange her, dass man sie am Boden angepflockt und das schmutzige Zelt um sie herum errichtet hatte, daher wusste sie, es würde bald so weit sein. Jeden Augenblick erwartete sie, dass ein stämmiger Soldat der Imperialen Ordnung mit Brot und Wasser für sie hereingestürzt käme. Was aus Schwester Alessandra geworden war, wusste sie nicht; Ann hatte die Frau seit gut einer Woche nicht mehr gesehen.

Den Soldaten war es unangenehm, eine alte Frau füttern zu müssen. Vermutlich machten sich ihre Kameraden über ihre häuslichen Pflichten lustig. Gewöhnlich kamen sie herein, hielten ihren Kopf fest und steckten ihr das Brot in den Mund, schoben es mit ihren ungeschlachten, schmutzigen Fingern hinein, als wollten sie eine Gans zum Braten stopfen. Während Ann noch damit beschäftigt war, die trockene Masse zu kauen und herunterzuschlucken, bevor sie daran erstickte, gingen sie gewöhnlich bereits dazu über, Wasser hinterherzuschütten, um das Brot hinunterzuspülen.

Es war eine entwürdigende Behandlung, auf die Ann jedoch keinerlei Einfluss hatte. So gerne sie aß, mittlerweile befürchtete sie, das Essen könnte sie ins Grab bringen.

Einmal hatte der Soldat, der sie hatte füttern sollen, das Brot einfach auf die Erde geworfen und eine Schale mit Wasser danebengestellt, als wäre sie ein Hund. Er schien stolz darauf zu sein, ihr auf diese Weise seine Missachtung gezeigt und sich gleichzeitig auch noch eine Menge lästiger Arbeit erspart zu haben.

Er war sich dessen nicht bewusst, aber Ann war diese Methode weitaus lieber. Nachdem er seinen Spaß gehabt hatte und wieder verschwunden war, hatte sie sich auf die Seite fallen lassen, war herangerutscht und hatte das Brot in ihrem eigenen Tempo essen können, selbst wenn sie auf den Luxus, den Schmutz abzuwischen, verzichten musste.

Die Zeltöffnung wurde zurückgeschlagen, eine dunkle Gestalt trat ins Innere, die dahinter liegenden Lagerfeuer verdeckend. Ann fragte sich, welche Methode wohl an der Reihe sei: Mastgans oder Hund, der vom Boden frisst. Zu ihrer Überraschung war es Schwester Alessandra mit einer Schale, aus der es nach Suppe mit Wurst duftete. Sie hatte sogar eine Kerze dabei.

Schwester Alessandra drückte die Kerze neben sich in den Staub. Die Frau lächelte nicht. Sie sprach kein Wort und wich Anns Blick aus.

Im schwachen Schein der Kerze erkannte Ann, dass Alessandras Gesicht zerschunden und voller blauer Flecken war. Auf dem Wangenknochen unterhalb des linken Auges hatte sie eine hässliche Platzwunde, die jedoch bereits zu verheilen schien. Die vergleichsweise geringfügigen Verletzungen schienen unterschiedlichen Alters zu sein, von nahezu verheilt bis noch ganz frisch.

Ann brauchte nicht zu fragen, wie die Frau so zugerichtet worden war. Ihre Wangen und beide Seiten ihres Unterkiefers waren rot und wund von den Stoppeln zahlloser unrasierter Gesichter.

»Es beruhigt mich sehr zu sehen, dass du – lebst, Alessandra. Ich hatte große Angst um dich.«

Alessandra zog in gespielter Gleichgültigkeit die Schultern hoch. Sie vertat keine Zeit und führte einen dampfenden Löffel Wurstsuppe an Anns Mund.

Ann schlang ihn hinunter, bevor sie Gelegenheit hatte, den Geschmack zu genießen, so groß war ihr Hunger; doch schon das warme Gefühl in ihrem Bauch war ein Trost.

»Ich hatte um mich selber auch große Angst«, meinte Ann. »Wie sie das Essen in mich hineingestopft haben, hatte ich Angst, diese Männer würden mich umbringen.«

»Das Gefühl kenne ich«, meinte Alessandra kaum hörbar.

»Alessandra, ist alles – in Ordnung mit dir?«

»Mir geht es gut.« Sie schien sich an einen Ort zurückgezogen zu haben, wo es keine Gefühle gab.

»Dann bist du also nicht ernstlich verletzt?«

»Mir geht es besser als manchen anderen. Wenn wir – wenn wir verletzt werden, uns ein Knochen gebrochen wird oder Ähnliches, erlaubt uns Jagang, einander mit Magie zu heilen.«

»Aber das Heilen ist Additive Magie.«

Schwester Alessandra führte den Löffel an Anns Mund. »Deswegen habe ich ja auch Glück. Im Gegensatz zu manchen anderen habe ich mir nichts gebrochen. Wir haben versucht, ihnen zu helfen und sie zu heilen, aber es ging nicht. Also müssen sie leiden.« Sie blickte Ann in die Augen. »Eine Welt ohne Magie ist ein gefährlicher Ort.«

Ann war drauf und dran, die Frau daran zu erinnern, dass genau dies auch ihre Worte gewesen seien. Die Chimären seien auf freiem Fuß, und Magie – Additive Magie jedenfalls – werde nicht funktionieren.

Alessandra führte Ann einen weiteren Löffel zu und sagte: »Aber ich nehme an, genau das habt Ihr mir zu sagen versucht, Prälatin.«

Jetzt war es an Ann, mit den Schultern zu zucken. »Als man mich überzeugen wollte, die Chimären seien auf freiem Fuß, wollte ich es anfangs auch nicht glauben. Das haben wir beide gemeinsam. Ich würde sagen, bei deinem außergewöhnlichen Dickkopf, Schwester Alessandra, besteht die Hoffnung, dass du eines Tages Prälatin wirst.«

Alessandra musste, offenbar gegen ihren Willen, mit Ann zusammen schmunzeln.

Ann sah den Löffel mit einem Stück Wurst darin in der Schale verharren. »Seid Ihr wirklich völlig überzeugt gewesen, Prälatin, die Schwestern des Lichts würden Euch abnehmen, die Magie sei versiegt, und freiwillig mit Euch zusammen fliehen?«

Ann hob den Kopf und sah Alessandra in die Augen. »Nicht völlig, nein. Ich hoffte zwar, sie würden meinen Worten trauen, schließlich kannten sie mich stets als Frau, die die Wahrheit achtet. Trotzdem wusste ich, dass sie sich möglicherweise so sehr fürchteten und sich deshalb – ob sie mir nun glaubten oder nicht – weigern könnten mitzukommen.

Wer als Sklave einem Menschen oder einer Sache ausgeliefert ist, hält oft an seiner Abhängigkeit fest, sosehr er sie auch verabscheuen mag, nur weil er Angst hat, die Alternative könnte noch unerträglicher sein. Sieh dir einen Trinker an, einen Sklaven des Alkohols, der uns für grausam hält, weil wir ihn zwingen wollen, seine Abhängigkeit aufzugeben.«