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Bertrand beugte sich hinter Daltons Rücken vorbei, um Teresa voller Mitgefühl die Hand auf den Arm zu legen. »Sehr schön gesagt, meine Liebe. Sehr schön gesagt. Ihr habt die liebevollen Gefühle aller auf den Punkt getroffen.«

Bertrand setzte seinen schwermütigsten Gesichtsausdruck auf, als er sich von seinem Sessel erhob. Statt wie sonst üblich die Hand zu heben, stand er schweigend da, den Kopf gesenkt, die Hände vor dem Körper gefaltet. Auf einen Fingerzeig Hildemaras verstummte die Harfe. Gelächter und Unterhaltungen verstummten, als die Anwesenden gewahrten, dass etwas Außergewöhnliches geschehen sein musste.

»Meine lieben Bewohner Anderiths, soeben habe ich eine höchst betrübliche Neuigkeit erhalten. Seit heute Abend sind wir ein verlorenes Volk, ein Volk ohne Herrscher.«

Statt, wie Dalton erwartet hatte, in Tuscheln auszubrechen, legte sich eine bestürzte Totenstille über den Saal. In diesem Augenblick begriff Dalton zum allerersten Mal wirklich, dass er sein ganzes Leben, von Geburt an, unter der Herrschaft des alten Herrschers gelebt hatte. Eine Ära war zu Ende gegangen. Vielen im Saal gingen zweifellos ähnliche Gedanken durch den Kopf.

Bertrand, aller Augen auf sich gerichtet, blinzelte, als müsste er seine Tränen unterdrücken. Als er fortfuhr, klang seine Stimme ruhig und erfüllt von Trauer.

»Verneigen wir alle unser Haupt und bitten, der Schöpfer möge den unsterblichen Geist unseres geliebten Herrschers an ebenjenem Ehrenplatz aufnehmen, den er sich durch sein ehrenvolles Schaffen verdient hat. Anschließend werde ich Euch Eurem Abendessen überlassen, denn ich muss auf meines verzichten und umgehend die Direktoren zur Pflicht rufen.

In Anbetracht der Dringlichkeit der Situation, da Lord Rahl und Kaiser Jagang um unsere Ergebenheit wetteifern und die dunkle Wolke des Krieges drohend über unseren Köpfen schwebt, werde ich im Namen des Volkes von Anderith die Direktoren ersuchen, noch heute Abend einen neuen Herrscher zu benennen, und darauf drängen, dass dieser Mann, wer immer es sein mag, am morgigen Tag zum Herrscher geweiht wird, damit uns wenigstens jene Führung zuteil wird, die unser alter Herrscher aufgrund seines hohen Alters und seiner angegriffenen Gesundheit uns nicht mehr zu geben vermochte.«

Teresa griff nach seinem Ärmel. »Dalton«, zischte sie, die weit aufgerissenen Augen voller Ehrerbietung auf Bertrand Chanboor gerichtet, »Dalton, ist dir eigentlich klar, dass er sehr gut unser nächster Herrscher werden kann?«

Dalton wollte die Unverblümtheit dieser plötzlichen Erkenntnis nicht zunichte machen und legte ihr sacht eine Hand auf den Rücken. »Wir dürfen hoffen, Tess.«

»Und beten auch«, erwiderte sie leise, die Augen voller glitzernder Tränen.

Bertrand breitete vor den feuchten Augen der verängstigten Menge die Hände aus.

»Bitte, liebe Freunde, senkt nun gemeinsam mit mir das Haupt zum Gebet.«

Dalton, der nahe der Tür auf und ab lief, ergriff Francas Arm, gleich nachdem sie hereingekommen war. Er schloss die Tür.

»Freut mich, dich zu sehen, meine liebe Franca. Und Gelegenheit zu erhalten, mit dir zu sprechen. Es ist lange her. Danke, dass du gekommen bist.«

»Du sagtest, es sei wichtig.«

»Ja, das ist es wohl.« Dalton machte eine auffordernde Handbewegung. »Bitte, nimm doch Platz.«

Franca strich ihr Kleid glatt und setzte sich in den gepolsterten Sessel vor seinem Schreibtisch. Dalton, der ihr näher sein und weniger förmlich als hinter seinem Schreibtisch wirken wollte, lehnte sich mit dem Rücken dagegen.

Er spürte einen Gegenstand unter seinem Hinterteil. Dann sah er, was es war, und schob das kleine Buch von Joseph Ander zurück auf den Schreibtisch, fort von sich.

Franca fächelte sich Luft ins Gesicht. »Könntest du bitte ein Fenster öffnen, Dalton? Es ist entsetzlich stickig hier drinnen.«

Es dämmerte zwar gerade erst, und die Sonne war noch nicht hinter dem Horizont hervorgekommen, trotzdem hatte sie Recht; es war bereits heiß und versprach, ein drückender Tag zu werden. Dalton trat lächelnd hinter seinen Schreibtisch und schob das Fenster ganz nach oben. Er blickte über seine Schulter und öffnete auf ihr beharrliches Gestikulieren hin noch zwei weitere.

»Danke, Dalton. Nett, dass du mir den Gefallen tust. Und was ist nun so wichtig?«

Er kehrte um seinen Schreibtisch herum zurück, lehnte sich wieder dagegen und schaute auf sie hinab. »Konntest du gestern Abend beim Fest etwas hören? Es war ein wichtiger Abend, schon allein wegen der tragischen Ankündigung. Es wäre hilfreich, wenn du über das Gehörte einen Bericht geben könntest.«

Franca wirkte gequält. Sie öffnete eine kleine Geldtasche, die, verborgen unter einer Schicht aus brauner Wolle, um ihre Hüfte hing. Dieser entnahm sie vier Goldmünzen, die sie ihm reichte.

»Hier. Das ist der Lohn, den du mir bezahlt hast, seit ich – seit ich diese Schwierigkeiten mit meiner Gabe habe. Er steht mir nicht zu. Ich habe kein Recht, dein Geld zu behalten. Tut mir Leid, dass du mich den weiten Weg hierher bitten musstest, weil ich dir den Lohn nicht früher zurückgegeben habe.«

Dalton wusste, wie sehr sie auf das Geld angewiesen war. Ohne ihre Gabe hatte sie keine Arbeit, Franca steuerte auf den Bankrott zu. Ohne Mann war sie gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt entweder selbst zu verdienen oder zu verhungern. Ihm das Geld zurückzugeben, das er ihr gezahlt hatte, kam einer ernst zu nehmenden Bankrotterklärung gleich.

Dalton schob ihre Hand fort. »Nein, nein, Franca, ich will dein Geld nicht…«

»Es ist nicht mein Geld. Ich habe nichts dafür getan, es steht mir nicht zu.«

Sie hielt ihm die Münzen abermals hin. Dalton nahm ihre Hand in beide Hände und hielt sie zärtlich fest.

»Wir sind gute alte Freunde, Franca. Ich sag dir was: Wenn du glaubst, das Geld stehe dir nicht zu, werde ich dir auf der Stelle Gelegenheit geben, es zu verdienen.«

»Ich sagte doch bereits, ich kann nicht…«

»Es hat nichts mit dem Gebrauch deiner Gabe zu tun. Es betrifft einen ganz anderen Vorzug von dir.«

Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. »Dalton! Du hast eine Gattin! Eine junge, wunderhübsche Frau…«

»Nein, nein«, unterbrach Dalton sie überrascht. »Nein, Franca. Tut mir Leid, wenn ich dich veranlasst haben sollte, zu glauben, ich könnte … tut mir Leid, wenn ich mich nicht präzise ausgedrückt habe.«

Dalton hielt Franca für eine faszinierende, attraktive Frau, obwohl sie ein wenig älter war und ziemlich eigenartig. Er hatte zwar weder daran gedacht, noch würde er ein solches Angebot jemals in Erwägung ziehen, trotzdem war er enttäuscht, dass sie die Vorstellung als abstoßend empfand.

Sie ließ sich wieder auf ihren Sessel sinken. »Was willst du dann?«

»Die Wahrheit.«

»Aha. Nun, Dalton, es gibt Wahrheiten und Wahrheiten. Manche sind beunruhigender als andere.«

»Weise Worte.«

»Und welche Wahrheit suchst du?«

»Was ist mit deiner Magie nicht in Ordnung?«

»Sie funktioniert nicht.«

»Das weiß ich. Ich möchte wissen, warum.«

»Trägst du dich etwa mit dem Gedanken, in das Geschäft mit der Zauberei einzusteigen, Dalton?«

Er atmete durch und faltete die Hände. »Die Angelegenheit ist wichtig, Franca. Ich muss unbedingt herausfinden, weshalb deine Magie nicht funktioniert.«

»Warum?«

»Weil ich wissen muss, ob es nur dich allein betrifft oder ob mit der Magie im Allgemeinen etwas nicht stimmt. Für viele Menschen in Anderith ist Magie ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Wenn sie nicht funktioniert, muss ich darüber Bescheid wissen, damit dieses Büro sich darauf vorbereiten kann.«

Ihre Stirn glättete sich. »Aha.«

»Nun, was stimmt nicht mit der Magie, und wie verbreitet ist das Problem?«

Ihr betrübtes Gesicht kehrte zurück. »Ich kann es nicht erklären.«

»Ich muss das wirklich wissen, Franca. Bitte.«