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Kahlan sah zu, wie die Tür sich schloß, dann drückte sie Richards Hand. »Alles in Ordnung? Glaubst du jetzt auch, daß es nicht das war, was du dachtest? Daß nichts dahintersteckt?«

Er starrte einen Augenblick lang in den menschenleeren Durchgang. »Ich dachte nur…« Schließlich gab er zerknirscht lächelnd nach. »Ich bin nur um deine Sicherheit besorgt, das ist alles.«

»Wo wir schon alle naß sind«, murrte Zedd, »können wir ebensogut hinübergehen und uns Junis Leichnam ansehen. Ich werde ganz bestimmt nicht hier im Regen herumstehen, während ihr zwei anfangt euch zu küssen.«

Zedd bedeutete Richard mit einer Handbewegung vorauszugehen und gab ihm damit zu verstehen, sich zu beeilen. Als Richard aufbrach, hakte Zedd sich bei Kahlan unter und ließ die anderen vor. Während die anderen durch den Schlamm davonstapften, hielt er sie zurück. Zedd legte ihr einen Arm um die Schultern und beugte sich zu ihr hinüber. »Und nun, meine Liebe, würde ich gerne hören, was ich deiner Meinung nach nicht glauben werde.«

Aus den Augenwinkeln bemerkte Kahlan seinen angespannten Gesichtsausdruck. Es war ihm ernst, deshalb entschied sie, es sei besser, ihm seine Besorgnis zu nehmen.

»Es ist nichts. Er war vorübergehend von einem verrückten Einfall besessen, aber ich habe ihn wieder zur Vernunft gebracht. Er ist darüber hinweg.«

Zedd senkte den Blick und musterte sie, ein beunruhigender Anblick bei einem Zauberer. »Ich weiß, du bist nicht so dumm, das zu glauben, was läßt dich also vermuten, daß ich es bin? Hmmm? Diesen Knochen hat er längst noch nicht verscharrt, er hat ihn noch immer zwischen seinen Zähnen.«

Kahlan sah den anderen nach. Sie hatten immer noch ein paar Schritte Vorsprung. Richard hätte an der Spitze der Gruppe gehen sollen, aber Cara, ganz Beschützerin, hatte sich vor ihn gesetzt.

Sie verstand zwar die Worte nicht, trotzdem konnte Kahlan sehen, daß Ann und Richard angeregt miteinander sprachen. So sehr die beiden auch gegenseitig stichelten, wenn ihnen danach war, hielten Zedd und Ann zusammen wie Pech und Schwefel.

Zedds astdürre Finger schlossen sich fester um ihren Arm. Richard war nicht der einzige, der noch einen Knochen zwischen den Zähnen hatte.

Mit einem schweren Seufzer erzählte Kahlan es ihm. »Richard ist vermutlich der Ansicht, daß ein Hühnermonster frei herumläuft.«

Kahlan hatte Nase und Mund wegen des Gestanks bedeckt, ließ ihre Hände jedoch sinken, als die beiden Frauen von ihrer Arbeit aufsahen. Lächelnd begrüßten die beiden die kleine Gruppe, die, das Wasser abschüttelnd, zur Tür hereingestapft kam und aussah, als sei sie in einen Fluß gefallen.

Die beiden Frauen waren mit Junis Leichnam beschäftigt und verzierten ihn mit schwarzweißen Schlammzeichnungen. Sie hatten Handgelenke und Knöchel bereits mit Zierarmbändern aus Gras umflochten und an seinem Kopf ein Lederstirnband befestigt, unter das sie nach Art der zur Jagd ausziehenden Jäger Gras gesteckt hatten.

Juni lag aufgebahrt auf einer Plattform aus Schlammziegeln, einer von vier solcher erhöhten Arbeitsflächen; alle vier waren an den Seiten mit dunklen Flecken einer herablaufenden Flüssigkeit bedeckt. Eine Schicht aus fauligem Stroh bedeckte den Fußboden. Sobald ein Leichnam hereingebracht wurde, wurde das Stroh mit den Füßen um das Fundament der Plattform aufgeschichtet, um die auslaufenden Flüssigkeiten aufzufangen.

Im Stroh wimmelte es von Ungeziefer. Lagen keine Leichen hier, ließ man die Tür offen, damit die Hühner sich an den Käfern gütlich tun konnten und diese nicht überhand nahmen.

Ein Stück rechts von der Tür befand sich das einzige Fenster. Solange niemand einen Leichnam behandelte, sperrte ein dickes Rehfell das Licht aus, damit die Verstorbenen ihre Ruhe hatten. Jetzt aber hatten die Frauen das Rehfell zur Seite geschoben und es hinter einem Wandhaken befestigt, damit das trübe Licht in den beengten Raum fallen konnte.

Nachts wurden keine Leichen präpariert, damit die Ruhe der auf die andere Seite hinüberwechselnden Seelen nicht gestört wurde. Ehrerbietung gegenüber der scheidenden Seele war für die Schlammenschen wesentlich; die neuen Seelen konnten eines Tages angerufen werden, um ihren noch lebenden Brüdern und Schwestern beizustehen.

Bei den beiden handelte es sich um ältere Frauen. Sie lächelten, als wäre es ihnen selbst bei dieser grausamen Arbeit unmöglich, ihr sonniges Wesen hinter einer Maske aus Schwermut zu verbergen. Kahlan vermutete, daß die beiden Spezialistinnen für das ordnungsgemäße Schmücken von Toten vor deren Beisetzung waren.

Kahlan fiel auf, daß die Duftöle noch immer glänzten, mit denen der Körper an den noch mit Schlamm zu bedeckenden Stellen eingerieben wurde. Die Öle konnten den atemberaubenden Gestank des verdreckten Strohs und der Plattformen allerdings nicht überdecken. Ihr war unbegreiflich, wieso man das Stroh nicht häufiger wechselte. Vielleicht tat man es sogar, woher sollte sie das wissen? Den Folgen von Tod und Verwesung konnte man aber ohnehin nicht entrinnen, so oder so.

Vielleicht wurden die Toten aus diesem Grund rasch beerdigt – entweder am Tag ihres Todes oder spätestens am Tag darauf. Man würde auch Juni nicht lange auf seine Beerdigung warten lassen. Dann konnte sich seine Seele, sobald sie sich davon überzeugt hatte, daß alles so war, wie es sein sollte, in der Welt der Seelen ihren Artgenossen zuwenden.

Kahlan beugte sich über die beiden Frauen. Aus Achtung vor dem Toten sprach sie mit gesenkter Stimme. »Zedd und Ann hier« – sie deutete mit der Hand auf die beiden – »würden sich Juni gerne einmal ansehen.«

Die beiden Frauen verbeugten sich von der Hüfte an aufwärts und räumten ihre Töpfe mit schwarzem und weißem Schlamm aus dem Weg. Richard beobachtete, wie sein Großvater und Ann ihre Hände leicht auf Junis Körper legten und ihn, zweifellos mit Hilfe von Magie, untersuchten. Während Zedd und Ann sich bei der Untersuchung mit gedämpfter Stimme berieten, wandte Kahlan sich an die beiden Frauen und erklärte ihnen, welch gute Arbeit sie leisteten und wie sehr ihr der Tod des jungen Jägers zu Herzen gehe.

Richard hatte seinen toten Beschützer lange genug angesehen und schloß sich ihr an. Er legte ihr einen Arm um die Hüfte und bat sie, ihnen sein Beileid auszusprechen. Kahlan tat dies.

Kurz darauf winkten Zedd und Ann die beiden heimlich zur Seite. Lächelnd bedeuteten sie den beiden Frauen, mit ihrer Arbeit fortzufahren.

»Deine Vermutung war richtig«, raunte Zedd, »sein Genick ist nicht gebrochen, auch konnte ich bei ihm keine Kopfverletzung entdecken. Ich würde sagen, er ist ertrunken.«

»Und wie könnte das deiner Meinung nach geschehen sein?« Richards Ton enthielt einen winzigen Funken Sarkasmus.

Zedd drückte Richards Schulter. »Du warst einmal krank und hast das Bewußtsein verloren. Erinnerst du dich noch? Daran war nichts Unheimliches. Hast du dir den Schädel eingeschlagen? Nein. Du bist auf dem Boden zusammengebrochen, wo ich dich gefunden habe. Erinnerst du dich? So einfach könnte es diesmal auch gewesen sein.«

»Aber Juni wies keinerlei Anzeichen für…«

Alles drehte sich um, als die alte Heilerin Nissel, ein kleines Bündel in den Armen haltend, zur Tür hereingewatschelt kam. Sie hielt kurz inne, als sie die vielen Menschen in dem winzigen Raum erblickte, dann wandte sie sich einer anderen Plattform für die Toten zu. Zärtlich legte sie das Bündel auf den kalten Ziegeln ab. Kahlan schlug sich die Hand vors Herz, als sie sah, wie Nissel ein neugeborenes Baby auswickelte.

»Was ist geschehen?« erkundigte sich Kahlan.

»Es war nicht das freudige Ereignis, das ich erwartet habe.« Nissels kummervoller Blick und Kahlans Augen trafen sich. »Das Kind kam tot zur Welt.«

»Gütige Seelen«, meinte Kahlan leise, »das tut mir so leid.«