»Danke für die Information, Hildemara. Es hätte in der Tat recht peinlich werden können.«
»Tut mir einen Gefallen und verfallt darüber nicht in Trübsinn, Dalton. Ihr habt allen Grund, mehr als erfreut zu sein. Wir reden hier über den Herrscher. Schließlich bedeutet es für jeden Mann eine Ehre, einer so verehrten und erhabenen Persönlichkeit wie dem Herrscher Anderiths seine Gemahlin zur Verfügung zu stellen. Man wird Euch dafür, dass Eure Gemahlin dem Herrscher Erleichterung von den Belastungen seines hohen Amtes verschafft, nur umso mehr verehren und respektieren.
Das solltet Ihr eigentlich wissen, Dalton. Schließlich habt Ihr ihn zu dem gemacht, was er ist: den Berater des Schöpfers in dieser Welt. Eure Gemahlin verhält sich nur wie eine treu ergebene Untertanin.« Sie lachte amüsiert. »Überaus treu ergeben, nach allem, was ich mitgehört habe. Nun, man müsste schon ganz Frau sein, wenn man es mit ihr aufnehmen wollte.«
Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss aufs Ohr. »Aber versuchen würde ich es gerne, Dalton, mein Schatz.« Sie richtete sich auf und sah ihm in die Augen. »Du hast mich schon immer fasziniert. Du bist der verschlagenste, gefährlichste Mann, den ich je kennen gelernt habe, dabei sind mir schon einige Prachtexemplare über den Weg gelaufen.«
In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Wenn du es erst einmal akzeptiert hast, wirst du feststellen, dass es vollkommen bedeutungslos ist, Dalton. Du wirst schon sehen.
Und ist das Gelübde erst gebrochen, werde ich dann wie bereits angedeutet die Erste sein, an die du dich wendest? Vergiss nicht, du hast es mir versprochen.«
Dalton stand allein in seinem Büro, während seine Gedanken rasten und er überlegte, was er tun sollte.
Kahlan stützte die Arme auf seine Schultern, beugte sich vor und legte ihre Wange an sein Ohr. Es war ein warmes und ermutigendes Gefühl, obwohl es ihn unnötig ablenkte.
»Wie kommst du voran?«
Richard räkelte sich gähnend. Wo sollte er anfangen?
»Dieser Mann hatte einen ausgeprägten Hang zu ungewöhnlichen Ansichten.«
»Wie meinst du das?«
»Ich muss noch eine Menge übersetzen, aber allmählich kann ich mir ein Bild von den Geschehnissen damals machen.« Richard rieb sich die Augen. »Der Mann wird hierher entsandt, um die Chimären zu vertreiben. Sofort macht er sich an die Untersuchung des Problems und sieht eine einfache Lösung. Die Zauberer in der Burg halten sie für erleuchtet und genial, was sie ihm auch sagen.«
»Darauf war er sicherlich sehr stolz«, sagte sie, unverkennbar genau das Gegenteil meinend.
Er verstand ihren sarkastischen Unterton und teilte ihre Einschätzung. »Du hast Recht, nicht Joseph Ander. Er lässt sich hier nicht darüber aus, aber nach dem, was ich zuvor gelesen habe, weiß ich, wie er denkt. Joseph Ander wäre niemals stolz gewesen, etwas zu begreifen, sondern hätte Verachtung für all jene empfunden, die dazu nicht fähig waren.«
»Also gut«, meinte sie, »er hatte also die Lösung. Und weiter?«
»Man trug ihm auf, sich umgehend der Sache anzunehmen. Offenbar hatte man damals ähnliche Schwierigkeiten mit den Chimären wie wir und wollte, dass der Bedrohung unverzüglich ein Ende gemacht wurde. Er beklagt sich, wenn sie schon so vernünftig seien, ihn mit der Angelegenheit zu beauftragen, dann sollten sie auch aufhören, ihm Vorschriften zu machen.«
»Nicht gerade geschickt, so mit den Vorgesetzten in der Burg umzuspringen.«
»Der Grund, dass man ihn beschwor, den Chimären Einhalt zu gebieten, war, dass immer mehr Menschen ohne ersichtlichen Grund starben. Offenbar kannte man ihn dort gut genug, um zu wissen, dass man ihm besser nicht drohte, jedenfalls nicht, solange man sich um andere Aspekte des Krieges zu kümmern hatte. Also trug man ihm auf, sich nach bestmöglicher Einschätzung der Lage zu entscheiden, nur sollte er sich bitte mit der Lösung beeilen, damit die Menschen endlich vor der Bedrohung sicher wären.
Diese Mitteilung erfreute ihn schon weitaus mehr, trotzdem nahm er sie zum Anlass, den Zauberern in der Burg Vorträge zu halten.«
»Worüber?«
Richard fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Es war ein frustrierendes Unterfangen, in Worte kleiden zu wollen, was Joseph Ander im Sinn gehabt hatte.
»In diesem Buch muss noch eine Menge übersetzt werden, es geht nur langsam voran. Trotzdem glaube ich nicht, dass es uns verraten wird, wie man die Chimären vertreibt. Es entspricht einfach nicht Joseph Anders Denkweise, so etwas niederzuschreiben.«
Kahlan richtete sich auf und drehte sich mit dem Rücken zum Tisch, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
Sie verschränkte die Arme. »Also schön, Richard. Ich kenne dich besser. Was verheimlichst du mir?«
Richard stand auf, kehrte ihr den Rücken zu und presste die Fingerspitzen an die Schläfen.
»Warum vertraust du mir nicht, Richard?«
Er drehte sich zu ihr um und ergriff ihre Hand. »Nein, nein, das ist es nicht … Es ist nur – bei einigen seiner Bemerkungen weiß ich einfach nicht, wo die Wahrheit aufhört und wo Joseph Anders Wahn beginnt. Es übersteigt alles, was ich je über Magie gehört, gelernt oder geglaubt habe.«
Jetzt war es an ihr, ein besorgtes Gesicht zu machen. Vermutlich machte er ihr grundlos Angst, andererseits konnte er ihr vermutlich nicht einmal ansatzweise so viel Angst machen, wie er bereits verspürte.
»Joseph Ander«, begann er, »hielt sich schlicht für besser als die anderen Zauberer.«
»Das wissen wir bereits.«
»Ja, aber möglicherweise hatte er sogar Recht.«
»Was?«
»Manchmal liegen Genie und Wahnsinn dicht beieinander. Ich weiß einfach nicht, wo ich die Grenze ziehen soll, Kahlan. Nichts über Magie zu wissen, kann einerseits von Nachteil sein, andererseits aber bedeutet es, dass ich, im Gegensatz zu den Zauberern auf der Burg damals, nicht mit vorgefassten Meinungen belastet bin. Ich könnte also die Wahrheit in seinen Worten erkennen, wo sie nicht dazu imstande waren.
Sieh doch, Joseph Ander betrachtete Magie nicht so sehr als ein System von Bedingungen – du weißt schon, eine Prise hiervon, dann dieses Wort dreimal aufsagen, während man sich auf dem linken Fuß um seine Achse dreht, und all diese Dinge.
Er sah Magie als eine Form der Kunst – als Ausdrucksmittel.«
Kahlan runzelte die Stirn. »Ich kann dir nicht ganz folgen. Entweder man bewirkt einen Bann, wenn er wirken soll, so, wie es sich gehört, oder er funktioniert eben nicht. So, wie ich meine Kraft über eine Berührung herbeirufe. So, wie wir die Chimären herbeigerufen haben, indem wir gewisse Anforderungen der Magie erfüllt und sie dadurch freigesetzt haben.«
Er wusste, dass sie aufgrund ihres magischen Könnens, ihres Hintergrundes und ihres Wissens über Magie vor den gleichen Schwierigkeiten stand wie die Zauberer damals. Richard spürte einen winzigen Hauch jener Frustration, die auch Joseph Ander verspürt haben musste. Auch in diesem Punkt verstand er diesen Mann um vieles besser – und begriff ein wenig, wie frustrierend es sein musste, sich von den Menschen irgendwelche unumstößlichen Tatsachen anhören zu müssen, obwohl man es besser wusste, ohne sie jedoch dazu bringen zu können, das abstrakte Gedankengebäude eines größeren Ganzen zu erkennen, das unmittelbar vor ihnen lag.
Wie Joseph Ander erwog auch Richard, es noch einmal zu versuchen.
»Ja, ich weiß, und ich behaupte auch nicht, dass es nicht funktioniert, nur glaubte er, es stecke mehr dahinter. Er war überzeugt, die Magie könne auf eine höhere Ebene geführt werden – auf eine Bewusstseinsebene, die höher liegt als jene, derer sich die meisten mit der Gabe Gesegneten bedienten.«
Jetzt runzelte sie endgültig die Stirn. »Das ist doch Wahnsinn, Richard.«
»Nein, das glaube ich nicht.« Er nahm das Reisebuch zur Hand. »Dies ist die Antwort auf eine ihrer nicht im Buch aufgeführten Fragen – aber du musst sie dir anhören, um zu verstehen, wie Joseph Ander denkt.«
Er las ihr den entscheidenden Punkt der Übersetzung vor.
»›Ein Zauberer, der nicht wirklich zerstören kann, kann auch nicht wirklich erschaffen.‹« Richard tippte auf das Buch. »Damit meinte er einen Zauberer ähnlich denen, die gegenwärtig mit der Gabe gesegnet sind, einen Zauberer, der ausschließlich über Additive Magie verfügt – wie zum Beispiel Zedd. Wer nicht über beide Seiten der Magie verfügte, der besaß in Anders Augen nicht einmal die Gabe. Ein solcher Mann war für ihn nichts weiter als eine Abweichung von der Regel und obendrein hoffnungslos benachteiligt.«