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Richard reckte abermals die Fäuste gen Himmel. »Reechani! Sentrosi! Vasi! Kommt zu mir!«

Und sie kamen. Er war umgeben von der Substanz des Todes. Dort inmitten eines Mahlstromes aus Tod zu stehen war beinahe mehr, als Richard auszuhalten vermochte. Es war das widerwärtigste Gefühl, das er je verspürt hatte.

Die Chimären riefen ihn mit den betörenden Klängen einer anderen Welt. Richard ließ sie gewähren, er hatte für ihre Verlockungen nur ein Lächeln übrig.

Er ließ sie kommen, diese Diebe der Seelen.

Und dann hob er die Arme und zeigte in die Richtung der Erscheinung.

»Euer Herr und Meister.«

Die Chimären umkreisten ihn, heulend vor Wut. Jetzt erkannten sie, wer sich vor ihnen in die Luft erhob.

»Dort ist er, Sklaven. Euer Herr und Meister.«

»Wer ruft mich?«, hallte ein Schrei über das Wasser.

»Richard Rahl, Nachfahr des Aldric. Ich bin es, der gekommen ist, um dein Herr und Meister zu sein, Joseph Ander.«

»Du hast mich in meinem Heiligtum gefunden. Du bist der Erste. Dir gebührt mein Lob.«

»Und ich verdamme dich, Joseph Ander, an deinen Platz im Leben nach dem Tode, wo alle hingehören, wenn ihre Zeit hier abgelaufen ist.«

Draußen über dem See erklang ein glockenhelles Lachen.

»Mich zu finden ist eine Sache, mich zu vernichten eine andere. Aber mir zu gebieten, ist etwas völlig anderes. Du verfügst nicht einmal im Ansatz über die dazu erforderliche Kraft. Du vermagst dir nicht einmal vorzustellen, was ich zu erschaffen in der Lage bin.«

»Das hab ich längst«, rief Richard über die hinabstürzenden Wassermassen hinweg. »Wasser, höre mich. Luft, sieh, was ich dir zeige. Feuer, spüre die Wahrheit.«

Ringsum drehten und wanden sich die drei Chimären, neugierig, was er ihnen zu bieten hatte.

Abermals reckte Richard seine Hand vor. »Das ist euer Herr und Meister, der Mann, der euch seinen Befehlen unterworfen hat statt euren eigenen. Dort seht ihr seine Seele nackt und entblößt vor euch.«

Besorgnis verdüsterte das Gesicht von Joseph Ander. »Was tust du da? Was glaubst du damit zu erreichen?«

»Die Wahrheit, Joseph Ander. Ich entkleide dich der Lüge deiner Existenz.«

Richard hob eine Hand und öffnete sie auf Joseph Ander gerichtet, öffnete die Hand, die das Gegengewicht enthielt – den schwarzen Zaubersand. Richard ließ einen dünnen Strang aus schwarzen Blitzen zwischen ihnen knistern.

»Dort ist er, Reechani. Höre ihn. Dort ist er, Vasi. Sieh ihn an. Dort ist er, Sentrosi, spüre ihn durch meine Berührung.«

Jetzt versuchte Joseph Ander selbst Magie zurückzuschleudern, doch er hatte sich einer anderen Welt anvertraut, einer, die er selbst erschaffen hatte. Diese Leere vermochte er nicht zu überbrücken. Richard dagegen hatte ihn gerufen und konnte durch diese Leere hindurchreichen.

»Und nun, meine Chimären, stelle ich euch vor die Wahl. Meine Seele oder seine. Des Mannes, der seine Seele nicht dem Leben nach dem Tode überlassen wollte. Des Mannes, der sich weigerte, euren Meister in der Unterwelt aufzusuchen, und sich stattdessen zu eurem Herrn und Meister in dieser Welt aufschwang, wo er euch all diese lange Zeit zu Sklaven machte.

Oder meine Seele, der ich hier inmitten dieser Huldigung stehe, von wo aus ich euch zu mir ziehen werde, und wo ihr mir dienen werdet wie vorher ihm.

Entscheidet euch also: Nehmt Rache, oder kehrt in die Sklaverei zurück.«

»Er lügt!«, schrie Joseph Anders Geist.

Die aufs Äußerste erregten Chimären rings um Richard trafen ihre Entscheidung. Sie hatten die Wahrheit erkannt, die Richard ihnen vor Augen hielt. Knisternd kamen sie über die von Richard geschlagene Brücke und durchquerten die Leere in die Welt des Lebendigen.

Die Welt erbebte unter der Wildheit dieses Vorgangs.

Mit einem wütenden Geheul, das nur der Welt der Toten entstammen konnte, griffen sie über diese Brücke nach Joseph Anders unsterblichem Geist und nahmen ihn mit sich zurück in jene Welt, aus der sie einst gekommen waren. Sie brachten ihn nach Hause.

Einen einzigen, sich ewig dehnenden Augenblick lang stand der Schleier zwischen diesen beiden Welten offen. In diesem Augenblick berührten sich Leben und Tod.

In der plötzlichen, darauf folgenden Stille hielt Richard die Hände vor den Körper. Er schien unversehrt zu sein. Das fand er bemerkenswert.

Dann dämmerte ihm, was er soeben vollbracht hatte. Er hatte Magie erschaffen. Er hatte ins Gleichgewicht gebracht, was Joseph Ander zu Unrecht korrumpiert hatte.

Jetzt musste er zurück zu Kahlan. Ob sie noch lebte? Er zwang sich, diesen Gedanken zu vertreiben. Sie musste noch leben!

Zedd schlug nach Atem ringend die Augen auf. Es herrschte Dunkelheit. Er tastete um sich und stieß auf Felswände. Wankend bewegte er sich vorwärts, auf das Licht zu. Auf das Geräusch.

Er gewahrte, dass er sich wieder in seinem eigenen Körper befand und nicht mehr in dem des Raben, begriff aber nicht, wie das möglich sein konnte. Und doch war es Wirklichkeit. Er betrachtete seine Hände. Es waren keine Federn, sondern tatsächlich Hände.

Er hatte seine Seele zurück.

Vor Erleichterung weinend fiel er auf die Knie. Der Verlust seiner Seele hatte seine Befürchtungen bei weitem übertroffen. Dabei hatte er doch schon das Schlimmste befürchtet.

Seiner Seele beraubt, hatte er in den Raben hineinschlüpfen können. Seine Laune besserte sich ein wenig. Diese Erfahrung war für ihn vollkommen neu, denn keinem Zauberer war es je gelungen, sich selber in ein Tier hineinzuprojizieren. Wenn man sich vorstellte, dass man dafür nur seine Seele opfern musste…

Er beschloss, einmal sei genug, und ging weiter auf das Licht zu, auf das Tosen des Wassers. Ihm fiel wieder ein, wo er sich befand. Als er das Ufer erreichte, sprang er in den See und schwamm an das gegenüberliegende Ufer. Ohne nachzudenken, fuhr er mit der Hand an seinem Gewand entlang, um sich zu trocknen.

Und dann merkte er, dass seine Kraft zurückgekehrt war. Seine Stärke, seine Gabe war wieder da.

Als er ein Geräusch hörte, sah er auf. Spinne stieß ihn mit ihrem Maul an.

Grinsend rieb er ihre freundliche, weiche Nase. »Spinne, Mädchen. Schön, dich zu sehen, altes Haus. Schön, dich zu sehen.«

Auch Spinne bekundete schnaubend ihre Freude.

Zedd fand den Sattel und das übrige Zaumzeug, wo er es zurückgelassen hatte. Nur so zum Spaß warf er Spinne die Decke und den Sattel auf den Rücken. Spinne fand dies interessant. Spinne war keine Spielverderberin, außerdem ein gutes Pferd.

Auf ein Geräusch von oben hin drehte Zedd sich um. Etwas kam den Berg herunter: Wasser. Aus irgendeinem Grund war das Seeufer eingebrochen, die gesamten Wassermassen stürzten in die Tiefe.

Zedd saß auf. »Zeit, von hier zu verschwinden, Mädchen.«

Spinne tat ihm den Gefallen.

Dalton war soeben in sein Büro zurückgekehrt, als er hinter sich jemanden hereinkommen hörte. Als der Mann sich umdrehte, um die Tür zu schließen, warf Dalton einen Blick auf den Saum von Steins Umhang und sah den frischen Skalp, den dieser dort angenäht hatte.

Dalton trat an den Beistelltisch und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Ihm war heiß und ein wenig schwindelig.

Nun, das war zu erwarten gewesen.

»Was wollt Ihr, Stein?«

»Ein reiner Geselligkeitsbesuch.«

»Aha«, machte Dalton. Er trank einen Schluck.

»Ein hübsches neues Büro habt Ihr hier.«

Hübsch war es. Alles nur vom Besten, der einzige Gegenstand aus seinem alten Büro war der Ständer aus verschnörkeltem Silber neben dem Schreibtisch. Er mochte den Schwertständer und hatte ihn daher mitgebracht. Als wäre er soeben daran erinnert worden, betastete er das Heft des in dem Ständer ruhenden Schwertes.

»Nun«, setzte Stein hinzu, »Ihr habt es Euch verdient, ganz zweifellos, denn Ihr habt viel erreicht. Viel erreicht, für Euch selbst und Eure Gemahlin.«

Dalton machte eine Handbewegung. »Neues Schwert, Stein? Ein wenig zu elegant für Euren Geschmack, sollte man meinen.«