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Er erzählte ihr, früher sei der, den man Sucher nannte, ein Mann von großem Ansehen gewesen, dessen Aufgabe es war, Gutes zu tun, jetzt jedoch seien Sucher im günstigsten Fall nichts weiter als gewöhnliche Verbrecher und schlimmstenfalls Meuchelmörder. So wie unsere Vorfahren.«

»Wie alle Hakenier«, verbesserte sie. »Wie wir.«

Er widersprach nicht, denn er wußte, sie hatte recht. »Das ist noch ein Grund, weshalb ich Sucher werden möchte. Ich würde dem Rang des Suchers seinen guten Namen zurückgeben, so wie es früher war, damit die Menschen der Wahrheit wieder vertrauen können. Ich würde den Menschen gerne beweisen, daß ein Hakenier imstande ist, ehrenhaft zu dienen. Damit würde ich doch Gutes tun, oder? Würde das nicht helfen, unsere Verbrechen wiedergutzumachen?«

Sie rieb sich energisch die Arme und sah sich flüchtig prüfend um. »Es ist kindisch und dumm, zu träumen, man sei der Sucher.« Sie senkte in Anbetracht der Bedeutung ihrer Worte die Stimme. »Lesen lernen wäre ein Verbrechen. Besser, du unternimmst gar nicht erst den Versuch, noch mehr zu lernen.«

Er seufzte. »Ich weiß, aber denkst du nie daran…«

»Außerdem ist Magie widerwärtig. Einen magischen Gegenstand zu berühren, das wäre doch genauso schlimm wie ein Verbrechen.«

Verstohlen blickte sie über ihre Schulter zur Ziegelfassade hinüber. Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie das Wort im Staub des Karrenbodens aus. Er öffnete den Mund und wollte protestieren, doch sie kam ihm zuvor und schnitt ihm das Wort ab.

»Wir sollten jetzt besser fertig werden.«

Sie deutete mit einem Zucken ihrer Augen auf die oberen Fenster. Snip schaute hoch und spürte, wie ihm vor Entsetzen ein eisiges Kribbeln den Rücken hinunterlief. Der Minister für Kultur persönlich stand an einem der Fenster und beobachtete sie.

Snip lud eine Trage Schaffleisch auf und begab sich zur Küchenspeisekammer. Beata folgte mit einer Schlinge voller Gänse in der einen und einem Sack Spatzen in der anderen Hand. Beide luden schweigend fertig ab. Snip wünschte sich, er hätte nicht so viel ausgeplaudert und sie dafür mehr erzählt.

Als die Arbeit getan war, hatte er die Absicht, sie zum Karren zurückzubegleiten und so zu tun, als wollte er nachsehen, ob sie alles abgeladen hatten, doch als Meister Drummond sich danach erkundigte, erklärte Beata ihm, es sei alles ins Haus geschafft. Also stieß er Snip seinen steifen Finger in die Brust und trug ihm auf, mit dem Schrubben fortzufahren. Sich die brennende Stelle reibend, schlurfte Snip quer über den glatten, unbehandelten Holzfußboden zu den Kübeln mit Seifenwasser. Er warf einen Blick über die Schulter, sah Beata aufbrechen und hoffte, sie würde sich nach ihm umdrehen, damit er ihr wenigstens zum Abschied zulächeln konnte.

Minister Chanboors Adjutant, Dalton Campbell, stand in der Küche. Snip war Dalton Campbell noch nie begegnet – dazu hätte er gar keine Gelegenheit gehabt –, trotzdem hatte er eine gute Meinung von dem Mann, denn er schien nie jemandem Schwierigkeiten zu machen, zumindest nicht, soweit Snip gehört hatte.

Neu in der Stellung als Adjutant des Ministers, war Dalton Campbell mit seiner typischen geraden Anderiernase, den dunklen Haaren und Augen sowie seinem kräftigen Kinn ein Anderier von recht ansehnlichem Äußeren. Frauen, insbesondere hakenische Frauen, schienen an so etwas Gefallen zu finden. In seinem dunkelblauen gesteppten Koller über einem Wams von gleicher Farbe – beides mit Zinnknöpfen besetzt – machte Dalton Campbell einen noblen Eindruck.

An dem fein detaillierten, doppelt umschlungenen Gürtel hing ein aus Silber gearbeiteter Degen. Das Heft der stattlichen Waffe war mit dunklem, rotbraunem Leder überzogen. Snip wünschte sich von ganzem Herzen, ein so edles Schwert tragen zu können. Bestimmt fühlten Mädchen sich zu Männern hingezogen, die ein solches Schwert trugen.

Bevor Beata Gelegenheit hatte, sich nach Snip umzudrehen oder aufzubrechen, war Dalton Campbell bei ihr und faßte sie am Arm. Sie wurde blaß. Auch Snip spürte, wie ein entsetzliches Angstgefühl von seinen Eingeweiden Besitz ergriff. Instinktiv ahnte er, daß dies großen Ärger bedeuten konnte. Er fürchtete, den Grund zu kennen. Falls der Minister beim Hinuntersehen mitbekommen hatte, wie Snip das Wort in den Staub gemalt hatte…

Lächelnd machte Dalton Campbell ihr leise Beteuerungen. Als ihre Schultern sich langsam entkrampften, löste sich auch der Knoten in Snips Bauch. Das meiste konnte Snip nicht verstehen, er hörte jedoch, wie Dalton Campbell eine Bemerkung über Minister Chanboor fallenließ und dabei mit dem Kopf auf die Treppe am anderen Ende der Küche deutete. Ihre Augen weiteten sich, ein zartes Rosa überzog ihre Wangen.

Beata glühte strahlend auf.

Dalton Campbell seinerseits lächelte ihr auf dem gesamten Weg zur Treppe einladend zu und zog sie am Arm hinter sich her, dabei erweckte sie nicht gerade den Eindruck, als müßte sie aufgemuntert werden – sie schien geradezu auf einer Wolke zu schweben. Sie sah sich kein einziges Mal um, als sie erst durch die Tür und dann die Treppe hinauf verschwand.

Meister Drummond versetzte Snip einen Klaps auf den Hinterkopf.

»Was stehst du hier rum wie festgewachsen? Geh endlich die Pfannen holen.«

14

Zedd wachte auf, als im Zimmer nebenan die Tür geschlossen wurde. Er öffnete ein Auge, gerade weit genug, um zur Türöffnung hinüberzublinzeln, als dort das Fell zur Seite geschoben wurde.

Seine Anspannung legte sich ein wenig, als er sah, daß es Nissel war. Die bucklige Heilerin ließ sich Zeit und kam gemächlich durch den Raum geschlurft.

»Sie sind fort«, verkündete sie.

»Was hat sie gesagt?« flüsterte Ann. Auch sie hatte ein Auge geöffnet, gerade weit genug, um hindurchzuspähen.

»Bist du sicher?« erkundigte sich Zedd leise bei Nissel.

»Sie haben alles eingepackt, was sie mitgebracht hatten, und haben Speisen für die Reise zusammengesucht. Einige der Frauen halfen ihnen, indem sie Vorräte für ihre Verpflegung zusammenstellten. Ich gab ihnen Kräuter, die gegen kleinere Krankheiten nützlich sein könnten. Unsere Jäger überließen ihnen Wasserschläuche und Waffen. Ich mußte ihnen versprechen, alles zu tun, um eure Gesundheit zu erhalten.«

Nissel kratzte sich am Kinn. »Kein besonders großartiges Versprechen, wie ich finde.«

»Hast du gesehen, wie sie aufgebrochen sind?« hakte Zedd nach. »Du bist sicher, daß sie nicht mehr hier sind?«

Nissel drehte sich ein Stück herum und deutete mit einer fahrigen Handbewegung nach Nordosten. »Sie sind aufgebrochen, alle drei. Ich habe zugesehen, wie sie loszogen, genau wie du es von mir verlangt hast, denn ich ging mit allen anderen zum Dorfrand. Die meisten aus unserem Volk wollten sie ein Stück hinaus ins Grasland begleiten, um länger bei ihnen bleiben zu können und um unsere neuen Schlammenschen von dannen ziehen zu sehen. Diese Leute bedrängten mich, sie zu begleiten, also ging auch ich hinaus ins Grasland, obwohl meine Beine nicht mehr so flink sind wie früher. Für einen kurzen Spaziergang jedoch, entschied ich, wären sie noch flink genug.

Wir waren alle schon ein gutes Stück gegangen, als Richard uns drängte, umzukehren und nicht unnötig draußen im Regen zu verweilen. Vor allem trieb ihn die Sorge, daß ich zurückkehre und mich um euch beide kümmere. Vermutlich konnten sie es kaum erwarten, endlich zügig voranzukommen, schließlich hielten wir alle sie mit unserer Langsamkeit auf, nur waren sie zu taktvoll, diese Gedanken uns gegenüber auszusprechen.

Richard und Kahlan umarmten mich und wünschten mir alles Gute. Die Frau in dem roten Lederanzug umarmte mich nicht, sondern neigte zum Zeichen ihres Respekts den Kopf, und Kahlan übersetzte mir ihre Worte. Ich sollte wissen, daß sie Richard und Kahlan beschützen würde. Sie ist eine gute Frau, diese seltsame Frau in Rot, auch wenn sie kein Schlammensch ist. Ich wünschte ihnen alles Gute.