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Sie nickte. »Woran werde ich ihn erkennen?«

Er ließ ihre Schultern los und richtete sich auf. »Das wird nicht schwer sein. Er trägt einen Übermantel aus menschlichen Skalps.«

Teresa erschrak. »Nein.« Sie beugte sich näher. »Ist es der, von dem du mir erzählt hast, der von jenseits der Wildnis im Süden angereist ist? Aus der Alten Welt? Der gekommen ist, um unsere zukünftigen Untertanenpflichten zu erörtern?«

»Ja. Halte dich von ihm fern.«

Angesichts derart erschreckender Neuigkeiten kniff sie abermals die Augen zusammen. »Wie erfrischend. Meines Wissens hat hier noch niemand einen so interessanten Fremden kennengelernt. Er muß sehr bedeutend sein.«

»Er ist ein wichtiger Mann, ein Mann, mit dem wir geschäftliche Dinge besprechen werden, daher möchte ich ihn nicht in Streifen schneiden müssen, nur weil er versucht hat, dich in sein Bett zu kriegen. Wertvolle Zeit ginge verloren, wenn wir warten müßten, bis der Kaiser einen neuen Beauftragten aus der Alten Welt schickt.«

Das war keine eitle Prahlerei, und das wußte sie auch. Mit dem Studium des Schwertes beschäftigte er sich ebenso ernsthaft wie mit dem Gesetz. Dalton vermochte einen Floh auf einem Pfirsich zu enthaupten, ohne dessen Flaum durcheinanderzubringen.

Teresa mußte schmunzeln. »Er braucht mich ja nicht anzusehen, und allein schlafen muß er ohnehin ganz sicher nicht. Die Frauen werden sich um die Gelegenheit schlagen, einem so unerhörten Mann Gesellschaft leisten zu können. Menschliche Skalps…« Sie schüttelte den Kopf über einen derart wunderlichen Einfall. »Die Frau, die es schafft, in seinem Bett zu landen, wird auf Monate ganz oben auf jeder Gästeliste stehen.«

»Vielleicht möchten sie ein hakenisches Mädchen einladen, das ihnen erklärt, wie aufregend und großartig es war«, fauchte Dalton.

»Ein hakenisches Mädchen?« tat Teresa den absonderlichen Einfall mit einem Stöhnen ab. »Das glaube ich kaum. Hakenische Mädchen zählen bei diesen Frauen nicht.«

Sie wandte sich erneut dem wichtigeren Teil seiner Neuigkeit zu. »Dann ist also noch keine Entscheidung gefallen? Wir wissen immer noch nicht, ob Anderith bei den Midlands bleiben wird oder ob wir mit ihnen brechen und uns Kaiser Jagang aus der Alten Welt anschließen?«

»Richtig, wir wissen noch nicht, was werden wird. Die Direktoren sind darin geteilter Meinung. Stein ist eben erst eingetroffen, um zu sagen, was er auf dem Herzen hat.«

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuß. »Ich werde mich von dem Mann fernhalten. Während du hilfst, das Schicksal Anderiths zu beschließen, werde ich dir wie immer den Rücken frei und meine Ohren offen halten.«

Sie machte einen Schritt Richtung Schlafzimmer, drehte sich aber noch einmal zu ihm um. »Wenn der Mann gekommen ist, um seine Sicht der Dinge darzulegen…« Plötzlich dämmerte so etwas wie Erkenntnis in ihren dunklen Augen. »Dalton, heute abend wird der Herrscher hier sein, nicht wahr? Der Herrscher höchstpersönlich wird bei dem Fest zugegen sein.«

Dalton ergriff ihr Kinn mit seinen Fingerspitzen. »Eine kluge Frau ist die beste Verbündete, die ein Mann sich wünschen kann.«

Lächelnd ließ er sich an seinen kleinen Fingern ins Ankleidezimmer ziehen. »Ich habe den Mann nur von weitem gesehen. O Dalton, du bist unglaublich, mich an einen Ort zu bringen, wo ich Gelegenheit erhalten werde, mit dem Herrscher höchstpersönlich an einem Tisch zu sitzen.«

»Denk einfach daran, was ich gesagt habe, und halte dich von Stein fern, es sei denn, ich bin in deiner Nähe. Das gleiche gilt übrigens für Bertrand. Ich bezweifle allerdings, daß er es wagen würde, mir in die Quere zu kommen. Wenn du deine Sache gut machst, stelle ich dich dem Herrscher vor.«

Ihre Sprachlosigkeit währte nicht lange. »Wenn wir uns heute abend zurückziehen und schlafen gehen, wirst du schon sehen, wie gut ich sein kann. Die Seelen mögen mich behüten«, setzte sie leise hinzu, »hoffentlich halte ich es solange aus. Der Herrscher. O Dalton, du bist so unglaublich.«

Während sie vor einem Spiegel an ihrem Toilettentisch saß und überprüfte, welchen Schaden er mit seinen Küssen in ihrem Gesicht angerichtet hatte, zog Dalton den hohen Kleiderschrank auf. »Nun, Tess, welcher Tratsch ist dir zu Ohren gekommen?«

Er blickte in den Kleiderschrank, ging seine Hemden durch und suchte nach dem mit dem Kragen, der ihm am ehesten zusagte. Da ihr Kleid von goldener Farbe war, änderte er seine Pläne und beschloß, seine rote Jacke anzuziehen. Sie war ohnehin die beste, wenn er ein selbstbewußtes Auftreten an den Tag zu legen beabsichtigte.

Zum Spiegel gebeugt, sich die Wangen mit einem kleinen Schwamm abtupfend, den sie zuvor durch einen silbernen Behälter mit rosafarbenem Puder gezogen hatte, plapperte Teresa weiter zusammenhanglos über den Tratsch im Haus. Nichts davon erschien Dalton wichtig. Seine Gedanken wanderten zu den wirklichen Sorgen, mit denen er sich zu beschäftigen hatte, zu den Direktoren, die es noch zu überzeugen galt, und wie er Bertrand Chanboor zu behandeln gedachte.

Der Minister war ein gerissener Mann, ein Mann, den Dalton verstand. Der Minister teilte Daltons Ehrgeiz, wenn auch in einem weiter gefaßten, öffentlicheren Sinn. Bertrand Chanboor war ein Mann, der alles wollte – von einem hakenischen Mädchen, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte, bis hin zum Herrscherthron. Hätte Dalton etwas zu sagen – und das hatte er –, würde Bertrand Chanboor bekommen, was er wollte.

Und Dalton käme in den Besitz jener Macht und Autorität, nach der es ihn verlangte. Er mußte nicht Herrscher werden. Minister für Kultur genügte ihm.

Der Minister für Kultur war die wahre Macht im Lande Anderith, er erließ die meisten Gesetze und ernannte die Gouverneure, um sie durchzusetzen. Einfluß und Machtbefugnis des Ministers für Kultur wirkten sich auf jedes Geschäft, auf jede Person im Lande aus. Er führte das Regiment über den Handel, die Künste, die öffentlichen Einrichtungen und die Glaubensrichtungen. Er hatte die Oberaufsicht über die Armee und alle öffentlichen Vorhaben. Obendrein galt er als Verkörperung der Religion. Der Herrscher war dagegen Zeremonie und Gepränge, Juwelen und Bekleidung, Festlichkeiten und Affären.

Nein, Dalton würde sich mit dem Amt des Ministers für Kultur ›zufriedengeben‹. Mit einem Herrscher, der auf dem Spinnennetz tanzte, das Dalton perfekt bediente.

»Ich habe deine guten Stiefel wienern lassen«, sagte Teresa. Sie deutete auf das andere Ende des Kleiderschranks. Er bückte sich und nahm sie in die Hand.

»Was gibt es Neues aus Aydindril, Dalton? Du sagtest, Stein solle seine Meinung über die Alte Welt und die Imperiale Ordnung kundtun. Was ist mit Aydindril? Was haben die Midlands vorzubringen?«

Wenn es etwas gab, das Daltons ehrgeizige Ziele und Pläne stören konnte, dann die Geschehnisse in Aydindril.

»Die aus Aydindril zurückgekehrten Botschafter berichteten, die Mutter Konfessor habe sich und die gesamten Midlands nicht nur auf Gedeih und Verderb mit Lord Rahl verbündet, dem neuen Lenker des d’Haranischen Reiches, sondern wolle diesen Mann sogar ehelichen. Mittlerweile dürfte sie mit dem Mann verheiratet sein.«

»Verheiratet! Die Mutter Konfessor persönlich, verheiratet.« Teresa richtete ihr Augenmerk wieder auf den Spiegel. »Muß eine großartige Angelegenheit gewesen sein. Ich könnte mir vorstellen, daß eine solche Hochzeit alles in Anderith in den Schatten stellt.« Teresa hielt nachdenklich vor ihrem Spiegel inne. »Aber die Kraft einer Konfessor überwältigt einen Mann, sobald diese ihn heiratet. Dieser Lord Rahl wird nichts weiter sein als eine Marionette der Mutter Konfessor.«

Dalton schüttelte den Kopf. »Offenbar besitzt er die Gabe und kann nicht durch ihre Kraft vernichtet werden. Ein kluger Zug von ihr, einen Lord Rahl von D’Hara zu ehelichen, der die Gabe besitzt. Das beweist nur ihre Gerissenheit, ihre innere Überzeugung und eine geschickte strategische Planung. Durch den Zusammenschluß der Midlands und D’Haras ist ein Reich entstanden, das man fürchten und mit dem man rechnen muß. Die Entscheidung wird nicht leichtfallen.«