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Als der Direktor sich umwandte, lächelte er ihm freundlich zu und umklammerte seine Hand, bevor dieser Gelegenheit hatte, sie zurückzuziehen. Er hatte einen festen Griff – und noch immer die Schwielen seines arbeitsreichen Lebens an den Händen.

»Ich bin überaus erfreut, daß Ihr es einrichten konntet, zum Fest zu kommen, Direktor Linscott. Ich hoffe, Ihr genießt den Abend bis jetzt. Der Minister wünscht noch so viel zu besprechen.«

Direktor Linscott, ein großer, drahtiger Mensch mit von der Sonne faltig gewordenem Gesicht, das stets wirkte, als plage ihn ein immerwährender Zahnschmerz, erwiderte das Lächeln nicht. Die vier ältesten Direktoren waren Zunftmeister. Einer stammte aus der einflußreichen Tuchmachergilde, einer aus der daran angeschlossenen Papiermachergilde, ein weiterer war Waffenschmiedmeister, dazu Linscott. Linscott war Steinmetzmeister. Bei den meisten der übrigen Direktoren handelte es sich um angesehene Geldverleiher oder Kaufleute, hinzu kamen ein Rechtsbeistand und mehrere Anwälte.

Direktor Linscotts Überzieher war altmodisch geschnitten, aber sehr gepflegt, zudem paßte der warme Braunton gut zum feinen, grauen Haar des Mannes. Auch sein Schwert war alt, doch die ausgezeichneten Messingarbeiten an Öffnung und Spitze der Lederscheide waren blankpoliert. Das Silberemblem – der Meißel des Steinmetzes – hob sich als glänzender Umriß von dem dunklen Leder ab. Zweifellos war die Klinge des Schwertes in ebenso makellosem Zustand wie alles andere an diesem Mann.

Linscott versuchte nicht absichtlich, Menschen einzuschüchtern, es schien einfach ein ganz natürlicher Zug von ihm zu sein. Er betrachtete das Volk der Anderier, jene Menschen, die auf den Feldern arbeiteten, die Fischernetze einholten oder über das Zunfthaus in einem Gewerbe angestellt waren, als seine Jungtiere.

»Ja«, erwiderte Linscott, »ich habe die Gerüchte ebenfalls vernommen, daß der Minister große Pläne hat. Wie ich höre, spielt er mit dem Gedanken, den dringenden Rat der Mutter Konfessor in den Wind zu schlagen und mit den Midlands zu brechen.«

Dalton breitete die Hände aus. »Ich begehe sichtlich keinen Fauxpas, wenn ich Euch aus meiner Kenntnis der Lage heraus erkläre, daß Minister Chanboor die feste Absicht hat, für unser Volk die besten Bedingungen herauszuschlagen. Nicht mehr und nicht weniger.

Nehmt zum Beispiel Euch selbst. Was wäre, wenn wir uns dem neuen Lord Rahl ergäben und uns dem d’Haranischen Reich anschlössen? Lord Rahl hat erklärt, sämtliche Länder müßten ihre Souveränität aufgeben – anders als in unserem Bund mit den Midlands. Vermutlich würde das bedeuten, daß er keine Verwendung mehr hätte für die Direktoren kultureller Zusammenarbeit.«

Linscotts sonnengebräuntes Gesicht wurde vor Erregung rot. »Hier geht es nicht um mich, Campbell. Es geht um die Freiheit der Völker der Midlands. Um ihre Zukunft. Darum, nicht geschluckt zu werden und mit ansehen zu müssen, wie unser Land von einer alles niederwalzenden Armee der Imperialen Ordnung tyrannisiert wird, die zur Eroberung der Midlands fest entschlossen ist.

Der Botschafter Anderiths hat die Erklärung von Lord Rahl überbracht, daß zwar sämtliche Länder sich ihm ergeben und unter eine Herrschaft und einen Oberbefehl gestellt werden müssen, jedes einzelne Land jedoch seine Kultur beibehalten darf, solange wir keine allgemein gültigen Gesetze brechen. Er hat uns eine Beteiligung an der Schaffung dieser Gesetze zugesagt, vorausgesetzt, wir stimmen seinem dringenden Gesuch zu, solange das Angebot noch allen offensteht. Die Mutter Konfessor hat sich seiner Ansicht angeschlossen.«

Dalton verneigte vor dem Mann respektvoll den Kopf. »Ich fürchte, Ihr deutet den Standpunkt des Ministers falsch. Er wird dem Herrscher den Vorschlag unterbreiten, dem Rat der Mutter Konfessor zu folgen, vorausgesetzt, er ist der ernsthaften Überzeugung, daß dies im besten Interesse unseres Volkes liegt. Schließlich steht unsere gesamte Kultur auf dem Spiel. Auf keinen Fall möchte er sich voreilig für eine Seite entscheiden. Möglicherweise bietet uns die Imperiale Ordnung die besten Friedensaussichten. Der Minister wünscht sich nichts mehr als Frieden.«

Der finstere Blick des Direktors schien die Atmosphäre abzukühlen. »Sklaven leben auch in Frieden.«

Dalton heuchelte einen Ausdruck unschuldiger Hilflosigkeit. »Ich vermag Eurem schnellen Verstand nicht zu folgen, Direktor.«

»Ihr scheint bereit zu sein, Campbell, Eure eigene Kultur für die leeren Versprechungen einer einfallenden Horde zu verkaufen, die vom Gedanken der Eroberung wie besessen ist. Fragt Euch doch selbst, warum sie sonst unaufgefordert hergekommen sind. Wie könnt Ihr so aalglatt verkünden, Ihr zöget in Erwägung, den Midlands das Messer ins Herz zu stoßen? Was seid Ihr für ein Mann, Campbell, daß Ihr, nach allem, was man dort für uns getan hat, den dringenden Rat unserer Mutter Konfessor zurückweist?«

»Direktor, ich denke…«

Linscott schüttelte drohend seine Faust. »Unsere Vorfahren, die so vergeblich gegen die hakenischen Horden angekämpft haben, werden sich im Grab umdrehen, wenn sie erfahren, daß Ihr ruhigen Gewissens ihre Opfer und unser Erbe verschachert.«

Dalton zögerte und gab Linscott damit Gelegenheit zu hören, wie seine Worte die Stille füllten und zwischen ihnen beiden widerhallten. Genau das hatte Dalton mit seinen Worten erreichen wollen.

»Ich weiß, Direktor, Ihr meint es aufrichtig mit Eurer leidenschaftlichen Liebe für unser Volk und mit Eurem unerschütterlichen Bedürfnis, es zu beschützen. Ich bedaure sehr, daß Ihr denselben Wunsch bei mir für unaufrichtig haltet.« Dalton verbeugte sich höflich. »Ich hoffe, Ihr genießt den Rest des Abends.«

Eine solche Beleidigung herablassend hinzunehmen galt als Gipfel der Höflichkeit. Darüber hinaus jedoch stellte es denjenigen bloß, der anderen solche Verletzungen beibrachte und sich damit den alten Idealen anderischer Ehre als unwürdig erwies.

Angeblich verhielten sich nur Hakenier den Anderiern gegenüber so herablassend.

Dalton zollte dem, der ihn beleidigt hatte, allerhöchsten Respekt und wandte sich zum Gehen, als habe man ihn aufgefordert, sich zu entfernen, als habe man ihn fortgejagt. Als sei er von einem hakenischen Oberherrn gedemütigt worden.

Der Direktor rief seinen Namen. Dalton hielt inne und sah über seine Schulter.

Direktor Linscott verzog den Mund, als wollte er seine Zunge lösen und es mit einer selten angewandten Höflichkeit probieren. »Wißt Ihr, Dalton, ich erinnere mich noch an die Zeit, als Ihr beim Gouverneur in Fairfield wart. Ich hielt Euch stets für einen tugendhaften Mann. Daran hat sich nichts geändert.«

Dalton wandte sich vorsichtig um und präsentierte sich, als sei er bereit, eine weitere Beleidigung hinzunehmen, sollte der Mann den Wunsch haben, diese auszuteilen.

»Danke, Direktor Linscott. Das klingt sehr freundlich von einem so angesehenen Mann wie Euch.«

Linscott machte eine beiläufige Handbewegung, als sei er immer noch damit beschäftigt, auf der Suche nach höflichen Worten Spinnweben aus irgendwelchen dunklen Ecken zu wischen. »Nun, jedenfalls ist mir unbegreiflich, wie ein tugendhafter Mann seiner Frau erlauben kann, derart herumzustolzieren und ihre Zitzen zur Schau zu stellen.«

Dalton lächelte. Die Worte selbst waren nicht versöhnlich gewesen, aber der Ton. Beiläufig nahm er im Nähertreten einen vollen Becher Wein von einem vorübergleitenden Tablett und hielt ihn dem Direktor hin. Linscott nahm den Becher mit einem Nicken entgegen.

Dalton ließ von seinem offiziösen Tonfall ab und redete, als sei er von klein auf mit dem Mann befreundet. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin mit Euch ganz einer Meinung. Tatsächlich hatten meine Frau und ich, bevor wir heute abend herunterkamen, eine Auseinandersetzung deswegen. Sie beharrte darauf, daß dieses Kleid ganz der Mode entspräche. Als Mann in unserer Ehe habe ich mich durchgesetzt und ihr strikt verboten, das Kleid anzuziehen.«

»Warum trägt sie es dann?«

Dalton seufzte erschöpft. »Weil ich sie nicht betrüge.«

Linscott neigte den Kopf zur Seite. »Es freut mich zwar zu hören, daß Ihr Euch, was das Frönen gewisser Leidenschaften anbetrifft, den scheinbar neuen moralischen Einstellungen nicht verpflichtet fühlt, doch was hat das mit dem Weizenpreis in Kelton zu tun?«