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Abermals lachend stieß sie ihn mit der Schulter an. Dalton beobachtete, wie Claudine an einem Tisch weiter rechts applaudierte. Links von ihm spießte Stein soeben ein Stück Fleisch auf und zog es in schamloser Manier mit den Zähnen vom Messer. Offenen Mundes kauend, verfolgte er das Programm. Es entsprach ganz offenkundig nicht der von Stein bevorzugten Art von Unterhaltung.

Servierer hatten bereits damit begonnen, die silbernen Platten mit dem Fischgang hereinzutragen. Sie trugen sie zur Anrichte hinüber, wo sie vor dem Servieren mit Soßen versehen und zurechtgemacht wurden. Der Herrscher hatte seine eigenen Diener an einem Serviertisch stehen, wo sie seine Speisen vorkosteten und zubereiteten. Mit mitgebrachten Messern schnitten sie für den Herrscher und seine Familie die erlesene obere Kruste von Brötchen und Broten herunter. Sie besaßen weitere Messer ausschließlich für das Präparieren der Vorlegeplatten, auf denen die Speisen für den Herrscher serviert wurden, und die, im Gegensatz zu den Tellern der anderen, nach jedem Gang ausgewechselt wurden. Sie hatten ein Messer für das Abschneiden, eines für das Zurechtschneiden und eines für das Anrichten auf den Platten.

Der Minister beugte sich herüber, eine Scheibe soeben in Senf getunkten Schweinefleischs in den Fingern. »Mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, denen zufolge eine gewisse Frau den Hang verspüren könnte, unerfreuliche Lügen zu verbreiten. Vielleicht solltet Ihr der Sache nachgehen.«

Mit Daumen und Zeigefinger fischte Dalton eine in Mandelmilch eingelegte Birnenscheibe von der Platte, die er mit Teresa teilte. »Ganz recht, Minister. Das habe ich bereits getan. Sie hatte keinerlei Respektlosigkeit im Sinn.« Er warf sich die Birne in den Mund.

Der Minister zog eine Braue hoch. »Dann ist ja alles gut.«

Grinsend zwinkerte er an Dalton vorbei jemandem zu. Lächelnd neigte Teresa ihren Kopf, zum Zeichen, daß sie seinen Gruß bemerkt hatte.

»Übrigens, verehrte Teresa, habe ich Euch schon gesagt, daß Ihr heute abend ganz besonders göttlich ausseht? Euer Haar ist wundervoll – es verleiht Euch das Aussehen einer Gütigen Seele, die erschienen ist, um meiner Tafel Glanz zu verleihen. Wärt Ihr nicht mit meiner rechten Hand verheiratet, ich würde Euch später zum Tanz auffordern.«

Der Minister tanzte selten mit einer anderen als seiner eigenen Frau und, aus Gründen des Protokolls, denen von Würdenträgern auf Besuch.

»Es wäre … mir eine Ehre, Minister«, meinte Teresa, die bei den Worten ins Stammeln geriet, »und für meinen Gatten auch … da bin ich ganz sicher. Weder auf dem Tanzparkett … noch irgendwo anders … könnte ich in besseren Händen sein.«

Zwar verfügte Teresa über die Fähigkeit, sich nicht so schnell aus der Fassung bringen zu lassen, trotzdem errötete sie angesichts der Ehre, die ihr Bertrand um ein Haar hätte zuteil werden lassen. Nervös an den glitzernden, in ihr Haar geflochtenen Ziermünzen nestelnd, war sie sich der neidischen Blicke bewußt, die verfolgten, wie sie sich mit dem Minister für Kultur höchstpersönlich unterhielt.

Die finsteren Blicke hinter dem Minister verrieten Dalton, daß kein Grund zur Sorge bestand, es könnte tatsächlich zu einem solchen Tanz kommen – in dessen Verlauf der Mann sich wahrscheinlich an Teresas halb entblößten Busen schmiegen würde. Lady Chanboor würde nicht zulassen, daß Bertrand es nach außen hin an völliger Hingabe für sie fehlen ließe.

Dalton wandte sich wieder geschäftlichen Dingen zu und lenkte die Unterhaltung in die gewünschte Richtung. »Einer der Beamten aus der Stadt ist sehr beunruhigt über die Situation, von der wir soeben sprachen.«

»Was hat er gesagt?« Bertrand wußte, von welchem Direktor die Rede war, und sah klugerweise davon ab, laut irgendwelche Namen auszusprechen, in seinen Augen jedoch blitzte Ärger auf.

»Nichts«, versicherte ihm Dalton. »Allerdings ist der Mann hartnäckig. Könnte sein, daß er der Sache nachgeht – und auf Erklärungen drängt. Es gibt Leute, die sich gegen uns verschwören und nur darauf warten, ein Geschrei wegen gewisser Unschicklichkeiten auszulösen. Wenn wir gezwungen wären, uns grundloser Vorwürfe des Ehebruchs zu erwehren, käme das einer lästigen Zeitverschwendung gleich und würde uns von unserer Pflicht dem anderischen Volk gegenüber ablenken.«

»Allein die Vorstellung ist absurd«, meinte der Minister, nach außen hin ihrer eigentlichen Unterhaltung folgend. »Ihr glaubt doch nicht etwa, daß es Menschen gibt, die gegen unser gutes Werk intrigieren?«

Seine Worte klangen auswendig gelernt, so oft benutzte er sie. Simple Klugheit machte es erforderlich, Diskussionen in der Öffentlichkeit mit Bedacht zu führen. Es konnte sein, daß sich mit der Gabe gesegnete Menschen unter die Gäste gemischt hatten, die nur darauf warteten, ihre Fähigkeit zu nutzen, um etwas aufzuschnappen, das nicht für die Ohren aller bestimmt war.

Dalton selbst hatte eine Frau mit solchen Fähigkeiten in seinen Diensten.

»Wir widmen unser Leben der Arbeit für das anderische Volk«, meinte Dalton, »und doch gibt es ein paar wenige, die den Fortschritt, den wir im Namen der arbeitenden Bevölkerung erzielen, behindern möchten.«

Bertrand wählte einen gerösteten Schwanenflügel von der Platte aus, die er mit seiner Gattin teilte, und tunkte diesen in eine Schale mit einem süßem Brei aus Milch und Getreide. »Ihr glaubt also, es gibt Anstifter, die auf Ärger aus sind?«

Lady Chanboor, die der Unterhaltung aufmerksam gefolgt war, beugte sich zu ihrem Gatten. »Agitatoren würden die Gelegenheit, Bertrands gutes Werk zunichte machen zu können, mit beiden Händen ergreifen. Sie wären bereit, jeden Querulanten zu unterstützen.« Dabei blickte sie scharf zum Herrscher hinüber, der von seiner jungen Frau mit den Fingern gefüttert wurde. »Wir haben wichtige Arbeiten zu erledigen und können keine Feinde gebrauchen, die sich in unsere Bemühungen einmischen.«

Bertrand Chanboor galt aus aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Herrschers, aber er hatte Gegner. Einmal ernannt, diente der Herrscher sein ganzes Leben. Jeder Ausrutscher in diesem entscheidenden Augenblick konnte seine Ernennung gefährden. Es gab eine ganze Reihe von Personen, die sich wünschten, ihm würde ein solcher Ausrutscher unterlaufen, und die mit offenen Augen und Ohren nur darauf warteten.

War Bertrand Chanboor erst einmal zum Herrscher ernannt, wären sie aller Sorgen enthoben, bis dahin jedoch konnte nichts als gewiß oder sicher gelten.

Dalton verneigte beipflichtend den Kopf. »Ihr habt einen guten Blick für die Lage, Lady Chanboor.«

Bertrand entfuhr ein leises Grunzen. »Ich nehme an, Ihr habt einen Vorschlag.«

»Ganz recht«, erwiderte Dalton und senkte seine Stimme, bis sie kaum mehr als ein Flüstern war. Es galt als unhöflich, beim Flüstern beobachtet zu werden, es ließ sich jedoch nicht vermeiden. Er war gezwungen zu handeln, und ein Flüstern würde man nicht hören. »Meiner Ansicht nach wäre es das beste, die Dinge aus dem Gleichgewicht zu bringen. Was mir vorschwebt, wird nicht nur das Unkraut im Weizen ausreißen, sondern auch verhindern, daß neues nachwächst.«

Dalton, ein Auge auf die Tafel des Herrschers haltend, erläuterte seinen Vorschlag. Lady Chanboor richtete sich durchtrieben lächelnd auf. Daltons Ratschlag entsprach ganz ihrem Charakter. Bertrand, der beobachtete, wie Claudine mäkelnd in ihrem Essen herumstocherte, pflichtete ihm ohne jede äußerliche Regung bei.

Stein zog die Klinge seines Messers über den Tisch und tat, als durchschneide er das feine weiße Leinentuch.

»Wieso schneidet Ihr ihnen nicht einfach die Kehle durch?«

Der Minister sah sich um, ob jemand Steins Vorschlag mitbekommen hatte. Hildemara wurde rot vor Zorn. Teresa erblaßte, wenn sie solche Reden hörte, zumal von einem Mann, der einen Übermantel aus menschlichen Kopfhäuten trug.

Man hatte Stein vorgewarnt. Falls solche Bemerkungen mitgehört und weitergegeben wurden, waren sie durchaus imstande, eine Flut von Ermittlungen auszulösen, was ihnen zweifellos die Mutter Konfessor auf den Hals hetzen würde. Sie würde nicht eher ruhen, bis sie die ganze Wahrheit in Erfahrung gebracht hätte, und wenn es dazu kam, war sie womöglich geneigt, den Minister mit ihrer Magie aus seinem Amt zu jagen. Und zwar für immer.