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Dalton setzte einen tödlichen Blick auf und bedachte Stein mit einer stummen Drohung. Stein entblößte seine gelben Zähne und grinste breit. »War bloß ein Scherz unter Freunden.«

»Es ist mir vollkommen egal, wie groß die Streitmacht der Imperialen Ordnung ist«, knurrte der Minister, an die Ohren all jener gerichtet, die Steins Bemerkung womöglich mitbekommen hatten. »Solange sie nicht zum Durchmarschieren aufgefordert werden – worüber noch zu entscheiden wäre –, werden sie alle durch die Dominie Dirtch zugrunde gehen. Der Kaiser ist sich darüber voll und ganz im klaren, sonst bäte er uns nicht, sein großzügiges Friedensangebot zu überdenken. Er wäre sicherlich alles andere als erfreut zu erfahren, daß einer seiner Männer unsere Kultur mitsamt den Gesetzen, nach denen wir leben, beleidigt.

Ihr seid hier als Abgesandter von Kaiser Jagang, um unserem Volk den Standpunkt und die großzügigen Angebote des Kaisers zu erläutern – mehr nicht. Falls erforderlich, können wir auch einen anderen für diese Erläuterungen herbitten.«

Stein reagierte mit einem Schmunzeln auf die Aufregung, die ihm entgegenschlug. »Ich habe selbstverständlich nur Spaß gemacht. Solch leeres Gerede ist bei meinem Volk üblich. Wo ich herstamme, sind solche Bemerkungen ebenso alltäglich wie harmlos. Seid versichert, sie sollten allein der Belustigung dienen.«

»Hoffentlich habt Ihr die Absicht, Euch eines besseren Tons zu befleißigen, wenn Ihr zu unserem Volk sprecht«, meinte der Minister. »Es ist eine ernsthafte Angelegenheit, die zu besprechen Ihr hergekommen seid. Die Direktoren werden einen derart kränkenden Humor gar nicht zu schätzen wissen.«

Stein entfuhr ein derber Lacher. »Meister Campbell hat in der Tat bereits erklärt, wie unduldsam Eure Kultur auf derart ungehobelte Scherze reagiert. Es ist wohl auf mein ungehobeltes Wesen zurückzuführen, daß mir seine klugen Worte längst entfallen sind. Bitte verzeiht die schlechte Wahl meines Scherzes. Ich hatte nicht die Absicht, jemanden zu kränken.«

»Nun, also gut.« Bertrand lehnte sich zurück, während sein aufmerksamer Blick über die Gäste wanderte. »Alle Menschen in Anderith betrachten Brutalität mit Skepsis und sind derartige Bemerkungen und erst recht ein dementsprechendes Verhalten nicht gewöhnt.«

Stein neigte den Kopf. »Ich werde die vorbildlichen Sitten Eurer großen Kultur noch kennenlernen müssen. Ich freue mich auf die Gelegenheit, Eure edleren Sitten und Gebräuche zu erlernen.«

Diesen präzise entwaffnenden Worten war es zu verdanken, daß der Mann in Daltons Einschätzung stieg. Steins ungepflegtes Haar täuschte. Was sich darunter befand, war längst nicht so ungeordnet.

Falls Lady Chanboor den beißenden Sarkasmus in Steins schlagfertiger Antwort bemerkt hatte, so ließ sie sich davon nichts anmerken, als sie ihr Gesicht entspannte und es seinen üblichen süßsauren Zug annahm. »Dafür haben wir Verständnis, und wir bewundern Euer ernsthaftes Bemühen, Gebräuche zu lernen, die Euch zweifellos … fremd erscheinen müssen.« Mit den Fingerspitzen schob sie Stein seinen Kelch hin. »Bitte, so kostet doch von unserem ausgezeichneten Wein aus dem Nareeftal. Wir sind hier alle ganz verrückt danach.«

Lady Chanboor mochte der feine Sarkasmus in Steins Worten entgangen sein, auf Teresa traf dies allerdings ganz und gar nicht zu. Im Gegensatz zu Hildemara hatte Teresa einen großen Teil ihres Erwachsenenlebens mit Scharmützeln an der vordersten Front der weiblichen Gesellschaft zugebracht, wo Worte wie Waffen geschwungen wurden, mit denen man blutige Wunden schlug. Je höher das Niveau der Auseinandersetzung, desto gewetzter waren die Klingen. Man mußte überaus erfahren sein, wenn man wissen wollte, ob man getroffen war und blutete oder ob die Wunde umso größer war, weil die anderen sie deutlich sahen, während man selber nichts davon bemerkte.

Hildemara war auf die Klinge ihres Verstandes nicht angewiesen, ihr Schutz war unverfälschte Macht. Anderische Generäle griffen nur selten zum Schwert.

Während sie das Ganze tunlichst fasziniert verfolgte, nahm Teresa einen kleinen Schluck, als Stein seinen Becher hochriß und in langen Zügen trank.

»Er ist gut. Ich möchte sogar behaupten, es ist der Beste, den ich je gekostet habe.«

»Es freut uns, die Meinung eines so weit gereisten Mannes zu hören«, erwiderte der Minister.

Stein knallte seinen Becher auf den Tisch. »Ich habe genug gegessen. Wann kann ich endlich loswerden, was ich auf dem Herzen habe?«

Der Minister zog eine Braue hoch. »Sobald die Gäste mit Speisen fertig sind.«

Erneut grinsend spießte Stein ein Stück Fleisch auf und lehnte sich zurück, um es von der Messerspitze zu nagen. Kauend erwiderte er dreist die schwülen Blicke, mit denen er von einigen der Frauen bedacht wurde.

22

Oben auf der Galerie stimmten Musiker ein Seemannslied an, während Zeremonienmeister lange blaue Banner in den Speisesaal hinab entrollten. Die Männerpaare, die die Banner festhielten, versetzten sie zum Rhythmus der Musik in eine wogende Bewegung, wodurch, als die auf die Banner gemalten Fischerboote über die blauen Stoffwellen zu tanzen begannen, der Effekt von Meereswellen entstand.

Während die persönlichen Diener des Herrschers seine Tafel versorgten, wirbelten Knappen in der Livree des Anwesens um die Ehrentafel des Ministers und schleppten silberne Tabletts mit dem farbenprächtig arrangierten Fischgang heran. Der Minister wählte Langustenbeine, Lachsfilet, gebratene Elritzen, Brassen sowie Aal in Safransoße aus, woraufhin der Knappe jedes Teil zwischen dem Minister und seiner Gattin plazierte, damit sie es bei Bedarf auf ihren gemeinsamen Vorlegeteller übernehmen konnten.

Minister Chanboor tunkte ein langes Stück Aal in die Safransoße und hielt es, über einen Finger drapiert, seiner Gattin hin. Liebevoll lächelnd nahm sie es mit den Spitzen ihrer langen Fingernägel von seinem Finger ab. Bevor sie es jedoch an ihre Lippen führte, legte sie es zunächst auf ihren Teller und wandte sich, als hätte eine plötzliche Neugier sie ergriffen, an Stein, um sich nach den Speisen seiner Heimat zu erkundigen. Dalton weilte erst seit kurzem auf dem Anwesen, hatte aber bereits herausgefunden, daß Lady Chanboor Aal mehr als alles andere verabscheute.

Als ihnen einer der Knappen eine Platte mit Panzerkrebsen hinhielt, gab Teresa Dalton mit einem erwartungsvollen Heben der Augenbrauen zu verstehen, sie wolle gern davon probieren. Geschickt brach der Knappe den Panzer auf, entfernte die Körpervene, löste das Fleisch heraus und füllte die darunterliegende Schale, wie von Dalton gewünscht, mit ungesüßtem Zwieback und Butter. Mit seinem Messer nahm er eine Scheibe Schildkrötenfleisch von einer Platte, die ihm ein Knappe mit tief gesenktem Kopf zwischen seinen ausgestreckten Armen reichte. Wie alle, machte auch der Knappe einen Knicks, bevor er sich tänzelnden Schritts entfernte.

Teresa rümpfte die Nase und sagte, sie wolle keinen Aal. Er selber nahm sich ein Stück, doch nur, weil der Minister ihn mit seinem Nicken und Grinsen dazu aufforderte. Anschließend beugte der Minister sich zu ihm und meinte leise: »Aal ist gut für den Aal, wenn Ihr mir folgen könnt.«

Dalton lächelte einfach und tat, als sei er für den Hinweis dankbar. Er war mit den Gedanken bei seiner Arbeit und der bevorstehenden Aufgabe, zudem beschäftigte ihn die Sorge um seinen ›Aal‹ nicht sonderlich.

Teresa kostete von ihrem mit Ingwer gewürzten Karpfen, während Dalton den gebackenen Hering mit Zucker probierte und dabei die hakenischen Knappen beobachtete, die sich wie eine einfallende Armee auf die Tafeln der Gäste stürzten. Sie trugen Servierteller mit gebratenem Hecht, Barsch und Forelle herein, mit geschmortem Neunauge, Schellfisch und Seehecht, mit geröstetem Flußbarsch, Lachs, Robbe und Stör, mit Krabben und Langusten sowie Schnecken auf glasiertem Rogen. Es folgten Terrinen mit Fischsuppe aus gewürzten Kammuscheln sowie Mandelfischeintopf, dazu farbenprächtige Soßen jeder nur erdenklichen Art. Andere Speisen wurden in einfallsreichen Präsentationen mit Soßen und in überladen wirkenden Zusammenstellungen aus einer Vielzahl von Zutaten gereicht, angefangen bei Schildkröte mit Erbsen in Zwiebelweinsoße, über Störrogen mit Knurrhahnflanken, bis hin zu einer Pastete aus Schollen und jungem Kabeljau in grüner Soße.