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»Und das hast du recht gut gemacht. Manch einer wäre zimperlich geworden und hätte meine Anweisungen mißachtet. Für Männer, die Befehle befolgen und sich genau merken, was ich von ihnen verlange, habe ich stets Verwendung.

Genau genommen möchte ich dir eine neue Stellung in meinem Büro anbieten, als Bote.«

Snip starrte benommen. Die Worte hatte er gehört, sie schienen ihm jedoch keinen Sinn zu ergeben. Dalton Campbell hatte Boten im Überfluß – dem Anschein nach eine ganze Armee.

»Sir?«

»Du hast deine Sache gut gemacht. Ich möchte, daß du einer meiner Boten wirst«

»Ich, Sir?«

»Die Arbeit ist leichter als Küchenarbeit, außerdem bringt die Stellung, im Gegensatz zur Arbeit in der Küche, zusätzlich zu Kost und Logis ein Gehalt ein. Mit einem Gehalt könntest du beginnen, Geld für deine Zukunft auf die Seite zu legen. Eines Tages, wenn du dir den Titel ›Sir‹ verdient hast, kannst du dir vielleicht sogar etwas kaufen. Ein Schwert vielleicht.«

Snip stand da wie erstarrt und konzentrierte seine Gedanken aufmerksam auf Dalton Campbells Worte, die er sich ein ums andere Mal durch den Kopf gehen ließ. Er hätte sich nie träumen lassen, jemals als Bote zu arbeiten. Eine Arbeit, die mehr einbrachte als ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen, die Möglichkeit, ein bißchen guten Schnaps zu stehlen und ab und zu vielleicht einen Penny extra, wäre ihm nie in den Sinn gekommen.

Selbstverständlich träumte er davon, ein Schwert zu besitzen, zu lesen und andere Dinge zu tun, aber das waren doch alberne Träume, und das wußte er auch. Tagträume. Nie hätte er sich getraut, Dinge zu träumen, die so nahe an der Wirklichkeit lagen wie die Tatsache, tatsächlich ein Bote zu werden.

»Nun, wie lautet deine Antwort, Snip? Möchtest du als Bote für mich arbeiten? Natürlich kannst du unmöglich weiter diese … Kleider tragen. Du müßtest die Livree der Boten anlegen.« Dalton Campbell beugte sich über den Schreibtisch und musterte ihn. »Stiefel gehören auch dazu. Du müßtest Stiefel tragen, wenn du als Bote arbeiten willst.

Außerdem müßtest du in ein neues Quartier umziehen. Die Boten wohnen in einem Gemeinschaftsquartier. Betten, keine Strohlager. Die Betten haben Laken. Selbstverständlich müßtest du dein Bett machen und deine eigene Truhe in Ordnung halten, aber Kleidung und Bettzeug der Boten wird vom Personal gewaschen.

Was meinst du, Snip? Möchtest du meinem Botenstab beitreten?«

Snip mußte schlucken. »Was ist mit Morley, Meister Campbell? Morley hat auch getan, was Ihr verlangt habt. Könnte er mit mir gemeinsam Bote werden?«

Das Leder knarzte, als Dalton Campbell seinen Sessel abermals auf seine beiden hinteren Beine kippte. Er nuckelte eine Weile an seiner mit einer blauen Spirale versehenen Schreibfeder aus durchsichtigem Glas und blickte Snip prüfend in die Augen. Schließlich nahm er die Feder aus dem Mund.

»Im Augenblick benötige ich nur einen Boten. Es wird Zeit, daß du anfängst, an dich selbst zu denken, Snip. An deine Zukunft. Willst du den Rest deines Lebens Küchenbursche sein? Die Zeit ist gekommen, daß du tust, was für dich richtig ist, Snip, wenn du es im Leben je zu etwas bringen willst. Dies ist deine Chance, aufzusteigen und diese Küche hinter dir zu lassen. Vielleicht ist es die einzige Chance, die du je erhältst. Ich biete dir die Stellung, nicht Morley. Nimm sie an oder laß es bleiben. Wie lautet also deine Antwort?«

Snip benetzte sich die Lippen. »Nun, Sir, ich mag Morley – er ist mein Freund. Aber es gibt wohl auf der ganzen Welt nichts, was ich lieber täte, als Euer Bote zu werden, Meister Campbell. Wenn Ihr mich wollt, dann nehme ich die Stellung an.«

»Gut. Dann also willkommen im Stab, Snip.« Er lächelte freundlich. »Deine Treue deinem Freund gegenüber ist bewundernswert. Ich hoffe, du empfindest diesem Büro gegenüber ebenso. Ich werde … Morley fürs erste eine Teilzeitstellung einrichten. Wahrscheinlich wird irgendwann in der Zukunft ein Posten frei, dann kann er zu dir in den Botenstab aufrücken.«

Snip nahm die Neuigkeit mit Erleichterung auf. Er verlöre seinen Freund nur äußerst ungern, andererseits täte er alles, um aus der Küche von Meister Drummond rauszukommen und Bote zu werden.

»Das ist wirklich großzügig von Euch, Sir. Morley wird Euch bestimmt nicht enttäuschen. Und ich auch nicht, das schwöre ich.«

Dalton Campbell beugte sich abermals vor, bis die Vorderbeine seines Sessels mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden landeten. »Also gut.« Er schob ein gefaltetes Blatt Papier über den Schreibtisch. »Bring das zu Meister Drummond. Darin steht, daß ich dich als Bote in Dienst genommen habe und du ihm nicht länger unterstellt bist. Ich dachte, vielleicht möchtest du diese Botschaft eigenhändig überbringen, als deinen ersten offiziellen Auftrag.«

Snip hätte am liebsten einen Luftsprung gemacht und einen Jubelschrei ausgestoßen, statt dessen verharrte er regungslos, wie ein Bote dies seiner Ansicht täte. »Ja, Sir, sehr gerne.« Er merkte, daß auch seine Körperhaltung straffer geworden war.

»Gleich im Anschluß daran wird dich dann einer meiner anderen Boten, Rowley, zur Rüstkammer des Anwesens bringen. Dort wird man dir eine Livree zuteilen, die fürs erste gut genug sitzen dürfte. Die Näherin dort unten wird dann bei dir Maß nehmen, damit dein neuer Anzug geschneidert werden kann.

Solange meine Boten bei mir Dienst tun, verlange ich von jedem einzelnen, daß er eine elegante, maßgeschneiderte Livree trägt. Ich erwarte von meinen Boten, daß sie ein gutes Licht auf mein Büro werfen. Das bedeutet, sowohl du als auch deine Kleidung müssen sauber sein, deine Stiefel gewichst, dein Haar gebürstet. Du wirst dich stets anständig benehmen. Das Nähere wird dir Rowley erläutern. Wirst du das schaffen, Snip?«

Snip zitterten die Knie. »Ja, Sir. Ganz bestimmt, Sir.«

Als er an die neuen Kleider dachte, die er tragen würde, schämte er sich plötzlich wegen seines Äußeren, das bestimmt schmutzig und schäbig wirkte. Noch vor einer Stunde war er mit seinem Aussehen, so wie es war, ganz zufrieden gewesen, doch das war vorbei. Er konnte es kaum abwarten, aus den Küchenjungenlumpen rauszukommen.

Und er fragte sich, was Beata denken würde, wenn sie ihn in seiner schicken neuen Botenlivree sähe.

Dalton Campbell schob eine Ledertasche über den Schreibtisch.

Die Klappe war mit einem großen Klecks bernsteinfarbenen Siegelwachses versehen, in das ein Weizengarbensiegel geprägt war.

»Sobald du dich gewaschen und deinen neuen Anzug angezogen hast, möchte ich, daß du diese Tasche zum Büro für Kulturelle Zusammenarbeit in Fairfield bringst. Weißt du, wo das ist?«

»Ja, Sir, Meister Campbell. Ich bin in Fairfield aufgewachsen und kenne dort fast alles.«

»So hat man mir berichtet. Bei uns gibt es Boten aus ganz Anderith, und größtenteils bearbeiten sie die Gegenden, die sie kennen – wo sie aufgewachsen sind. Da du in Fairfield aufgewachsen bist, wirst du meistens für die Arbeit in diesem Gebiet abgestellt werden.«

Dalton Campbell lehnte sich zurück und nahm einen Gegenstand aus seiner Tasche. »Das ist für dich.« Er schnippte ihn durch die Luft.

Snip fing ihn auf und starrte ungläubig auf den Silbersovereign in seiner Hand. Nicht einmal die meisten Reichen, hatte er angenommen, trugen einen so großen Betrag mit sich herum.

»Aber Sir, ich habe doch noch gar keinen Monat gearbeitet.«

»Das ist nicht dein Botengehalt. Dein Gehalt bekommst du jeweils am Ende des Monats.« Dalton Campbell zog eine Braue hoch. »Ich möchte damit meine Anerkennung für deine Arbeit gestern abend zum Ausdruck bringen.«

Claudine Winthrop. Das war es, was er meinte – daß er Claudine Winthrop so weit eingeschüchtert hatte, bis sie den Mund hielt.

Sie hatte Snip mit ›Sir‹ angeredet.

Snip legte die Silbermünze auf den Schreibtisch. Mit einem Finger schob er sie widerstrebend ein paar Zoll in Dalton Campbells Richtung.

»Dafür seid Ihr mir nichts schuldig, Meister Campbell. Ihr habt mir nie eine Belohnung dafür versprochen. Das hab ich getan, weil ich Euch helfen wollte und um den zukünftigen Herrscher zu schützen, nicht wegen einer Belohnung. Ich kann kein Geld annehmen, das mir nicht zusteht.«