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Dalton mußte lächeln, als seine Gedanken zu erfreulicheren Dingen – zu Teresa – abschweiften. Sie schwebte immer noch wie auf Wolken, weil sie dem Herrscher vorgestellt worden war. Als sie nach dem Fest in ihre Gemächer zurückgekehrt und, wie versprochen, zu Bett gegangen waren, hatte sie ihm überaus eindringlich bewiesen, wie gut sie tatsächlich sein konnte. Und Teresa konnte außergewöhnlich gut sein.

Das Erlebnis, die Bekanntschaft des Herrschers gemacht zu haben, hatte sie so angespornt, daß sie den Vormittag beim Gebet verbrachte. Er bezweifelte, daß eine Begegnung mit dem Schöpfer persönlich sie hätte mehr bewegen können. Es freute Dalton, daß er Teresa ein derart erhebendes Erlebnis hatte bieten können.

Wenigstens war sie nicht wie verschiedene andere Frauen in Ohnmacht gefallen, als sie dem Herrscher vorgestellt wurde. Wäre es nicht so alltäglich, es wäre für diese Menschen peinlich gewesen. Nach Lage der Dinge jedoch hatte jeder Verständnis und war bereit, ihre Reaktion hinzunehmen. In mancherlei Hinsicht war es ein Zeichen der Würde, ein Beweis des Glaubens, der ihre Ergebenheit dem Schöpfer gegenüber unter Beweis stellte. Niemand sah darin etwas anderes als ein pures aufrichtiges Glaubensbekenntnis.

Dalton dagegen erkannte den Herrscher als den Mann, der er tatsächlich war, ein Mann in erhabener Stellung, aber nichtsdestoweniger ein Mann. Für manch einen überschritt er allerdings die Grenzen solch weltlicher Überlegungen. Wenn Bertrand Chanboor, ein bereits jetzt weithin als der hervorragendste Minister für Kultur, der je amtiert hatte, geachteter und bewunderter Mann, Herrscher würde, würde auch er zum Ziel grenzenloser Bewunderung aufsteigen.

Dalton vermutete allerdings, viele der ohnmächtig werdenden Frauen zielten eher darauf ab, sich unter ihn zu werfen, als vor ihm niederzusinken. Für viele käme dies einer religiösen Erfahrung gleich, die über den schlichten Akt der Paarung mit einem mächtigen Mann, wie es der Minister für Kultur war, hinausging. Die heilige Einwilligung in eine derartige Zusammenkunft mit dem Herrscher adelte sogar deren Ehemänner.

Dalton vernahm ein Klopfen an der Tür und sah auf. Er wollte gerade »Herein« sagen, als die Frau bereits ins Zimmer gestürmt kam. Es war Franca Gowenlock.

Dalton erhob sich. »Ah, Franca, wie schön, dich zu sehen. Hat dir das Fest gefallen?«

Aus irgendeinem Grund wirkte die Frau rätselhaft. In Verbindung mit ihren dunklen Augen, den dunklen Haaren und dem generellen Eindruck, demzufolge sie stets – selbst wenn dem gar nicht so war – irgendwie im Schatten zu stehen schien, verlieh ihr dies ein wahrhaft finsteres Aussehen. Die Luft wirkte stets still und kühl, wenn diese Frau zugegen war.

Im Vorübergehen packte sie die Lehne eines Stuhles und zog diesen mit bis zum Schreibtisch. Sie stellte den Stuhl davor, ließ sich vor ihm niederplumpsen und verschränkte die Arme. Leicht aus der Fassung gebracht, ließ Dalton sich in seinen Sessel zurücksinken.

Von ihren zusammengekniffenen Augen gingen feine Fältchen aus. »Ich kann diesen Kerl von der Imperialen Ordnung, diesen Stein, nicht ausstehen. Kein bißchen.«

Dalton, in seinem Sessel, entspannte sich. Franca trug ihr schwarzes, nahezu schulterlanges Haar offen, und doch stand es ein wenig von ihrem Gesicht nach hinten, als wäre es in einem eisigen Wind erstarrt. An ihren Schläfen waren ein paar graue Strähnen zu sehen, doch statt sie älter zu machen, unterstrichen sie einfach nur ihre Ernsthaftigkeit.

Ihr schlichtes, ockerfarbenes Kleid war hochgeschlossen. Ein wenig darüber schmiegte sich ein Band aus schwarzem Samt um ihren Hals. Gewöhnlich war es aus schwarzem Samt, aber nicht immer. Woraus es auch immer bestand, es war stets wenigstens zwei Finger breit.

Da sie immer ein Halsband trug, wunderte sich Dalton zunehmend, ob sich darunter etwas verbarg. Da Franca war, wie sie nun einmal war, hatte er nie nachgefragt.

Er kannte Franca Gowenlock seit nahezu fünfzehn Jahren, und seit etwas mehr als der Hälfte dieser Zeit hatte er sich ihrer Fähigkeiten bedient. Manchmal überlegte er bei sich, sie müsse einst enthauptet worden sein und sich ihren Kopf selbst wieder angenäht haben.

»Das tut mir leid, Franca. Hat er dich gekränkt? Dich beleidigt? Er hat dir doch nicht etwa ein Haar gekrümmt, oder? Wenn ja, werde ich dafür sorgen, daß man sich seiner annimmt – du hast mein Wort darauf.«

Franca wußte, ein Versprechen von ihm an sie war über jeden Zweifel erhaben. Sie schlang ihre langen, eleganten Finger in ihrem Schoß ineinander. »Ihm standen genug Frauen zur Verfügung, die willens und bereit waren. Mich hat er dafür nicht gebraucht.«

Dalton, ehrlich verlegen, aber trotzdem auf der Hut, breitete die Hände aus. »Worum geht es dann?«

Franca stützte ihre Unterarme auf den Schreibtisch und beugte ihren Kopf nach vorn. Sie senkte die Stimme.

»Er hat etwas mit meiner Gabe angestellt. Er hat sie irgendwie durcheinandergebracht, was weiß ich.«

Dalton machte ein verblüfftes Gesicht, er war ernsthaft besorgt. »Soll das heißen, du glaubst, der Mann verfügt über eine Art magischer Kraft? Und hat einen Bann oder dergleichen ausgesprochen?«

»Das weiß ich nicht«, knurrte Franca, »aber irgend etwas hat er getan.«

»Woher willst du das wissen?«

»Ich habe während des Festes versucht, Gespräche zu belauschen, wie immer. Ich sage dir, Dalton, wenn ich nicht genau wüßte, daß ich die Gabe habe, kämen mir ernsthafte Bedenken. Nichts. Ich bekam nichts mit, von niemandem. Kein bißchen.«

Daltons Stirnrunzeln wurde ihrem immer ähnlicher. »Soll das heißen, deine Gabe hat dich nicht dazu befähigt, irgend etwas mitzuhören?«

»Kriegst du eigentlich überhaupt nichts mit? Hab ich nicht gerade genau das gesagt?«

Dalton trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Er wandte sich um und blickte aus dem Fenster. Dann stand er auf, schob das Schiebefenster hoch und ließ die warme Brise ins Zimmer. Er machte Franca ein Zeichen, und sie kam um den Schreibtisch herum.

Dalton zeigte auf zwei Männer, die unter einem Baum auf der anderen Seite des Rasens in ein Gespräch vertieft waren. »Dort unten, die beiden. Sag mir, worüber sie sich unterhalten.«

Franca stützte ihre Hände auf das Fensterbrett und lehnte sich, angestrengt zu den Männern hinüberblickend, ein Stück hinaus. Im Sonnenlicht, das auf ihr Gesicht fiel, war deutlich zu erkennen, daß die Zeit der Frau, die er einst für eine der schönsten, wenn nicht gar die seltsamste Frau gehalten hatte, der er je begegnet war, mit Fältchen sowie mit spannender und hängender Haut ernstlich zuzusetzen begann. Nichtsdestoweniger war ihre Schönheit, trotz der vorangeschrittenen Zeit, nach wie vor berückend.

Dalton beobachtete, wie die Männer beim Sprechen mit den Händen gestikulierten, vermochte aber keines ihrer Worte zu verstehen. Mit ihrer Gabe hätte es ein leichtes für sie sein sollen, sie zu hören.

Francas Gesicht wurde schreckensbleich. Sie stand so reglos da, daß sie wie eine jener Wachsfiguren aus dem umherziehenden Kabinett wirkte, das zweimal jährlich in Fairfield Station machte. Dalton vermochte nicht einmal zu sagen, ob die Frau noch atmete.

Endlich holte sie verärgert Luft. »Ich verstehe kein einziges Wort. Außerdem sind sie zu weit entfernt, um ihre Lippen zu erkennen, das hilft mir also auch nicht weiter. Ich verstehe jedenfalls kein einziges Wort, obwohl ich es sollte.«

Dalton blickte dicht an der Häuserwand nach unten, drei Stockwerke tief. »Und diese beiden dort?«

Franca lehnte sich hinaus, um einen Blick auf sie zu werfen. Fast konnte Dalton sie selber hören; ein leises Lachen drang herauf, dazu ein Ruf, mehr aber nicht. Franca wurde abermals ganz still.

Diesmal grenzte es fast an Wut, als sie Luft holte. »Nichts, dabei kann ich sie fast schon ohne die Gabe hören.«

Dalton schloß das Fenster. Der Zorn in ihrem Gesicht verflog in Windeseile, und er sah einen Zug auf ihrem Gesicht, den er bei ihr noch nicht kannte: Angst.

»Du mußt dafür sorgen, daß dieser Mann verschwindet. Er ist bestimmt ein Zauberer oder so etwas. In seiner Gegenwart bin ich vollkommen blockiert, als wäre ich verknotet.«