Выбрать главу

„Einer von uns muß in die obere Welt fliehen. Dafür kommt natürlich nur Toto in Frage, denn er wird nicht so streng überwacht wie wir. Ich hab mir folgenden Plan ausgedacht. Als ich mit Arrigo unter vier Augen sprach — ich tat es unter dem Vorwand, daß ich Einzelheiten über das Schlafwasser

erfahren müsse — , sagte er mir, daß morgen der Markttag ist, an dem die Erzgräber mit den Käuern ihren Handel treiben. Dreihundert Mann werden die Tauschwaren zum Handelstor tragen, und drei Schreiber werden die Einkäufe aufschreiben. Einer dieser Schreiber wird Arrigo sein, der uns wohlgesinnt ist…"

„Ich weiß, ich weiß", unterbrach sie Fred, aber Elli gebot ihm durch eine Handbewegung zu schweigen.

„Stör mich nicht bei meinen Beschwörungen! Turabo, furabo, botalo, motalö!…"

Sie sagte es so laut, daß ihre Worte bis zum König Mentacho und seinem Gefolge drangen, die ängstlich zurückwichen.

„Hör, Toto! Arrigo wird dich heimlich unter seinen Kleidern mitnehmen und dann im Trubel des Marktes freilassen. Bist du einmal oben, so wirst du schon wissen, was du zu tun hast."

„Kannst ruhig sein", sagte der Hund stolz, „auf Toto ist Verlaß." „Schon gut, schon gut, du Prahlhans!" lächelte Elli. „Wenn du bei den Käuern bist, werden sie dich in die Smaragdenstadt führen, und dort wird der kluge Scheuch gewiß eine Möglichkeit finden, uns zu helfen." Laut fuhr sie fort: „Bambarä, tschufarä, sköriki, möriki, pikapü, trikapü, läriki, jöriki!" und zu Fred gewandt, flüsterte sie: „Das sind die Zauberworte Willinas, aber ich zweifle sehr, ob sie, von mir gesprochen, wirken werden…" Elli beschrieb mit den Händen mehrere Kreise um den Kopf, stampfte dreimal mit dem Fuß und ging dann rasch auf die erschrockenen Zuschauer zu. „Eure Majestät", sagte sie feierlich zu Mentacho, „ich hab getan, was ich konnte. Das Ergebnis wird sich erst in einer Woche zeigen. Es kann auch ausbleiben", fügte sie vorsichtig hinzu, „wenn der mächtige unterirdische Geist sich aus Zorn über die sinnlose Tat Ruf Bilans gegen meinen Zauber erhebt." Schadenfroh sah Elli, wie der Verräter, der sich unter dem Gefolge Mentachos befand, erblaßte.

„Dann werde ich eben neue, wirksamere Beschwörungen finden müssen", schloß Elli. Totos Flucht gelang. Niemand sah, wie Arrigo vor Aufbruch der Karawane den Hund unter seinem Rock versteckte, wo sich dieser zusammenkauerte und kaum zu atmen wagte. Als die Schreiber nachts aus dem Tor traten, um die Waren der Käuer zu zählen und zu registrieren, ging Arrigo ein wenig zur Seite und ließ das Hündchen laufen.

Dritter Teil. DAS ENDE DES UNTERIRDISCHEN LANDES

DER SCHEUCH UND DER HOLZFÄLLER GREIFEN EIN

Die Käuer staunten nicht wenig, als sie Toto sahen. Sie lachten vor Freude, und die Glöckchen an ihren blauen Hüten läuteten. „Das wunderbare Tierchen, Ellis Reisegefährte!" riefen sie. „Doch wo ist die Fee? Und wo der Riese von der anderen Seite der Berge?" „Verzeihung, ich habe keine Zeit für lange Gespräche", erwiderte das Hündchen mit wichtiger Miene. „Nur eins will ich euch sagen: Elli und ihr Cousin werden im unterirdischen Land gefangengehalten, und ich muß ihnen helfen."

Die Käuer waren über die traurige Nachricht so erschüttert, daß sie zu schluchzen anfingen, wodurch die Glöckchen an ihren Hüten wieder zu läuten begannen. Da nahmen die Menschlein ihre Hüte ab, damit sie sie beim Weinen nicht störten, und legten sie auf die Erde. „Was fangen wir nun an?" riefen sie verzweifelt.

„Laßt das unnütze Weinen und tragt mich schnell zu Prem Kokus!" befahl Toto. Prem Kokus war der Herrscher des Blauen Landes, und sein Anwesen war nicht weit entfernt. Mehrere junge schnellfüßige Käuer setzten sich in Trab, wobei sie abwechselnd Toto trugen. Vor Tagesanbruch erreichten sie das Haus des Herrschers.

„Ich muß sofort in die Smaragdenstadt zum Weisen Scheuch", sagte das Hündchen, nachdem es Kokus kurz von den Vorgängen im Land der unterirdischen Erzgräber berichtet hatte. Kokus erfaßte sofort die Lage. Tags zuvor hatte ihm ein schneller hölzerner Bote Anordnungen des Weisen Scheuchs zur Verwaltung des Blauen Landes überbracht. Diesem Boten befahl er nun, das Hündchen in die Smaragdenstadt zu tragen. Der Auftrag wurde sehr schnell ausgeführt: Der hölzerne Bote ermüdete ja nicht wie ein Mensch und konnte Tag und Nacht laufen, weil er bei Dunkelheit ebensogut sah wie bei Tageslicht. Zwei Tage später stand der Bote mit dem Hündchen vor dem Tor der Smaragdenstadt. Er mußte dreimal die Glocke ziehen, ehe sich die Pforte öffnete und an der Schwelle ein kleiner grüner Mann mit Brille erschien. Es war Faramant, der Hüter des Tores. An seiner Hüfte hing eine Tasche mit grünen Brillen aller Größen.

„Oh, Ihr seid es", sagte er ruhig. „Ich habe Euch erwartet. Und wo ist die Fee Elli?"

Bei der Kunde von Ellis Gefangenschaft machte Faramant ein trauriges Gesicht. Dann sagte er:

„Ich werde Euch zum Weisen Scheuch, dem Herrscher der Stadt, führen. Er wird ebenso aufrichtig betrübt sein wie ich. Aber Ihr müßt vorerst die grüne Brille aufsetzen, so lautet der Befehl Goodwins, des Großen und Schrecklichen. Einmal hatten wir ihn nicht befolgt und mußten dafür schwer büßen." Er nahm eine Brille aus der Tasche und sagte: „Das ist Eure, da steht noch das Zeichen darauf", setzte sie Toto auf die Nase und ließ das kleine Schloß hinten einschnappen. Im gleichen Augenblick begannen alle Gegenstände vor Toto grün zu funkeln. Kaum hatten Toto und sein Begleiter die Straße betreten, deren hohe Häuser sich oben fast berührten und kühle Schatten warfen, da sprach sich die traurige Geschichte Ellis auch schon in der ganzen Stadt herum. Die Einwohner beugten sich aus den Fenstern hinaus, um dem Hündchen ihr Mitgefühl auszusprechen; viele traten auf die Straße und folgten Toto und Faramant. Als der Zug sich dem Schloß näherte, hatte er schon eine stattliche Länge erreicht. Die vielen erregten Menschen mußten jedoch lange rufen und mit Stöcken an das Gitter klopfen, bis der Soldat Din Gior auf sie aufmerksam wurde. Er stand auf seinem kleinen Turm, hielt sich einen Spiegel vor das Gesicht und kämmte seinen langen, wallenden Bart. Als er den Lärm vernahm, ließ er die Zugbrücke herab, und im nächsten Augenblick schloß er das Hündchen, das er schon damals so liebgewonnen hatte, in seine Arme. Der Scheuch und die Krähe Kaggi-Karr, die gerade bei ihm zu Besuch weilte, waren erschüttert über die Nachricht, daß ihre geliebte Elli im unterirdischen Land festgehalten werde. Der Scheuch begann nachzudenken. Er dachte so lange nach, daß die Näh- und Stecknadeln, die Goodwin den Sägespänen seines Gehirns beigemischt hatte, hervortraten. Dann sagte er: „Wir müssen den Eisernen Holzfäller rufen. Ein kluges Gehirn ist gewiß das Wichtigste auf der Welt, aber ein liebendes Herz ist auch nicht zu verachten. Zu zweit wird uns eher etwas einfallen."

Kaggi-Karr flog sofort los, den Holzfäller holen. Nach vier Tagen traf der eiserne Mann in Begleitung des alten Lestar, des besten Handwerkers des Landes der Zwinkerer, ein. Er erzählte, daß die Krähe, die ihm die traurige Nachricht überbracht hatte, sogleich weitergeflogen sei in das Land des Tapferen Löwen, um auch ihn über das Vorgefallene zu unterrichten.

Der eiserne Mann war über Ellis Unglück so traurig, daß ihm die Tränen über die Wangen liefen, wodurch seine Kiefer einrosteten. Bald konnte er kein Wort mehr sagen, sondern nur noch mit den Armen fuchteln. „Da haben wir die Bescherung! Wie oft hab ich dir gesagt, daß du nicht weinen darfst!" rief der Scheuch, der sofort die Ölkanne vom Gürtel seines Freundes löste und Öl in seinen Kiefer und Gelenke zu träufeln begann. „Ich k-k-konnte m-m-mich nicht b-b-beherrschen", stieß der Mann mühselig hervor. „S-s-sie t-t-tut m-m-mir so leid…" „Sieh, du stotterst ja schon", sagte der Scheuch mißbilligend, „früher ist dir das nicht passiert." „Ich w-w-werde alt, m-m-mein Freund", erwiderte der Holzfäller. „W-w-wenn mir die Tränen kommen, verschlägt es m-m-mir die Sprache." Toto mußte abermals ausführlich über die Abenteuer in der Höhle erzählen. Er lobte Ellis und Freds Tapferkeit über alle Maßen. Als Lestar vom Verschwinden des Schlafwassers hörte, räusperte er sich vielsagend. „Sie wollten etwas sagen?" fragte der Scheuch. „Nein, mir ist nur ein Gedanke gekommen, aber er ist wohl albern. ." Kaggi-Karr, die trotz ihrer Jahre noch sehr schnell war, ließ nicht lange auf sich warten. Sie brachte wichtige Nachrichten aus dem Reich des Löwen. „Der Löwe will gegen die unterirdischen Könige in den Krieg ziehen", erzählte sie. „Als er erfuhr, daß sie Elli gefangenhalten, begann er zu rasen. Wären sie ihm in diesem Augenblick unter die Hände, Verzeihung, unter die Tatzen gekommen, er hätte sie gewiß zerrissen. Ich glaube, Goodwin hat ihm eine zu große Portion Mut gegeben", schloß die Krähe ihren Bericht. „Was tut er jetzt?" fragte der Scheuch.