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„Ich begreife einfach nicht, wozu du den anderen Sklaven brauchst“, meinte Narsisi unwillig. „Daß du die Frau und ein eigenes Zimmer haben wolltest, finde ich ganz natürlich. Mein Vater hat auch sofort die Erlaubnis erteilt. Aber er hat ausdrücklich gesagt, daß meine Brüder und ich dir helfen sollen damit die Geheimnisse der Maschine keinem Fremden bekannt werden.“
„Dann kannst du gleich zu ihm gehen und die Erlaubnis holen, daß der Sklave Mikah mir bei der Arbeit hilft. Er stammt aus dem gleichen Land wie ich und kennt eure Geheimnisse längst. Wenn dein Vater mit dieser Erklärung nicht zufrieden ist, sagst du ihm, daß ich eine Fachkraft brauche, die meine Anweisungen genau ausführt. Du und deine Brüder haben zu viele eigene Ideen, wie alles gemacht werden muß, und außerdem seid ihr mir zu rasch mit dem Hammer bei der Hand, wenn einmal etwas nicht gleich nach Wunsch geht.“
Narsisi verzog das Gesicht und verschwand, während Jason sich vor den Ölofen kauerte und den nächsten Schritt überlegte. Die Sklaven hatten fast den ganzen Tag dazu gebraucht die Maschine auf Baumstämmen, die als Rollen dienten, weit in die Wüste hinauszuschieben; ein Experiment, bei dem Giftgas freiwerden konnte, durfte nur im Freien unternommen werden. Selbst Edipon hatte sich schließlich davon überzeugen lassen, aber auf seinen Befehl hin war eine Absperrung aus aufgehängten Fellen entstanden, die zum Glück auch den Wind abhielt.
Nach längeren Diskussionen kam ein Schmied, nahm Jason die schweren Fesseln an den Handgelenken ab und ersetzte sie durch leichte Fußeisen. Jason konnte damit zwar nicht rasch gehen, aber immerhin waren seine Arme frei. Das war eine wesentliche Verbesserung, obwohl einer der Brüder ihn ständig mit gespannter Armbrust bewachte. Jetzt brauchte er vor allem einige Werkzeuge und mußte sich davon überzeugen, wie hoch die Technik hier entwickelt war, was wieder einen Kampf um die ängstlich gehüteten Geheimnisse bedeutete.
„Komm“, rief er seinem Wächter zu, „ich muß Edipon ein bißchen ärgern.“
Die ursprüngliche Begeisterung des Führers der d’zertanoj war unterdessen verflogen und hatte einer mürrischen Stimmung Platz gemacht.
„Du hast ein eigenes Zimmer“, knurrte er Jason an, „und das Sklavenmädchen, das für dich kocht. Eben erst habe ich befohlen, daß der andere Sklave dir bei der Arbeit hilft. Jetzt willst du schon wieder etwas — soll ich denn völlig ausbluten?“
„Nur keine Übertreibungen. Ich möchte nur einige Werkzeuge und muß die Werkstatt sehen, in der ihr arbeitet. Wenn ich nicht weiß, wie ihr mechanische Probleme löst, kann ich den Teufelskasten in der Wüste nicht reparieren.“
„Der Eintritt ist verboten.“
„Heute sind schon einige Regeln durchbrochen worden, deshalb kann es auf eine mehr nicht ankommen. Gehst du voraus?“
Die Wächter schlossen das Raffineriegebäude offenbar nur ungern für Jason auf, denn sie brauchten ungewöhnlich lange, bis sie alle Schlösser geöffnet und sämtliche Riegel beiseite geschoben hatten. Eine Anzahl ältlicher d’zertanoj quoll ans Tageslicht und verwickelte Edipon in eine lautstarke Diskussion, bis er schließlich seinen Willen durchsetzte. Jason wurde schwer bewacht in das Innere des Gebäudes geführt, wo ihn keine besonderen Überraschungen erwarteten.
„Ziemlich primitiv“, stellte Jason fest und versetzte einem Kasten voller Werkzeuge einen geübten Fußtritt. Die gesamte Destillieranlage leckte an allen Ecken und Enden, weil sämtliche Rohrverbindungen undicht waren. Die Werkzeuge bestanden hauptsächlich aus einfachsten Zangen, Hämmern und Schraubenschlüsseln. Jason freute sich allerdings, als er eine Art Drehbank entdeckte, auf der die massiven Muttern und Schrauben hergestellt wurden, mit denen die Räder an den caroj befestigt wurden. Die Maschine wurde selbstverständlich durch einen Riemen angetrieben, der die Sklavenkraft auf ein Wechselgetriebe übertrug.
Alles hätte schlimmer sein können. Jason suchte sich die kleinsten Werkzeuge zusammen und legte sie beiseite, um sie am folgenden Morgen bei der Hand zu haben. Es war unterdessen so dunkel geworden, daß an Arbeit nicht mehr zu denken war.
Sie verließen die Raffinerie in der gleichen Ordnung, in der sie gekommen waren. Zwei der Wächter führten Jason zu der Kammer, die ihm angewiesen worden war. Nachdem der schwere Riegel eingerastet war, kniff Jason die Augen zusammen und versuchte den Dunst der Öllampe zu durchdringen.
Ijale hockte vor dem winzigen Ölherd und kochte etwas in einem Tongefäß. Sie sah kurz auf, lächelte Jason zögernd zu und wandte sich sofort wieder um. Jason ging zu ihr hinüber, roch an dem Gekochten und schüttelte sich.
„Ein Festessen! Krenoj als Suppe. Vermutlich gibt es nachher frische krenoj und am Schluß krenoj als Salat. Ab morgen werde ich für etwas Abwechslung sorgen, sonst halte ich es nicht mehr lange aus.“
„Ch’aka ist groß“, flüsterte Ijale, ohne dabei aufzusehen. „Ch’aka ist mächtig…“
„Ich heiße übrigens Jason. Den vorherigen Job habe ich verloren, als ich die Uniform ausziehen mußte.“
„… Jason ist mächtig und verzaubert die d’zertanoj, damit sie tun, was er will. Sein Sklave dankt dir.“
Er hob ihr Kinn zu sich empor und ärgerte sich über die dumpfe Ergebenheit, die in ihren Augen stand. „Wann hörst du endlich damit auf? Wir sitzen gemeinsam in der Patsche und werden auch gemeinsam wieder herauskommen.“
„Wir werden entkommen, ich weiß es. Du wirst die d’zertanoj umbringen und deine Sklaven befreien. Dann wirst du uns nach Hause zurückführen, wo wir wieder krenoj suchen und diesen schrecklichen Ort vergessen können.“
„Manche Mädchen sind eben mit wenig zufrieden… Ich hatte mir ziemlich genau den gleichen Ablauf vorgestellt — allerdings mit einer Ausnahme. Wenn wir von hier fliehen, möchte ich nichts mehr mit den anderen zu tun haben, deshalb werden wir in die entgegengesetzte Richtung verschwinden.“
Ijale hörte aufmerksam zu, wobei sie mit einer Hand die Suppe umrührte, während sie sich mit der anderen kratzte. Jason mußte sich ebenfalls kratzen und überlegte dabei, daß er etwas gegen die Läuse tun mußte, bevor sie ihn vollends auffraßen.
„Genug ist genug!“ rief er plötzlich, ging an die Tür und schlug mit der Faust dagegen. „Wir sind hier zwar unter die Wilden geraten, aber trotzdem sehe ich nicht ein, weshalb wir gleich so verkommen müssen.“ Draußen wurde der Riegel zurückgeschoben, dann steckte Narsisi den Kopf durch die Tür.
„Warum schreist du so? Was paßt dir denn schon wieder nicht?“
„Ich brauche Wasser, viel Wasser.“
„Du hast doch genügend Wasser“, meinte Narsisi erstaunt und wies auf den Steinkrug in der Ecke. „Das reicht für mindestens drei Tage.“
„Vielleicht für deine Ansprüche, Nars, aber nicht für meine. Ich möchte mindestens zehnmal soviel und will es sofort. Und etwas Seife, falls es die hier überhaupt gibt.“
Narsisi wollte nicht recht, aber Jason überzeugte ihn schließlich, indem er von religiösen Riten sprach, die unerläßlich seien, wenn er morgen gute Arbeit leisten solle. Das Wasser wurde in vier großen Gefäßen gebracht, während die flüssige Seife nur ein flache Schale füllte.
„Jetzt fängt der Spaß an“, verkündete Jason. „Zieh dich aus, Ijale — ich habe eine Überraschung für dich.“
„Ja, Jason“, antwortete das Mädchen, lächelte glücklich und legte sich auf das niedrige Bett.
„Nein! Du sollst ein Bad nehmen. Weißt du nicht, was ein Bad ist?“
„Nein“, sagte Ijale zitternd. „Aber es klingt nicht schön.“
„Hierher und herunter mit den Fellen“, befahl Jason und zeigte auf ein Loch im Fußboden. „Das scheint der Abfluß zu sein — jedenfalls fließt das Wasser ab, wenn man welches hineinschüttet.“