In der Aufregung achtete niemand auf die fliehenden Sklaven, die unter Jasons Führung sicher den Arbeitsplatz erreichten. Nur ein Wachtposten erkannte sie, als sie eine freie Fläche überqueren mußten, und folgte ihnen nach einigem Zögern. Jason führte den Feind geradewegs zu seinem kostbaren Dampfwagen, aber er hatte keine andere Wahl. Das Ding pfiff laut genug, um jedem seine Anwesenheit zu verraten, und wenn Jason es nicht bald erreichte, sank der Druck im Kessel so weit ab, daß an eine Flucht nicht mehr zu denken war. Er setzte über den bewußtlosen Posten am Eingang hinweg und rannte auf die Maschine zu. Snarbi kauerte neben einem Rad, aber Jason hatte im Augenblick keine Zeit für ihn. Als das Sicherheitsventil geschlossen war, herrschte bedrückende Stille.
Jason kurbelte wie wild und warf dabei einen Blick auf das Anzeigegerät — der Druck reichte nicht einmal aus, um zehn Meter weit zu fahren. Im Kessel zischte das Wasser, während die d’zertanoj wütende Schreie ausstießen, als sie die Abschirmung erreichten und den heimlich gebauten caro sahen. Jason setzte rasch einen Molotail in Brand und schleuderte ihn den Eindringlingen entgegen, die entsetzt zurückwichen, als vor ihnen Flammen aufzüngelten. Dann wandten sie sich endgültig zur Flucht, als Jason in rascher Folge fünf weitere Feuerbomben warf. Sie schienen sich bis in die Stadt zurückzuziehen, obwohl in der Dunkelheit nicht zu erkennen war, ob nicht einige wieder umgekehrt waren und nun heranschlichen.
Jason rannte zu dem caro zurück, klopfte gegen das Manometer, dessen Zeiger sich noch nicht bewegt hatte, und öffnete das Brennstoffventil so weit wie möglich. Dann band er auch noch das Sicherheitsventil fest, weil er sich überlegte, daß der von ihm konstruierte Kessel wesentlich höheren Druck aushielt als ursprünglich vorgesehen. Jetzt konnte er nur noch warten, bis der Dampfdruck wieder ausreichte, um das Fahrzeug zu bewegen. Die d’zertanoj würden sich zusammenschließen, jemand würde den Befehl übernehmen und einen erneuten Angriff beginnen. Falls der Druck bis zu diesem Zeitpunkt hoch genug war, konnten sie rechtzeitig fliehen. Wenn nicht…
„Mikah — und du auch, Snarbi, du jämmerlicher Feigling, stellt euch dort hinten hin und schiebt“, sagte Jason.
„Was ist geschehen?“ fragte Mikah. „Hast du die Revolution begonnen? In diesem Fall kann ich dich nicht unterstützen…“
„Wir wollen nur fliehen, wenn du nichts dagegen hast. Nur ich, Ijale und ein Führer, der uns den Weg zeigt. Du brauchst nicht mitzukommen.“
„Ich komme mit. Die Flucht vor diesen Barbaren ist kein Verbrechen.“
„Wie nett, daß du das zugibst. Los, an die Arbeit! Ich möchte, daß das Fahrzeug genau in der Mitte des Platzes steht, wo es von allen Wänden gleichweit entfernt ist. Außerdem soll es in das Tal hinunterrollen können. Das ist doch der richtige Weg, Snarbi?“
„Stimmt“, antwortete der Söldner mit heiserer Stimme, in der deutlich seine noch immer nicht überwundene Angst vor der Teufelsmaschine mitschwang.
„Halt, hier ist die richtige Stelle. Alles aufsteigen! Haltet euch an den Griffen fest, die ich angebracht habe, damit ihr nicht über Bord geht — falls wir überhaupt wegkommen.“
Jason überzeugte sich mit einem raschen Blick, daß er alles aufgeladen hatte, was er vielleicht später noch einmal brauchen konnte, und kletterte schließlich selbst auf das Fahrzeug. Er blies die Laterne aus, dann saßen sie in der Dunkelheit und lauschten gespannt auf verdächtige Geräusche. Der flackernde Lichtschein aus der Feuerung unter dem Kessel machte die Szene noch unwirklicher und angsterregender. Die Zeit verstrich unendlich langsam; jede Sekunde wurde zu einer Ewigkeit. Die Abschirmung des Arbeitsplatzes nahm jede Sicht nach draußen, so daß man sich schon nach kurzer Zeit einbilden konnte, die Nacht sei von schleichenden Horden erfüllt, die sich jeden Augenblick auf den caro und seine Insassen stürzen mußten.
„Kommt, wir rennen weg“, drängte Snarbi und versuchte abzuspringen. „Hier sitzen wir in der Falle!“
Jason stellte ihm ein Bein, so daß der Mann zu Boden ging.
„Der arme Mann tut mir leid“, sagte Mikah. „Deine Brutalität ist wirklich überflüssig, Jason. Schließlich kann er nichts für seine Angst. Beten wir lieber für unsere Rettung, anstatt uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.“
„Wenn dieser arme Mann, der dir so leid tut, seine Pflicht getan und auf den Kessel geachtet hätte, wären wir schon längst aus dieser Klemme heraus. Und wenn du noch Atem für ein Gebet hast, kannst du ihn besser dazu benützen, in die Feuerung zu pusten. Hier kommen wir nicht durch Gebete oder fromme Wünsche weg, sondern nur dann, wenn im Kessel genügend Druck vorhanden ist…“
Als die Horde d’zertanoj am Eingang erschien, ertönte ein lauter Schlachtruf, der von den anderen Bewaffneten wiederholt wurde, die sich von hinten an die Umzäunung angeschlichen hatten und nun auf den unbeweglichen caro losstürmten. Die Angreifer lachten vor Freude, als sie sahen, daß sie das Fahrzeug in ihrer Mitte hatten. Jason setzte fluchend vier Molotails gleichzeitig in Brand und schleuderte sie paarweise in verschiedene Richtungen. Bevor sie aufprallten, stand er bereits am Dampfventil und riß es auf; der caro zischte und setzte sich in Bewegung. Die Angreifer schrien auf, als die Flammen ihnen den Weg versperrten, während das Fahrzeug sich gleichzeitig zwischen den beiden Gruppen hindurch seinen Weg bahnte. Armbrustbolzen zischten durch die Luft, aber die meisten waren schlecht gezielt, so daß nur einige Geschosse die Rückseite des Wagens trafen.
Mit jeder Umdrehung der Räder erhöhte sich ihre Geschwindigkeit, so daß die lederne Abschirmung sofort abriß, als Jason den caro hindurchsteuerte. Sie waren durch und rasten in das Tal hinab, während hinter ihnen das Wutgeschrei der d’zertanoj verklang. Jason umklammerte das Steuer und rief nach Mikah, der ihn ablösen sollte. Wenn er losließ, würde das Fahrzeug an einem Felsen zerschellen, aber solange er steuerte, konnte er die Geschwindigkeit nicht verringern. Mikah schien endlich begriffen zu haben, was Jason von ihm wollte, denn er kroch nach vorn, wobei er sich an jedem Handgriff festhielt, und blieb neben Jason stehen.
„Hier, nimm den Hebel! Du brauchst ihn nur gerade zu halten und so zu steuern, daß wir nicht gegen einen Felsbrocken stoßen.“
Nachdem Mikah seine Aufgabe übernommen hatte, kletterte Jason nach rückwärts und verringerte die Dampfmenge, die in die Zylinder strömte; das Fahrzeug wurde langsamer und hielt schließlich völlig an. Ijale stöhnte leise, und Jason hatte das Gefühl, sein Körper bestehe nur noch aus blauen Flecken. Sie waren nicht verfolgt worden; die d’zertanoj würden mindestens eine Stunde brauchen, um eins der anderen Fahrzeuge betriebsbereit zu machen, und an eine Verfolgung zu Fuß war bei dieser Geschwindigkeit bestimmt nicht zu denken. Die Laterne, die Jason zuvor benutzt hatte, war während der wilden Flucht verlorengegangen, deshalb holte er jetzt eine neue, die er selbst konstruiert hatte.
„Los, steh auf, Snarbi“, befahl er. „Ich habe uns aus der Sklaverei befreit — jetzt bist du an der Reihe. Wir verlassen uns ganz auf deine Führung. Ich hatte keine Zeit mehr, um vorn an der Maschine Lampen anzubringen, deshalb mußt du mit der Laterne in der Hand vorausgehen und uns den richtigen Weg zeigen.“