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»Es ist noch früh am Abend!« rief ihm der Dicke hinterher. »Wo gehst du hin?«

Aber der maskierte Spieler war bereits zwischen zwei Buden verschwunden.

»Es tut mir leid«, sagte ich, »Ich wollte ihn nicht verärgern.«

»Schon gut«, sagte der Dicke. »Das ist immer so. Er ist ein empfindlicher Bursche, hitzig, anmaßend und leichtsinnig. Zweifellos sollte ihm der Boden dankbar sein, daß er sich herabläßt, über ihn zu schreiten. Andererseits scheint sein Spiel sehr gut zu sein. Vermutlich sogar zu gut für das, was wir brauchen.«

»Vielleicht sollte er sich um Mitgliedschaft in der Kaste der Spieler bewerben«, schlug ich vor.

»Das scheint ihn nicht zu verlocken«, sagte der Dicke.

»Ach so.«

»Außerdem ist er ein groteskes Ungeheuer. Sogar die Sklaven fürchten ihn.«

»Ich verstehe.«

»Im Vertrauen gesagt, wenn er nicht so gut spielen könnte, wäre er nicht bei uns.«

»Ich verstehe«, sagte ich und lächelte. In Kaissa-Klubs konnte man mehr Geld verdienen, soviel stand fest. Es war interessant, daß der Kerl gehinkt hatte. Ich hatte mal einen Kaissa-Spieler gekannt, der ebenfalls gehinkt hatte. Aber das war schon lange her.

»Hast du jemals gegen ihn gespielt?« fragte ich.

»Nein«, sagte der Dicke. »Ich spiele nicht.«

»Bist du Boots Tarskstück?« fragte eine Stimme hinter uns. Der Dicke wurde bleich.

Ich drehte mich um.

»Ich grüße dich, Kapitän«, sagte der Mann.

»Ich grüße dich«, erwiderte ich. Es war der Beamte des Herrn der Lustbarkeiten. Hinter ihm standen die beiden Mitglieder der Ratswache.

»Bleib stehen«, sagte der Beamte zu dem Dicken, der anscheinend gerade zwischen der Bühne und der Kaissa-Bude hatte verschwinden wollen.

»Meintest du mich?« fragte er höflich und drehte sich um. Eine eindeutige Geste des Beamten, der auf eine Stelle vor sich deutete, brachte ihn schnell zurück. »Ja?« fragte er noch immer höflich.

»Ich glaube, du bist Boots Tarskstück«, sagte der Beamte. »Von der Theatertruppe Boots Tarskstück.«

»Er muß hier irgendwo in der Nähe sein«, sagte der Dicke. »Wenn du willst, werde ich ihn für dich suchen.«

»Bleib stehen«, befahl der Beamte.

Der Dicke kam zurück.

»Das ist er«, sagte einer der Wächter.

»Ich wollte niemanden beleidigen«, sagte der Dicke. »Nur ein kleiner Scherz!«

»Du bist Boots Tarskstück«, sagte der Beamte und betrachtete einen gemalten Handzettel, der mit anderen Papieren zusammengeheftet war. »Schauspieler, Theaterdirektor und Impresario der Theatertruppe von Boots Tarskstück?«

»Zu Diensten«, sagte Boots und machte eine tiefe Verbeugung. »Was kann ich für dich tun?«

Das Mädchen kniete wieder mit gesenktem Kopf an meiner Seite. Sie hatte die Haltung in dem Augenblick eingenommen, als der Beamte und die Wachen gekommen waren.

»Wir sind hier in Zusammenhang mit einer Auftrittserlaubnis«, sagte der Beamte.

»Ja, und?« fragte Boots Tarskstück freundlich.

»Hast du eine?«

»Würdest du mich in mein Quartier begleiten?« fragte Boots. »Wir haben da ein paar wohlschmeckende Larmas, und vielleicht haben du und deine Männer ja Lust, meine Bina und Brigella auszuprobieren.«

»In der Erlaubnis steht die Bestimmung, daß Mädchen, die Mitglied solcher Truppen wie der deinen sind, vorausgesetzt, es handelt sich um Sklavinnen, befohlen werden kann, Wohnungen aufzusuchen und demjenigen zu dienen, den der Rat oder ein vom Rat bestellter Beamter nennt«, sagte der Beamte.

»Ich lese die Bestimmungen auf den Dokumenten ganz selten«, sagte der Theaterdirektor. »Solche Dinge sind so langweilig.«

»Du hast doch eine Erlaubnis, oder?« fragte der Beamte.

»Aber natürlich!« erwiderte Boots entrüstet. »Schließlich sind sie Gesetz. Niemand, der auch nur einen Funken Ethik sein eigen nennt, käme auf den Gedanken, ohne Erlaubnis zu arbeiten.«

»Darf ich deine Erlaubnis sehen?« fragte der Beamte.

»Selbstverständlich«, sagte Boots fummelte in seinem Gewand herum, »Sie ist hier irgendwo.« Er sah in seinen Geldbeutel. »Irgendwo«, versicherte er dem Beamten. »Nein«, sagte er dann, nachdem er das zweitemal in seinem Gewand und das drittemal in seinem Geldbeutel nachgesehen hatte. »Sie muß in meinem Quartier sein, vielleicht in der Kleidertruhe. Ich bin sofort wieder da. Ich hoffe, ich muß nicht entdecken, daß man mich beraubt hat!«

»Stehenbleiben!« sagte der Beamte.

»Ja«, sagte Boots und drehte sich wieder um.

»Laut unseren Unterlagen hast du keine Erlaubnis«, sagte der Beamte. »Du hast nicht darum nachgesucht, und du hast auch keine bekommen.«

»Ich kann mich genau daran erinnern, mir eine Erlaubnis geholt zu haben«, sagte Boots.

Der Beamte sah ihn wütend an.

»Es ist aber durchaus möglich, daß es im letzten Jahr war«, sagte Boots. »Oder etwa im Jahr davor?«

Der Beamte schwieg.

»Sollte ich es vergessen haben?« fragte Boots ent setzt. »Das scheint unmöglich!«

»Das ist gar nicht so schwer zu glauben«, bemerkte der Beamte. »Schließlich ist es drei Jahre hintereinander passiert.«

»Nein!« schrie Boots entsetzt auf.

»Es sind Leute wie du, die Schurken einen schlechten Ruf verleihen«, sagte der Beamte.

»Was schreibst du da?« fragte Boots besorgt.

»Einen Übergabebefehl.«

»Und wozu ist der gut, wenn ich fragen darf?« Boots ließ nicht locker.

»Dein Besitz, einschließlich deiner Schauspielerinnen, wird beschlagnahmt«, sagte der Beamte. »Die Staatsketten werden ihnen gut stehen. Du selbst wirst öffentlich auf dem Platz ausgepeitscht und für fünf Jahre aus Port Kar verbannt werden.«

»Es ist Karneval«, sagte ich zu dem Beamten.

»Kapitän?«

»Wieviel schuldet er?«

»Die Auftrittserlaubnis kostet einen Silbertarsk.«

»Deine Schauspieler haben doch bestimmt einen Silbertarsk eingenommen«, sagte ich zu Boots Tarskstück.

»Nein«, erwiderte er. »Wir haben heute abend nur siebenundneunzig Tarskstücke eingenommen, also nicht einmal zehn Kupfertarsk.« Auf Gor unterscheidet sich der Geldwert von Stadt zu Stadt. In Port Kar und ganz allgemein im Voskbecken sind zehn Tarskstücke ein Kupfertarsk und einhundert Kupfertarsk ein Silbertarsk.

»Du hast doch sicherlich etwas gespart«, meinte ich.

»Aber nicht genug«, erwiderte er. »Wir leben von der Hand in den Mund. Manchmal reicht es nicht einmal zum Essen.«

»Es geht um mehr als einen Silbertarsk, Kapitän«, sagte der Beamte. »Da sind die beiden vorherigen Jahre zu beachten sowie die Zinsen und die üblichen Nebeneinkünfte.«

»Ich bin ruiniert«, sagte Boots Tarskstück.

»Nicht so schnell, Beamter«, sagte ich. »Boots Tarskstück ist ein alter Freund von mir, ein sehr alter Freund.«

Boots sah mich überrascht an. Dann nickte er ernst. Wir kannten uns schon lange, mindestens seit zehn Ehn.

»Wenn es dein Wunsch ist, Kapitän«, sagte der Beamte und lächelte. »Ich werde die Angelegenheit nicht weiter verfolgen.« Er kannte mich. Er war am 25. Se’Kara bei der Flotte gewesen.

»Man kennt Boots überall als einen ehrlichen Mann«, fuhr ich fort.

Boots sah überrascht aus.

»Er bezahlt immer seine Schulden«, versicherte ich dem Beamten.

»Ach ja?« fragte Boots. »Aber ja!« beeilte er sich dann dem Beamten zu versichern.

»Also bezahl den Mann«, sagte ich.

»Womit denn?« fragte Boots flüsternd.

»Mit deinem Gewinn.«

»Das sind nicht einmal zehn Tarsk«, zischte Boots.

»Sieh in den Schalen deiner Bina und Brigella nach«, schlug ich vor.

»Habe ich schon.«

»Dann sieh noch einmal nach.«

Er drehte sich um und ging, kam aber noch einmal zurück und wollte das Kupferkästchen aufheben, das neben dem Kaissa-Tisch stand.

»Laß es stehen«, sagte ich.

Er zuckte mit den Schultern, richtete sich wieder auf und verschwand.