»Er wird zweifellos zurückkommen«, lächelte der Beamte.
»Auf keinen Fall wird er aus der Stadt fliehen können«, sagte einer der Wächter.
Ich bückte mich, hob das Kästchen auf und steckte drei Silbertarsk in den Schlitz. »Das deckt die Gebühren für drei Jahre«, sagte ich. Dann schob ich noch einen Silbertarsk hinein. »Das sollte reichen, um die anfallenden Zinsen zu bezahlen.«
»Das ist mehr als genug«, sagte der Beamte.
»Dieser Tarsk«, sagte ich und steckte die Münze in den Schlitz, »ist für den Herrn der Lustbarkeiten.«
»Du bist sehr großzügig, Kapitän«, sagte der Beamte beeindruckt. »Das ist weitaus mehr, als normalerweise erwartet wird.«
»Und dieser Tarsk ist für dich und deine Männer.«
»Das ist unnötig, Kapitän«, protestierte der Beamte.
Die Münze fiel in das Kästchen. »Es ist Karneval.« Ich lächelte.
»Vielen Dank, Kapitän.«
Ich stellte das Kästchen wieder neben den Kaissa-Tisch.
»Es hat keinen Zweck, meine Freunde«, sagte Boots Tarskstück, als er mit den beiden leeren Münzschüsseln zurückkehrte. »Sie sind leer.«
»Was ist mit dem Kästchen?« fragte der Beamte und deutete auf den Kaissa-Tisch. »Es enthält Geld, das du in deiner Kaissa-Bude eingenommen hast, das also auch deiner Truppe gehört, oder nicht?«
»Aber da sind nur drei Tarskstücke drin«, klagte Boots Tarskstück.
»Vertraust du ihm?« fragte der Beamte einen der Wächter.
»Auf keinen Fall«., erwiderte der Mann.
»Aufmachen«, befahl der Beamte.
»Also gut«, sagte Boots mit einem Schulterzucken. Als er das Kästchen aufhob, legte sich plötzlich ein seltsamer Ausdruck auf sein Gesicht. Er schüttelte es. Das unmißverständliche Klappern mehrerer Münzen ertönte.
Mit fieberhafter Eile holte er einen Schlüssel aus dem Geldbeutel. Einen Augenblick später hatte er das Vorhängeschloß der Kette gelöst, hob den Kasten in die Höhe und klappte ihn auf.
»Du durchtriebener, dicker Schurke«, schalt ihn der Beamte. »Du hast uns zum Narren gehalten.«
Boots sortierte mit weitaufgerissenen Augen die Münzen.
»Wieviel ist es?« fragte der Beamte.
»Drei Tarskstücke«, sagte der Theaterdirektor, »und fünf Silbertarsk.«
»Drei Silbertarsk für die alte und neue Auftrittsgebühr, einen für die Zinsen und einen für den Herrn der Lustbarkeiten«, sagte der Beamte.
Boots zählte die Münzen ab und gab sie ihm.
»Und was ist mit einer Aufmerksamkeit für mich und meine Männer?«
Boots zog den letzten Silbertarsk aus dem Ärmel und reichte ihm dem Beamten mit einem peinlich berührten Gesichtsausdruck. Ich hatte nicht gesehen, daß er ihn dort versteckt hatte. Er mußte sehr geschickt sein.
Das Mädchen zu meinen Füßen hielt mittlerweile mein Bein umklammert und drückte unterdrückt schluchzend Küsse darauf.
»Es hat den Anschein, als sei eine Sklavin bereit«, grinste der Beamte.
»Schon möglich«, erwiderte ich unbeteiligt.
»Das Lustgestell, Herr«, jammerte sie. »Bitte bring mich zum Lustgestell!«
Ich zog sie auf die Füße.
»Einen fröhlichen Karneval!« wünschte ich den Männern.
Sie erwiderten den Gruß.
Ich stieß die Sklavin vor mir her, und wir bahnten uns einen Weg durch die Menschenmenge. In wenigen Ehn hatten wir den Platz überquert und waren bei den Gestellen angekommen. Es gab zwei Arten von ihnen; die einen waren raffinierte Gestelle mit verstellbaren Fesseln und einer Liegefläche aus flachen, weichen, gekreuzten Bändern, während die anderen einfache Netzgestelle darstellten, kaum mehr als stabile Holzrahmen mit netzähnlich angebrachten Stricken. Bei diesen Gestellen bindet man die Frau mit einfachen Seilen. Ich brachte die Sklavin zu einem der Netzgestelle. Die anderen waren alle belegt.
Die Sklavin warf sich mit dem Bauch auf das Netz und drehte sich dann auf den Rücken. Sie schob Hände und Füße auf gewisse Weise in das Netz. Ich machte mir nicht die Mühe, sie zu fesseln. Ich legte mich zu ihr. Nur wenige Augenblicke später starrte sie mich wild und dankbar an, von den Zuckungen eines Orgasmus geschüttelt.
»Kauf mich«, sagte sie hinterher. »Du hast Geld. Bitte kauf mich! Ich werde dir immer treu dienen!«
Ich küßte sie und zog mich aus ihr zurück; neben dem Gestell brachte ich meine Kleidung wieder in Ordnung.
Die Sklavin zog Hände und Füße aus dem Netz, löste sich aus dem Gestell und kniete vor mir nieder. Die Abdrücke der Seile zeichneten sich auf ihrer Haut ab. Sie sah zu mir hoch. »Ich wollte nicht unverschämt sein. Bitte verzeih mir.«
Ich zog sie auf die Füße und küßte sie. »Schon gut«, sagte ich.
Sie sah mich an.
»Geh zu deinem Herrn. Sieh zu, daß du ihm noch mehr Vergnügen bereitest, als du mir bereitet hast.«
»Ja, Herr«, lächelte sie, drehte sich um und verschwand in der Menge. Die erste Pflicht eines Sklaven gehört seinem Herrn.
Ich wandte mich ab. Fs wurde spät, und ich überlegte, in mein Haus zurückzukehren. Da fiel mir meine Unterhaltung mit Henrius ein. Er hatte mir erzählt, daß mich jemand erwartete. Ich fragte mich, wer das wohl sein konnte. Vielleicht hatte es etwas mit Samos zu tun. Bei unserem letzten Beisammensein in seinem Haus war er sehr ausweichend gewesen. Der Unbekannte wollte mich in Pavillon siebzehn treffen. Ich drehte mich und ging neugierig in Richtung der Roten Pavillons. Die Roten Pavillons werden normalerweise von Sklavenhändlern aufgestellt, in ihnen können gute Kunden oder ihre Mittelsmänner die teurere Ware in Augenschein nehmen und ausprobieren. Für gewöhnlich werden sie in den Höfen der Sklavenhändler aufgestellt; zu besonderen Zeiten findet man sie auch auf Festen. Die Roten Pavillons auf dem Platz waren anläßlich des Karnevals aufgestellt worden. Sie dienten im Prinzip Werbezwecken und wurden von den verschiedenen Häusern der Sklavenhändler gestiftet, damit sich freie Männer vergnügen konnten. Das Haus von Samos zum Beispiel hatte die ersten fünf Pavillons gestellt, jeder komplett mit Einrichtung und einer reizenden Bewohnerin. In dem fünften Pavillon befand sich die Sklavin Rowena, wie ich gehört hatte. Samos wollte sie schnell ausbilden, denn er wollte sie, wie ich mich erinnerte, beim Jahrmarkt von En’Kara zusammen mit anderen verkaufen.
Ich ging die Pavillons ab, bis ich zu Nummer siebzehn kam. Bei den meisten Pavillons waren die Vorhänge zugezogen; die Stoffwände und die Vorhänge sind meistens undurchsichtig. Bei zwei Pavillons standen die Vorhänge einen Spaltbreit offen. In dem einen sah ich eine Sklavin, die sich in Ketten langsam vor einem Mann wand.
Merkwürdigerweise hatte der Pavillon Nummer siebzehn ein Schild angesteckt, auf dem Geschlossen stand. Der Vorhang war vorgezogen, schien aber nicht von innen festgemacht worden zu sein. Ich sah mich um. Ein paar Männer waren in der Nähe, einige mit Karnevalsmasken, aber keiner schien sich um diesen Pavillon zu kümmern. Ich wartete ein paar Augenblicke lang. Niemand trat auf mich zu. Andererseits sollte ich mich mit dem Unbekannten hier treffen, zumindest demzufolge, was man Henrius gesagt hatte. Ich fragte mich, wer ihn angesprochen hatte. Ob die Angelegenheit irgend etwas mit den Priesterkönigen zu tun hatte? Es schien alles sehr geheimnisvoll zu sein. Ein normales Treffen wäre doch sicher auf herkömmliche Weise in die Wege geleitet worden.
Ich schob den Vorhang beiseite und trat ein. Der Vorhang fiel hinter mir wieder zu. Eine kleine Tharlarionöl-Lampe erhellte das Innere des Pavillons. Er war von dem unbedeutenden Sklavenhändler Vart, dem ehemaligen Publius Quintus aus Ar, zur Verfügung gestellt worden. Vart war mir draußen nicht begegnet. Ich fragte mich, warum der Pavillon geschlossen war. Vielleicht hatte Vart ihn für eine Ahn oder länger vermietet. Vielleicht handelte es sich hier auch nur um ein Mißverständnis.
Auf dem großen weichen Kissen im hinteren Teil des Pavillons lag eine hübsche zierliche Frau, eine sinnliche Rothaarige. Sie lag ungewöhnlich reglos da. Ich trat zu ihr, kniete neben ihr nieder und legte die Fingerspitzen oberhalb des Sklavenkragens an ihren Hals. Sie lebte. Ich zog sie in eine sitzende Haltung, roch an ihrem Mund und berührte mit der Zungenspitze ganz vorsichtig ihre Lippen. Es war nichts zu schmecken. Am linken Mundwinkel war ein Fleck Ka-la-na-Wein. Zweifellos hatte man ihr Tassapulver verabreicht. Es hinterließ keine Spuren und wirkte schnell. Sie würde vermutlich noch Stunden schlafen. Die Lampe flackerte. Man hatte der Sklavin die Hände auf den Rücken gefesselt; ihre Fußgelenke waren ebenfalls über Kreuz gelegt und gefesselt worden. Die Riemen waren schmal, dunkel und saßen sehr straff. Ich legte das Mädchen wieder aufs Kissen.