»Ja«, sagte ich.
»Wenn es für dich wieder sicher ist, dich öffentlich in Port Kar zu zeigen oder mit mir Kontakt aufzunehmen, wird die scharlachrote durch gelbe Sklavenseide ersetzt sein.«
»Ich verstehe.«
»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte er. Wir reichten uns die Hände.
»Ich wünsche dir alles Gute«, sagte ich.
Samos verließ den Pavillon. Ich blieb noch ein paar Ehn. Es wäre nicht gut gewesen, hätte man uns zusammen gesehen. Ich sah den Mann auf dem Teppich an, in dessen Herz sein eigenes, von meiner Hand geführte Messer steckte. Ich dachte an die Geschichte von Yngvar dem Weitgereisten. Es gab wohl eine neue Ordnung bei den Sardar. Ich bedauerte nicht, wie ich mich in Zarendargars Fall verhalten hatte. Wir hatten den Paga geteilt.
Ich lauschte der Fröhlichkeit der Menschen, die draußen den Karneval feierten, ihren Rufen, der Musik.
Ich mußte Port Kar noch in dieser Nacht verlassen. Ich würde zu meinem Haus gehen und die nötigen Vorbereitungen treffen; ich würde mir Waffen, Geld und Kreditbriefe holen. In zwei Ahn konnte man auf dem Rücken eines Tarn weit fort sein, bevor die Priesterkönige das Scheitern ihrer Pläne entdeckten.
Ich warf noch einen Blick auf die rothaarige kleine Sklavin, die an Händen und Füssen gefesselt auf dem großen Kissen lag. Sie war während der ganzen Geschehnisse nicht einmal aufgewacht. Tassapulver ist wirksam.
Ich verließ den Pavillon und mischte mich unter die Menge.
Ich war verbittert.
Ich würde allein gehen, denn ich wollte meine Gefolgsleute weder in Gefahr bringen noch sie in den dunklen Kampf zweier Welten verwickeln. Meine Abreise schien die beste Möglichkeit zu sein, Samos’ Sicherheit zu garantieren. Er war mein Freund. Er hatte viel für mich riskiert. In zwei Ahn wäre ich auf dem Rücken eines Tarns verschwunden.
»Wie ich sehe, hast du die Gunst einer freien Frau gewonnen«, sagte ein Mann.
»Was?« Ich sah gedankenverloren auf.
»Das da!« Er zeigte auf das Seidentuch, das in der Kragenöse meines Gewandes steckte.
»Oh«, sagte ich. »Ja, sieht so aus.« Ich warf einen Blick auf das Tuch, das ich ganz vergessen hatte.
»Paga?« fragte er und hielt mir seinen Bota hin.
»Sicher«, sagte ich und trank einen Schluck.
»Es muß schön sein, die Gunst einer freien Frau gewonnen zu haben«, meinte er.
»Ich und ein paar hundert anderer Männer«, erwiderte ich.
»Die Gunst einer bestimmten Person.«
»Selbst da fürchte ich, bin ich nur einer von zehn«, sagte ich.
»Einer von fünfzehn!«
»Ach ja?«
»Ja.«
Ich zuckte mit den Schultern. Das Spiel der Gunstbezeugungen kann mit jeder Zahl von Tüchern gespielt werden, obwohl normalerweise nur zehn Stück verteilt werden.
»Einen schönen Karneval!« wünschte der Mann.
»Einen schönen Karneval!«
Ich wandte mich ab, um zu dem Kontrollpunkt zu kommen, wo ich mit meinem numerierten Zettel meine Waffen zurückerhalten würde. Die Menge war kleiner geworden, obwohl der Platz noch immer gut besucht war.
Ich stolperte, richtete mich aber wieder auf. Sicherlich hatte ich nicht soviel Paga getrunken.
Ich machte noch zwei Schritte, dann fiel ich auf ein Knie. Der Platz schien sich unter mir zu bewegen. Ich kämpfte um mein Gleichgewicht. Masken und Kostüme wirbelten um mich herum.
»Was ist los?« fragte eine Stimme.
»Er hat zuviel Paga getrunken«, sagte eine andere Stimme.
Ich wollte aufstehen, fiel jedoch vornüber.
»Ist schon gut«, sagte eine Stimme.
Um mich herum wurde es dunkel. Ich kämpfte darum, das Bewußtsein nicht zu verlieren. Jede Bewegung fiel mir schwer. Ich konnte nicht mehr sprechen.
»Setzt ihm eine Maske auf«, flüsterte eine Stimme.
Ich fühlte, wie man mir eine Karnevalsmaske überstülpte.
»Nein«, schien ich zu sagen, aber in Wirklichkeit kam kein Laut über meine Lippen.
Ich fühlte, wie man mich auf die Füße zog und meine Arme über die Schultern zweier Männer legte.
»Was hat er?« fragte eine Stimme.
»Zuviel Paga«, wiederholte eine andere Stimme.
»Ist alles in Ordnung mit ihm?«
»Ja.«
»Nein!« Ich wollte es hinausschreien, konnte es aber nicht.
»Braucht ihr Hilfe?« fragte ein Mann.
»Nein.«
»Bestimmt nicht?«
»Nein, Bürger«, sagte einer der Männer, die mich stützten. »Wir schaffen es schon. Vielen Dank.«
Dann hatte ich den Eindruck, daß wir allein waren.
»Bringt ihn ins Boot zu den anderen«, sagte eine fremde Stimme. Sie gehörte einer Frau.
Dann verlor ich das Bewußtsein.
3
»Der da«, sagte sie. »Bringt ihn in mein Zelt.«
»Beweg dich!« befahl der Wächter.
Ich senkte den Kopf und betrat das Zelt. Die zu eng sitzenden Handfesseln hatten die Haut aufgescheuert und ich rieb mir die Handgelenke. Dann richtete ich mich zu meiner vollen Größe auf.
Das Zelt wurde von fünf Pfosten gestützt und bestand aus kostbaren Stoffen, die von ebenso kostbaren Wandbehängen geschmückt wurden. Das Innere war dazu passend ausgestattet; es gab Kissen, einen niedrigen intarsiengeschmückten Tisch, Truhen und Kisten. Die Einrichtungsgegenstände waren zusammen mit dem Zelt und den dazugehörigen Pfosten auf riesigen großräderigen Wagen transportiert worden. Ich hatte zusammen mit anderen Männern in Geschirren gesteckt, und wir hatten den Wagen zwei Tage lang gezogen.
Vor drei Tagen waren diese Männer und ich mit Stößen von Speerenden geweckt worden.
»Auf die Knie! Die Köpfe in den Staub. Ihr befindet euch in Gegenwart eurer Herrin!«
Wir hatten uns mühsam auf die Knie erhoben. Die Hände waren uns mit Ketten auf den Rücken gefesselt worden. Irgendwie stanken wir nach Fisch. Man hatte uns Sklavenkragen angelegt und am Hals zusammengekettet.
Jemand war vor mir stehengeblieben.
»Heb den Kopf!«
Ich hatte aufgesehen. Die Frau war verschleiert und trug das Gewand der Verhüllung, ein kostbares Kleid, das auf dem grasbewachsenen Feld, auf dem wir uns befanden, unpassend wirkte. Ich sah mich um und zählte fünf Wächter.
Eine Tharlarionpeitsche wurde mir gegen die Wange gedrückt, ein Hinweis, daß ich nach vorn schauen sollte. Dann druckte die Peitsche unter mein Kinn, und ich hob gehorsam den Kopf. Die Frau sah mich an. »Es scheint so, als hätte ich das Spiel der Gunstbeweisungen gewonnen«, sagte sie.
»Zumindest für den Augenblick«, erwiderte ich.
»Als ich in Port Kar meine Gunstbezeugungen verteilt habe«, sagte sie, »geschah das unter zwei Gesichtspunkten. Möchtest du wissen, welche beiden das waren?«
»Natürlich.«
»Erstens mußten die Männer groß und stark sein. Sie mußten für die Arbeit in einem Sklaventrupp geeignet sein. Sie mußten fähig sein, mit ihrer tierhaften Kraft die härtesten Arbeiten zu erledigen, und das für lange Zeiten.«
»Und was war der zweite Gesichtspunkt?« fragte ich. »Wie hat der ausgesehen?«
»Sie mußten mich körperlich anziehen.«
»Ich verstehe.«
»Wir werden bestens miteinander zurechtkommen, nicht wahr?« fragte sie.
»Zu wessen Bedingungen?«
»Zu meinen!«
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Kannst du gehorchen?« wollte sie wissen.
»Ja.«
»Dann bin ich davon überzeugt, daß wir miteinander zurechtkommen werden – zu meinen Bedingungen!«
»Vielleicht«, sagte ich.
Sie nahm die Peitsche unter meinem Kinn weg.
»Runter mit deinem Kopf«, sagte sie. »In den Staub.«
Ich gehorchte. Einen Augenblick später schritt sie die Reihe weiter ab, blieb hier und da stehen, um einem anderen Mann zu befehlen, den Kopf zu heben, damit er verhört werden und Befehle ausführen konnte, um schließlich in einer Pose erniedrigenden Gehorsams zu verharren.
»Komm näher!« befahl sie.
Innerhalb des Zeltes gab es einen Privatbereich, der von durchsichtigen weißen Stoffbahnen abgesperrt wurde. Er war wie ein kleines Zelt, das sich in einem großen Zelt befand. Sie befand sich in diesem Gemach, und ich sah sie undeutlich. Neben ihr stand eine kleine Lampe auf einem Ständer. Sie saß auf einem kurulischen Stuhl.