»Oh!«
»Es handelt sich um die einfache Angelegenheit eines im guten Willen abgeschlossenen Handels.«
»Sleen!« schrie sie.
»Vielleicht sollten wir die Angelegenheit einem Praetor vortragen und ein Urteil erwirken«, schlug Boots vor.
»Du Sleen!«
»Ich sehe, ich muß gehen.«
»Nein!« rief sie. »Ich muß diesen wunderbaren Schleier haben!«
»Nicht ohne Blick«, sagte Boots.
»Also gut. Was muß ich tun, damit du deinen Blick bekommst?«
»Leg dich auf den Rücken«, sagte er. »Winkle das rechte Knie an, leg die Hände an die Seiten, etwa zwanzig Zentimeter von den Oberschenkeln entfernt, die Handflächen nach oben gedreht.« Er betrachtete sie. »Nein, das ist es noch nicht. Setz dich auf, stütz dich mit den Händen ab und sieh über die Schulter. Nicht schlecht. Aber ich bin mir noch immer nicht sicher. Knie dich jetzt hin, halt dich gerade, leg den Kopf in den Nacken, verschränk die Hände hinter dem Kopf. Das könnte es sein.«
»Ich hoffe!«
»Nein, das ist noch nicht ganz.«
»Oh!« rief sie bestürzt.
»Manchmal muß man hart arbeiten und proben, um den richtigen Blick zu finden«, verkündete Boots.
»Offensichtlich.«
In der Folge schien Boots der Erfolg immer gerade so eben verwehrt zu bleiben, und er fuhr unerschrocken fort, nach dem richtigen Blick zu suchen. Dabei bekam das Publikum Brigellas Anatomie ausführlich zu Gesicht.
Sie war unglaublich schön. Die Zuschauer stießen Begeisterungsrufe aus; einige von ihnen schlugen sich auf die Schenkel.
»Das ist widerwärtig!« rief Lady Telitsia.
»Du bist es, die widerwärtig ist«, sagte einer der Männer neben ihr.
»Ich?«
»Ja, du!«
Die Lady wandte sich ab.
»Sieh!« rief Boots plötzlich. »Da kommt jemand!«
»Du wirst mich nicht zweimal hereinlegen, du Schurke«, rief Brigella auf Knien.
»Ich glaube, es ist eine Frau.«
»Was?« Sie drehte sich um, wollte sich erheben und ging dann ratlos und entsetzt wieder in die Knie. Sie starrte Boots an. »Das ist Lady Tipa, meine Rivalin aus dem Dorf. Sie darf mich nicht so sehen. Was soll ich nur tun?«
»Schnell!« rief Boots. »Komm her, kriech unter mein Gewand.«
Das Mädchen wußte keinen anderen Ausweg, als das Angebot anzunehmen. Einen Augenblick später war sie unter seinem Gewand verschwunden, nur die Waden und Füße schauten unter dem Saum hervor.
»Wie ich sehe, weißt du, wie man eine Sklavin behandeln muß«, sagte Lady Tipa, die von Boots’ Bina dargestellt wurde, sonst üblicherweise Gefährtin und Vertraute der Brigella.
»Vielen Dank, meine Lady«, erwiderte Boots.
»Ich habe sie beim Näherkommen nicht gut sehen können«, sagte Bina. »Ist sie hübsch?«
»Manche könnten sie für ganz ansehnlich halten«, sagte Boots. »Aber verglichen mit dir ist ihre Schönheit nicht mehr als die eines Urts im Vergleich zu der Lieblingssklavin eines Ubars.«
Das Mädchen unter Boots’ Gewand bebte vor Empörung, wagte es aber nicht, hervorzukommen.
»Was hat deine Sklavin denn?« fragte Bina.
»Sie brennt vor Leidenschaft.«
»Wie schwach Sklaven doch sind.«
»Ja.«
»Ich suche nach einem Mädchen aus meinem Dorf«, sagte Bina. »Zwei Reisende, meines Erachtens wohl Kaufleute, meinten, sie habe wohl diesen Weg hier genommen.«
»Kannst du sie beschreiben?« fragte Boots.
»Ihr Name ist Phoebe«, sagte Bina. »Trüge sie keinen Schleier, würdest du sie aufgrund meiner Beschreibung leicht erkennen, denn sie ist schrecklich häßlich.«
Das Gewand geriet wieder in Bewegung.
»Vielleicht hast du sie trotzdem erkannt. Sie ist zu klein, hat zu breite Hüften und fette Knöchel.«
Der Stoff beulte sich wild aus.
»Was hat deine Sklavin denn, und was tut sie überhaupt da unten?« fragte Bina.
»Sie hat so mitleiderregend darum gebettelt, mir den Sklavenkuß zu geben, daß ich in meiner Schwäche ihrem Drängen nachgegeben habe«, erklärte Boots.
Die Bewegungen unter dem Gewand nahmen an Heftigkeit zu.
»Wie verständig du doch bist«, sagte Bina.
»Vielen Dank«, erwiderte Boots.
Ein wütender Protestschrei ertönte, den der Stoff des Gewandes dämpfte.
»Hat sie etwas gesagt?« fragte Bina.
»Sie fleht mich um die Erlaubnis an, endlich beginnen zu dürfen«, sagte Boots,
Das Gewand erzitterte.
»Offensichtlich ist mit ihr etwas nicht in Ordnung«, meinte Bina.
»Es liegt nur daran, daß sie vor Begierde zittert.«
»Auch wenn sie nur eine Sklavin ist, so ist sie doch eine Frau wie ich auch. Behandle sie gut. Erlaube, daß sie dich erfreut.«
»Wie verständnisvoll du bist, Lady Tipa«, staunte Boots. »Du darfst anfangen«, sagte er zu der verborgenen Brigella.
Das Gewand geriet wieder in heftige – diesmal verneinende – Bewegung.
»Was ist los?« fragte Bina.
»Sie ist schüchtern«, erklärte Boots.
»Aber sie braucht doch meinetwegen nicht schüchtern zu sein«, meinte Bina. »Sie soll anfangen.«
»Fang an«, befahl Boots,
Wieder schien unter dem Gewand alles in Bewegung zu geraten.
Boots schlug einmal mit gedämpfter Kraft zu. Sofort kniete sich das Mädchen gehorsam hin. »Du faule Sklavin«, tadelte Boots. Ihre Zehenspitzen, die unter dem Saum hervorragten, trommelten in hilfloser Wut auf den Boden. »Ich sehe schon kommen, daß ich dich dort unten hervorholen und bestrafen muß«, sagte Boots.
»Sieh nur!« rief Bina. »Sie fängt an!«
»O ja, sie fängt tatsächlich an«, bestätigte Boots. »O ja!«
»Wie aufregend!« rief Bina.
»Allerdings!« stieß Boots hervor. »O ja! Ah! Ja, ja, ja! O ja!« Boots wischte sich die Stirn ab.
»Ist sie weg?« fragte Brigella ein paar Augenblicke später.
»Ja«, sagte Boots.
Brigella kroch auf allen vieren unter dem Gewand von Boots Tarskstück hervor und drehte sich um.
»Tipa!« schrie sie voller Entsetzen.
»Ich dachte, sie sei schon weg«, meinte Boots unschuldig.
»Phoebe!« rief Bina.
»Tipa!« stöhnte Brigella jammervoll.
»Phoebe!« rief Bina erfreut.
»Tipa!« flehte Brigella.
»Phoebe auf den Knien, nackt wie eine Sklavin, auf einer Landstraße, wie sie unter dem Gewand eines Mannes hervorkriecht!« lachte Bina und zeigte verächtlich auf Brigella. »Wie peinlich, wie unglaublich, wie wunderbar!«
»Bitte, Tipa!« flehte Brigella.
»Du gehörst zu den Mädchen, denen man schon in frühesten Jugend einen Sklavenkragen hätte anlegen sollen«, sagte Bina. »Du bist schon immer eine Sklavin gewesen.«
»Ich bin eine freie Frau«, schluchzte Brigella.
»Sklavin, Sklavin, Sklavin«, lachte Bina. »Diese Geschichte wird sich in Windeseile im Dorf herumsprechen«, lachte sie und eilte von der Bühne.
»Ich bin entstellt«, schluchzte Brigella und stand händeringend auf. »Ich könnte es nicht ertragen, ins Dorf zurückzukehren, außerdem würden sie mich in Ketten legen und verkaufen.«
»Vielleicht auch nicht«, sagte Boots tröstend.
»Glaubst du das wirklich, Kaufmann?«
»Vielleicht nehmen sie auch einen Strick.«
»Oohh!« jammerte sie. »Wo kann ich denn hin? Was soll ich tun?«
»Nun«, sagte Boots. »Ich muß weiter.«
»Aber was soll ich tun?« flehte Brigella.
»Laß dich nicht von einem Sleen fressen«, riet Boots. »Es wird allmählich dunkel.«
»Wo sind meine Kleider?« flehte sie.
»Ich kann sie nirgends entdecken. Der Wind muß sie fortgeweht haben.«
»Nimm mich mit!« bettelte Brigella.
»Wenn du auf die Knie gehst und mich um den Kragen bittest…«
»Ich bin eine freie Frau!« rief sie empört.
»Viel Glück bei den Sleen.«
»Nehmt mich als Reisebegleiterin mit«, drängte sie ihn.
»Und was willst du tun, um mich dafür zu bezahlen?«
»Ich könnte dir einmal am Tag einen Kuß auf die Wange geben«, sagte sie. »Sicher wirst du von einer freien Frau nicht mehr erwarten.«