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Ich mußte das Zelt bald verlassen und in mein eigenes Lager zurückkehren. Nach einer erholsamen Nacht wollte ich in aller Frühe aufbrechen.

»Ho!« rief Boots plötzlich. »Wer ist da?«

Plötzlich waren meine Sinne angespannt. Es war schon spät, die Vorstellungen schon seit einigen Stunden vorüber. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß zu dieser Zeit noch Dörfler oder Reisende unterwegs waren.

»Was ist?« fragte das Mädchen, das die Veränderung in mir gespürt hatte.

»Sei still«, befahl ich.

»Wer seid ihr?« rief Boots. Er wartete vergeblich auf eine Antwort.

Ich schlüpfte in meine Tunika und nahm mein Schwert, das noch in der Scheide steckte; der dazugehörige Gürtel war um die Scheide gewickelt.

»Tretet vor!« rief Boots. »Ich weiß, daß ihr da seid. Ihr braucht keine Angst zu haben. Gebt euch zu erkennen. Tretet ins Licht.«

»Falls man wissen will, ob jemand bei dir war, sag, derjenige sei geflohen«, befahl ich dem Mädchen.

»Was ist denn los?« fragte sie ängstlich.

Ich legte einen Finger an die Lippen und mahnte sie zum Schweigen. Das ist eine ganz natürliche Geste; ich weiß nicht, ob sie sich von der Erde unabhängig auf Gor entwickelt hat oder irgendwann in der tiefen Vergangenheit von der Erde ihren Weg nach Gor gefunden hat. Es gibt natürlich viele goreanische Gesten, die irdischen Gesten stark ähneln; andere wiederum sind einzigartig. Eine andere Möglichkeit, jemanden zum Schweigen zu mahnen, liegt darin, die Lippen zweimal kurz mit dem Finger zu berühren. Das ist eine rein goreanische Geste.

Ich sah zu dem Mädchen zurück. Die zitternden Lippen zeigten Angst. Es drängte sie mit aller Macht, etwas zu sagen, aber sie schwieg. Denn sie hatte einen Befehl erhalten.

Ich hob die Zeltplane an der Rückseite ein Stück in die Höhe und sah mich um. Hier konnte ich mich ungesehen aus dem Staub machen. Ich warf noch einen Blick auf die junge Frau zurück. Sie kniete und sah mir ängstlich nach. Natürlich würde sie genau dort bleiben, wo sie jetzt war. Dafür würde schon die Kette an ihrem Knöchel sorgen. Wie schön sie doch in ihren Ketten sind.

Ich schlüpfte aus dem Zelt.

»Laßt uns frei!« verlangte Boots Tarskstück, der mit an die Seiten gefesselten Armen in der Nähe des Lagerfeuers kniete.

Der Anführer der Straßenräuber, ein bärtiger Kerl, der sich ein Tuch um den Kopf gebunden hatte, hieb ihm mit dem Handrücken über den Mund. Das war unangemessen, denn Boots war ein freier Mann.

»Dein Benehmen ist erbärmlich«, stieß Boots hervor. »Ich bin Boots Tarskstück, Schauspieler, Theaterdirektor und Impresario. Zweifellos hast du von mir gehört. Ich bin kein Sklave. Ich verlange, höflich und respektvoll behandelt zu werden.«

»Soll ich ihm den Hals durchschneiden, Ho-Dan?« fragte einer der Räuber, packte Boots an den Haaren und riß ihm den Kopf in den Nacken.

»Noch nicht, Larius«, erwiderte der Mann namens Ho-Dan, der Anführer der Räuber. »Wo sind die Schlüssel zu den Fußketten deiner Schlampen?«

Boots grunzte, als sein Kopf noch weiter nach hinten gezogen wurde. Die Klinge drückte gegen die Haut seines Halses.

»Sie hängen an einem Nagel, direkt neben dem Türrahmen meines Wagens, es ist der rote Wagen mit dem roten Dach dort links.«

»Bringt die beiden Zeltschlampen gekettet her und setzt sie ans Feuer«, sagte Ho-Dan. »Dann werden wir sehen, ob sie es wert sind, mitgenommen zu werden oder nicht.«

»Was habt ihr mit uns vor?« fragte Boots.

Ich sah, wie die beiden Räuber einen Blick wechselten und sich angrinsten. Ein weiteres Bandenmitglied setzte sich in Bewegung und hielt auf Boots’ Wagen zu, vermutlich um die Schlüssel für Rowenas und Binas Fußketten zu holen. Sicherlich würde man sie für ausreichend schön oder begehrenswert halten, um sie am Leben zu lassen.

»Das hier nennst du Geld?« fragte Ho-Dan und schüttelte den Münztopf unter Boots’ Nase.

»Warum? Ja«, sagte Boots und sah in den Topf.

»Da ist ja höchstens ein Silbertarsk drin«, knurrte der Straßenräuber.

»Da muß ich dir recht geben«, sagte Boots. »Es ist eine klägliche Summe, nicht einmal wert, daß man sie mitnimmt. Laß sie da, wenn du willst.« Er zuckte zurück, aber der Räuber senkte die Hand wieder.

Der Kerl, der aufgebrochen war, um sich den Schlüssel zu holen, kam mit den beiden Mädchen zurück. Man hatte ihnen die Hände vor den Körper gefesselt, und zwar mit einem um die Taille geschlungenen Seil. Der Mann zerrte sie an den Haaren hinter sich her. Dann warf er sie neben dem Feuer zu Boden; sie kamen auf den Rücken im Staub zu liegen. Ho-Dan nahm einen brennenden Holzscheit aus dem Feuer, fuhr damit eine Handbreit über den Körpern der Mädchen auf und ab und musterte sie im flackernden Lichtschein. Er warf die Fackel zurück ins Feuer. »Wir werden sie behalten«, verkündete er.

Die Mädchen zitterten vor Erleichterung. Man hatte sie für gut befunden.

»Fesselt sie aneinander, kniend, den linken Knöchel an den rechten Knöchel, den rechten Knöchel an den linken Knöchel.«

Einen Augenblick später knieten die beiden Rücken an Rücken mit aneinandergefesselten Knöcheln im Staub.

»Wieviel Geld habt ihr?«

Boots schwieg.

Der Anführer der Straßenräuber sah zur anderen Seite des Feuers. Dort lagen die Mitglieder von Boots’ Theatertruppe gefesselt auf dem Boden, der durchtriebene, bewegliche Chino, der etwas schwerfällige Lecchio, Petrucchio, der hochgewachsene, mißmutige ›Kapitän‹, und Publius Andronicus, der wohl berühmteste Schauspieler des Ensembles, sah man von dem unglaublichen Boots Tarskstück selbst ab. Ich hatte Publius Andronicus noch nicht auf der Bühne gesehen, ging aber davon aus, daß er sein Metier beherrschte. Er war von der Statur und dem Gesicht her ziemlich beeindruckend, und zwar auf eine gewichtige Weise, die an eine Gebirgskette erinnerte. Er gebot über eine tiefe Stimme, die er, wenn er wollte, wie Donnerhall erschallen ließ. Boots war recht beeindruckt von ihm. Anscheinend blieb er für Hauptrollen wie den tragischen Staatsmann oder den gequälten Poeten, in Reserve. Meiner Meinung nach war er bei der falschen Theatertruppe, denn in Boots’ Repertoire gab es, soweit ich es mitbekommen hatte, nur wenige derartige Rollen. Der Spieler, den alle das Ungeheuer nannten, lag, noch immer maskiert, gefesselt bei den Schauspielern.

»Nehmt euch, was ihr wollt«, sagte Boots. »Und dann geht.«

»Der da«, sagte der Anführer und zeigte auf Chino. »Tötet ihn!«

»Nein!« rief Boots. »Wartet. Das kann nicht euer Ernst sein. Eine solche Tat würde das Theater schänden! Das ist der beste Chino von ganz Gor!«

»Mir gefällt die Idee auch nicht«, sagte Chino. »Allerdings aus anderen Gründen.«

»Hätte ich nur mein Schwert!« rief Petrucchio, Ich hatte starke Zweifel, daß Petrucchios unhandliches großes Holzschwert, das kaum mehr als ein witziges Bühnenschwert war, den Ausgang des Kampfes verändert hätte. Aber ich fand seinen Mut bewundernswert.

»Schneid ihm die Kehle durch!« befahl Ho-Dan.

»Nein«, sagte Boots, »In meinem Wagen, in der rechten Ecke des Einsatzes in meiner Truhe, liegt ein verknoteter Strumpf, in dem ein paar Münzen sind. Dann gibt es noch ein paar Münzen in der Spitze eines Pantoffels, der an der Seite liegt.«