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»Holt sie!« befahl Ho-Dan.

Der Räuber, der Chino gepackt hielt, stieß ihn zurück auf den Boden. Dann ging er in Richtung Boots’ Wagen.

»Was sonst noch?«

»Ich weiß sonst nichts, was für euch von Wert sein könnte«, sagte Boots. »Ihr könnt euch ja umsehen und nehmen, was euch gefällt. Für die anderen kann ich nicht sprechen.«

Ho-Dan nickte. »Wo steckt eigentlich Bort?« fragte er dann.

»Er hielt an der Straße Wache«, sagte Larius, der noch immer neben den Gefangenen am Feuer stand.

»Wir haben sie doch in unserer Gewalt«, sagte Ho-Dan. »Außerdem haben wir die Wachen zurückgerufen. Wo ist er also?«

»Zweifellos wird er jeden Augenblick da sein.«

Doch Bort kam nicht.

Ich hatte einschließlich Ho-Dan sieben Straßenräuber gezählt. Es ist wichtig, daß man in solchen Dingen genau ist.

»Bort!« rief einer der Männer.

Ich war Bort am Straßenrand kurz begegnet. Allerdings hatte er nicht viel Zeit gehabt, unsere Begegnung zu genießen. Das leise Geräusch eines zu Boden fallenden Kiesels hatte ihn zur Seite gelockt. Ich war von der entgegengesetzten Seite gekommen.

»Bort!« rief der Mann erneut.

Die Straßenräuber waren nun zu sechst. Allerdings wußten sie das noch nicht.

»Wo steckt er?« fragte einer der Männer.

»Er schläft auf seinem Posten«, sagte Larius.

»Hat sich verirrt.«

»Laßt ihn doch. Bleibt für uns nur mehr Beute übrig.«

»Geht ihn suchen«, befahl der Anführer.

Bezeichnenderweise setzte sich nur ein Mann in Bewegung, und zwar der, der ihn gerufen hatte.

»Bort?« rief er mißtrauisch und starrte in die Dunkelheit. »Bist du das?« Ich tötete ihn.

Dann umkreiste ich das Lager und näherte mich den Wagen von der anderen Seite. Ho-Dan stand mit Larius neben den Gefangenen. Die übrigen Straßenräuber durchstöberten die Wagen. Sie hatten nur Augen für ihre Beute. Ich packte einen von hinten und zerrte ihn in die Dunkelheit, wo ich ihn schließlich auch liegen ließ. Ich hatte denselben Quiva wie bei den anderen beiden benutzt.

»Titus!« rief ein Räuber, der aus einem Wagen kam und vor der kleinen Treppe stehen blieb. »Sieh mal, was ich gefunden habe!« Er hielt einen großen, mit Einlegearbeiten verzierten Pokal in die Luft. So einen Pokal hatte ich schon einmal gesehen. »Titus!« rief er. »He, Titus, sieh mal her!«

»Teibar, wo ist Crassius?« rief ihm der Anführer zu. »Ist er bei dir?«

»Nein«, antwortete der Mann. »Ist er noch nicht zurück?«

»Nein«, sagte Ho-Dan.

Teibar senkte die Hand, mit der er den Pokal hielt. »Er sollte mittlerweile längst mit Bort zurück sein«, sagte er.

»Bort!« rief der Anführer in die Dunkelheit. »Crassius!« Er drehte sich um. »Tirus!« Er sah seinen Gefährten am Feuer an. »Das gefällt mir nicht«, sagte er.

»Was ist los?« fragte ein Räuber, der aus einem der Wagen trat.

»Bort ist verschwunden«, sagte Ho-Dan. »Crassius ist noch nicht zurückgekommen. Titus meldet sich auch nicht. Hast du ihn gesehen, Abdar?«

Der Angesprochene schüttelte den Kopf und blieb auf der Wagentreppe stehen.

Die Banditen sahen sich besorgt an.

»Sleen«, sagte Teibar.

Tatsächlich töten Sleen manchmal schnell und lautlos.

»Oder ein Panther ist aus dem Wald gekommen, oder ein herumstreunender Larl«, fuhr er fort. Das war weniger wahrscheinlich als ein Sleenangriff. Obwohl Panther und Larls äußerst gefährlich werden können, greifen sie Menschen meistens nur dann an, wenn sie verstört sind oder keine andere Beute finden, Sleen hingegen, schnelle, angriffslustige, schlangenähnliche Tiere, die ausgezeichnet im Fährtenverfolgen sind und gewöhnlich nur in der Nacht jagen, sind weniger wählerisch, was ihre Eßgewohnheiten angeht.

»Es könnten Urts sein«, sagte Abdar. »Die Zeit ihrer Wanderungen naht.« Bestimmte Arten von Urts gehen zweimal im Jahr auf Wanderschaft. In diesen Zeiten reicht es für gewöhnlich, ihnen einfach aus dem Weg zu gehen. Normalerweise bleiben die Leute in ihren Häusern, wenn sich ein Rudel in der Nähe aufhält. Diese Wanderungen sind eigentlich nicht gefährlich, es sei denn, man blockiert dem Rudel den Weg. Die meisten Urt-Arten sind ziemlich klein; man kann sie mit einer Hand hochheben, und sie stellen für den Menschen keine Bedrohung dar. Sie können Sa-Tarna-Felder vernichten und sich den Weg in Kornspeicher erzwingen. Dann gibt es noch eine Ausnahme. Urts, die in den Kanälen leben und sich von Abfällen ernähren, greifen Schwimmer ohne Zögern an. Und die großen, in Gefangenschaft gehaltenen Urts werden speziell zum Angriff und zum Töten gezüchtet.

»Sammelt ein, was ihr könnt«, sagte Ho-Dan. »Dann brechen wir auf.« Er blickte sich um und warf Holz ins Feuer. Die hohen Flammen würden die Sleen abschrecken, aber sie verbreiteten auch wesentlich mehr Licht, was mir nur zugute kam.

Teibar und Abdar, die beide noch auf den Treppen der gegenüberüberliegenden Wagen standen, sahen sich über die Entfernung hinweg an.

»Beeilt euch!« befahl Ho-Dan.

»Du stehst neben dem Feuer!«

»Wir haben genug!«

»Feiglinge!« sagte Larius.

»Laß uns aufbrechen«, sagte Teibar, der noch immer den Pokal in der Hand hielt.

»Willst du mir widersprechen?« fragte der Anführer.

Teibar setzte den Pokal ab und griff zum Schwert. Ich war froh, daß er den Pokal abgestellt hatte. Es hätte mir nicht gefallen, wäre er zerstört worden.

»Vielleicht hast du ja recht«, lenkte Ho-Dan ein. »Kommt her zum Feuer.«

Teibar löste sich vom Wagen; er blieb auf der Hut.

»Du hast recht«, sagte der Anführer. »Wir haben genug.«

»Gut«, sagte der Mann.

»Vergiß den Pokal nicht«, meinte Ho-Dan.

Teibar hatte sich noch nicht ganz umgedreht, da machte Ho-Dan auch schon einen gewaltigen Satz auf ihn zu, packte ihn von hinten, würgte ihn und trieb ihm einen Dolch bis zum Heft in den Rücken.

»Teibar!« schrie Abdar, der noch immer auf der Wagentreppe stand.

Der Anführer fuhr mit blutigem Messer zu ihm herum. »Stellst du auch meine Autorität in Frage?«

»Nein, nein!« sagte der Bursche schnell.

»Legt die Frauen an die Leine und löst ihre Fußfesseln, damit sie laufen können«, befahl Ho-Dan.

»Was ist mit den Wagen und den Gefangenen?« fragte Larius, der sich nicht vom Feuer geführt hatte.

»Wir werden die Wagen in Brand setzen«, sagte Ho-Dan. »Den Männern schneiden wir die Kehlen durch.«

»Ausgezeichnet«, stimmte Larius zu.

»Hol den Pokal«, befahl Ho-Dan dem noch immer wie erstarrt dastehenden Abdar.

»Ich will ihn nicht«, sagte Abdar mit zittriger Stimme und starrte auf seinen toten Kameraden.

»Feigling«, lachte Ho-Dan. Er ging an dem Toten vorbei auf den Wagen zu.

Anscheinend war ihm entgangen, daß sich Abdar zwar unsicher und ängstlich angehört hatte, seine Hand jedoch völlig ruhig geblieben war. Das Schwert glitt schnell und lautlos aus der Scheide. Ho-Dan blieb keine Zeit zum Ausweichen, die Klinge traf seinen Hals und trennte ihm fast den Kopf ab. Die Mädchen schrien auf. Abdar wandte sich dem Mann am Feuer zu.

»Nein, tu es nicht!« rief Larius.

Abdar zögerte kurz. Einen Augenblick lang war er unentschlossen. Anscheinend hatte er nicht darüber nachgedacht, wie es nach dem Tod des Anführers weitergehen sollte. Das war sehr kurzsichtig von ihm gewesen; er hätte seinen Komplizen in seinem Plan bedenken müssen. Schließlich mußte er davon ausgehen, daß der Mann nach dem ersten Schlag noch dasein und man sich so oder so um ihn kümmern mußte. Auf jeden Fall hatte er gezögert und das konnte ihn nun teuer zu stehen kommen. Larius hielt jetzt ebenfalls ein Schwert in der Hand.

»Laß uns nicht kämpfen«, sagte er. »Ich stehe auf deiner Seite! Es gibt genug Beute für zwei!«

Nach Larius’ Stimme und seinen Worten zu urteilen, war er offensichtlich besorgt. Ich glaubte nicht, daß er etwas vorspielte; seine Furcht schien echt zu sein.